Van Gaal kritisiert seine Bayern:"Ich bin böse"

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Der FC Bayern gewinnt 3:1 in Wolfsburg - und Trainer Louis van Gaal ist trotzdem sauer: Er beschwert sich über die Arroganz seiner Spieler.

Fabian Heckenberger, Wolfsburg

Uli Hoeneß hat jetzt andere Pflichten, er kann sich wirklich nicht mehr um jedes einzelne Fußballspiel kümmern. Als Präsident des FC Bayern greift er die großen Themen seines Sports und die prekären Probleme seines Vereins auf. Geht es um die WM 2010 in Südafrika oder um den Gerichtsstreit mit dem aufmüpfigen 1860 München, dann schickt Hoeneß ein präsidiales Donnern durchs Land. Aber ein 3:1-Sieg seiner Bayern am 21. Spieltag beim schlingernden Meister VfL Wolfsburg?

Van Gaal ist sauer auf seine Spieler - trotz des Sieges seiner Mannschaft. (Foto: Foto: ddp)

In seiner Zeit als Manager hätte Hoeneß vielleicht ein unerwartetes Grummeln vernehmen lassen. Doch nach dem Schlusspfiff in der Wolfsburger Arena fand sich am Samstag nirgends ein verärgerter Präsident, und auch Nachfolger Christian Nerlinger sah keinen Anlass, auf den Putz zu hauen. So musste Louis van Gaal den Job ganz alleine erledigen.

"Ich bin böse", sagte der Trainer des FC Bayern München noch auf dem Rasen, und weil das trotz etlicher Mikrofone vielleicht noch nicht alle gehört hatten, wiederholte der Holländer im Presseraum: "Wir haben gewonnen, aber ich bin sehr böse auf meine Spieler. Sie haben arrogant gespielt. Das war unnötig."

Phasenweise agierten die Gäste tatsächlich etwas nachlässig. "Es haben ein paar Prozent gefehlt. Es hat nicht ganz so viel Spaß gemacht, weil wir manchmal hinterher gelaufen sind", sagte Mario Gomez, was allerdings eine nicht ganz zulässige Verallgemeinerung war: Der Stürmer weitete seine eigene Leistung kurzerhand auf die gesamte Mannschaft aus.

Aus einigen Unachtsamkeiten entstanden zwar Chancen für Wolfsburg. So musste Jörg Butt nicht nur den Strafstoß von Grafite in der 65. Minute parieren, sondern in der Nachspielzeit noch einen Gegentreffer hinnehmen. Grafite hatte geköpfelt, genau in jenes Tor, in das er vergangene Saison beim 5:1 per Hacke getroffen und die Demütigung der Bayern perfekt gemacht hatte. Doch die Kräfteverhältnisse haben sich seitdem geändert. Der Sieg der Münchner war am Samstag gegen Wolfsburg nie in Gefahr. "Wenn es eng geworden wäre, hätten wir nochmals zulegen können", sagte Gomez.

Dass van Gaals Kritik dennoch so heftig ausfiel, rief angesichts des deutlichen Ergebnisses und seines souveränen Zustandekommens Überraschung hervor. Völlig verblüfft war Flügelstürmer Arjen Robben. Die Fragen zur neuen Farbe seiner langen Unterhose (Rot!) beantwortete der Torschütze des wegweisenden 1:0 in der zweiten Spielminute noch mit einem amüsierten Lächeln. Konfrontiert mit der Kritik seines Trainers, runzelte der Holländer aber fragend die Stirn.

Spieler gehen in die Offensive

"Mit arrogant bin ich nicht einverstanden", insistierte Robben. "Wir haben in Wolfsburg drei Tore geschossen, drei Tore sind gut." Nach der frühen Führung hatten Daniel van Buyten (26.) mit seinem sechsten Saisontreffer und der nach der Pause eingewechselte Franck Ribéry unter freundlicher Mithilfe des VfL-Verteidigers Andrea Barzagli (57.) auf 3:0 erhöht. Wie schon in Bremen und gegen Mainz hätte die Münchner Führung nach einem Pfostentreffer von Robben und weiteren Chancen durch Schweinsteiger und Müller noch höher ausfallen können. So wollte auch Kapitän Mark van Bommel seinem Trainer zwar nicht vehement widersprechen ("Wir müssen immer kritisch bleiben"), stellte aber letztendlich fest: "Wir sind jetzt schon länger richtig gut im Rollen."

Angesichts von nunmehr acht Bundesligasiegen in Folge entspringt das Mahnen des Fußballlehrers wohl eher prophylaktischem Kalkül, denn der ernsthaften Sorge um den Zustand seiner Mannschaft. Wie einst Uli Hoeneß, der das antizyklische Loben und Granteln zum Prinzip erhob, baut nun van Gaal auf die vorbeugende Wirkung des erhobenen Zeigefingers.

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Fabian Heckenberger, Wolfsburg

Man könne mit einer unkonzentrierten Partie schnell die ganze Arbeit von Wochen und Monaten zunichte machen, warnte der 58-Jährige und ließ offen, ob er damit die Pokalbegegnung am Mittwoch gegen Fürth, das Spitzenspiel am Samstag gegen Dortmund oder die erste Achtelfinalpartie in der Champions League gegen Florenz meinte. Das Signal aber war eindeutig: Wer nicht an die Grenzen seiner Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit geht, dem droht selbst nach Siegen Ungemach. Van Gaal hält seine Bayern allem Anschein nach mittlerweile für so gefestigt, dass er die Gefahr, die Spieler mit Kritik aus dem Gleichgewicht zu bringen, deutlich geringer schätzt, als die Chance, sie durch dosierte Nadelstiche zu noch besseren Leistungen zu treiben.

Am deutlichsten bekam das Bastian Schweinsteiger zu spüren. "Schweinsteiger bekommt den Ball, schaut sich dreimal um und spielt ihn dann über die Seitenlinie", nörgelte van Gaal und fügte hinzu: "Das ist schade." Nicht nur der Spieler selbst dürfte sich über die negative Beurteilung seines durchaus aufgeräumten Auftritts als offensiv interpretierter Sechser gewundert haben.

Überheblich? Mir san mir!

Die kalkulierten Äußerungen des Trainer lassen sich aber nicht nur aus interner Sicht deuten, als pädagogische Maßnahme, sondern auch aus externer Perspektive als Zeichen an die Konkurrenz. Die Titelrivalen Leverkusen, Schalke und Hamburg spielten am Samstag allesamt unentschieden und ließen jeweils zwei Punkte liegen.

Dass sich van Gaal just am Tag, an dem seine Mannschaft nach einem souveränen Erfolg in Wolfsburg mit dem Tabellenführer Leverkusen gleichzieht, über zuviel Schlendrian beschwert, soll in der Liga gerne als Botschaft verstanden werden, dass da eine Elf noch nicht am oberen Limit spielt. Und ebenso gerne darf das, wenn es nach den den Bayern geht, als Vorgeschmack auf Zeiten aufgefasst werden, in denen der Rekordmeister gedenkt, seinen Titelansprüchen wieder vollumfänglich gerecht zu werden.

Anderswo könnte van Gaals Nörgelei an Details nach einem solch deutlichen 3:1 als überheblich ausgelegt werden. In München indes verbuchen sie dies in solchen Zeiten nicht unter Arroganz, sondern ganz einfach als Mir-san-mir-Gefühl.

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