Mark van Bommel wird belgischer Meister:"Unbeschreiblich, unglaublich, verrückt!"

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Mark van Bommel, in Wolfsburg als Coach mäßig erfolgreich, ist nun der Trainer des belgischen Meisters. (Foto: Tom Goyvaerts/Belga/Imago)

Schon wieder ein Drama am letzten Spieltag: Royal Antwerpen gewinnt am letzten Spieltag den belgischen Meistertitel. Trainer Mark van Bommel jubelt - dabei sah während der Saison vieles nach einer Enttäuschung aus.

Von Ulrich Hartmann

Im Herbst geschahen seltsame Dinge in Antwerpen, sie gaben dem Trainer Mark van Bommel zu denken. Erst qualmte sein prominenter Fußballer Radja Nainggolan kurz vor einem Spiel auf der Ersatzbank eine E-Zigarette, woraufhin er suspendiert und später nach Ferrara in die italienische Serie B transferiert wurde. Dann flüchtete van Bommel eines Nachts in seinem Porsche vom Parkplatz seiner Wohnanlage vor einem bewaffneten Mann, der ihm offenbar das Auto rauben wollte, später bei der Polizei aber zu Protokoll gab, er habe für sich einen Vertrag als Fußballprofi erzwingen wollen.

Und schließlich verspielte van Bommels Klub Royal Antwerpen in jener Zeit an der Spitze der belgischen Jupiler Pro League einen Fünf-Punkte-Vorsprung vor dem KRC Genk und fand sich zur Saison-Halbzeit mit elf Punkten Rückstand auf Platz drei wieder. Im Herbst noch drohte es eine enttäuschende Debütspielzeit zu werden für jenen 46 Jahre alten Niederländer, der einst fünf Jahre beim FC Bayern gespielt hat und im Oktober 2021 nach nur vier Monaten als Trainer beim VfL Wolfsburg entlassen wurde.

Meisterschaft ist nicht der einzige Titel für Royal Antwerpen in dieser Saison

Am Sonntagabend aber platzte van Bommels Welt plötzlich aus allen Nähten. Er sprintete wie zu besten Fußballerzeiten über den Rasen der Arena von Genk, und als ihm am Spielfeldrand ein TV-Reporter das Mikro entgegenstreckte, brachte er spontan nur drei Wörter heraus: "Unbeschreiblich, unglaublich, verrückt!" Auf seinem T-Shirt stand in großen Buchstaben: "Den Dubbel".

Denn gut einen Monat nach dem Gewinn des belgischen Pokals im Endspiel gegen KV Mechelen hat Trainer van Bommel, und damit erstmals seit 1957 auch sein Klub Royal Antwerpen, am Sonntagabend die belgische Meisterschaft gewonnen. Und wie! Nach 88 Minuten am finalen von sechs Spieltagen in der Vierer-Meisterrunde schien Union Saint-Gilloise eine 1:0-Führung gegen Club Brügge zum Titelgewinn zu nutzen, weil Antwerpen zur selben Zeit in Genk 1:2 zurücklag. Die drei Top-Teams standen tabellarisch derart eng beieinander, sodass Antwerpen in diesem Moment bloß Dritter war.

Saint-Gilloise sieht sich in der 88. Minute als Meister - doch dann kassiert das Team noch drei Tore

Doch die Nachspielzeit drehte die Tabelle und damit die belgische Fußballwelt auf den Kopf. Saint-Gilloise kassierte gegen Brügge noch drei Gegentore (89., 93., 100.) und verlor 1:3, während der belgische Altinternationale Toby Alderweireld für Antwerpen in Genk in der 94. Minute mit einem Traumtor in den Winkel den Ausgleich zum 2:2-Endstand erzielte. Damit entriss er in diesem Moment wiederum dem fünfminütigen virtuellen Tabellenführer Genk den Titel. Saint-Gilloise, das im Europa-League-Achtelfinale Union Berlin bezwungen hatte und erst im Viertelfinale an Bayer Leverkusen gescheitert war, landete am Ende gar nur auf Platz drei.

Im Fußball herrschen gerade kuriose Zeiten mit inflationären Dramödien in den letzten Minuten und der Nachspielzeit. Den deutschen Meistertitel gewann der FC Bayern beim 2:1-Sieg in Köln durch ein Jamal-Musiala-Tor in der 89. Minute; den Bundesliga-Aufstieg sicherte sich der 1. FC Heidenheim beim 3:2-Sieg in Regensburg durch zwei Treffer in der 93. und 99. Minute, und den Sprung in die Zweite Liga schaffte der VfL Osnabrück beim 2:1-Sieg gegen Borussia Dortmund II durch zwei Treffer in der 94. und 96. Minute.

Auch ein Ex-Herthaner jubelt - Antwerpens Innenverteidiger Pacho wechselt im Sommer in die Bundesliga

Während der Titeltorschütze Alderweireld jubilierte: "Das ist der schönste Moment meiner Karriere", musste van Bommel das für sich durchaus relativieren. "Das ist mein schönster Moment auf belgischem Boden", sagte er, schließlich war er zu seiner aktiven Zeit ja sogar Champions-League-Sieger und Meister mit dem FC Barcelona gewesen sowie vier Mal Meister mit dem PSV Eindhoven, zwei Mal mit dem FC Bayern und ein Mal mit AC Mailand.

Zum Double-Sieger-Kader in Antwerpen gehören auch der niederländische Ex-Herthaner Jurgen Ekkelenkamp, der Ex-Bayer Christopher Scott und der künftige Frankfurter Willian Pacho - der Innenverteidiger aus Ecuador wechselt im Sommer zur Eintracht. Sportdirektor beim belgischen Meister ist Marc Overmars, der nach einem Sexismus-Skandal vor gut einem Jahr bei Ajax Amsterdam hatte zurücktreten müssen.

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