Denn das ist es, worum es ihm geht: "Fußball ist neben vielen anderen Dingen auch eine Angelegenheit unter Menschen", sagt er in Sotschi. Und er definiert sich nicht von ungefähr als ein Bewunderer von Menschen mit geringem Profil und von Verlierern: "Vor allem von Verlierern, die die Erfahrung der Niederlage zu nutzen wissen".
Das ist nicht nur dahingesagt, sondern Ausfluss einer beschämenden Freiheit von Eitelkeit. Er macht keine unnützen Geheimnisse um das, was er tut, weil der Fußball am Ende doch Unvorhersehbarkeiten bereithält, auf die sich niemand vorbereiten kann. Legendär, wie die Franzosen vor dem Auftaktspiel der WM 2010 einem gewissen Erik Mombaerts auftrugen, heimlich das Training der "Urus" auszukundschaften. Tabárez enttarnte ihn, lud ihn zum Kaffee ein und sprach mit ihm über Taktik, weil er Jahre zuvor ein erhellendes Fußballbuch von Mombaerts gelesen hatte. Und so plauderten sie wohl auch darüber, dass "Fußball mehr ist, als nur gegen einen Ball zu treten", oder darüber, dass man den Nachwuchsspielern "ein kulturelles Universum erschließen" müsse. "Lehren heißt helfen", sagt el Maestro.
"Was ihm jetzt Vitalität gibt, ist die Nationalelf"
Am Freitag musste man in der Pressekonferenz von Sotschi nur in das Gesicht von Luis Suárez schauen, um die Bewunderung zu ermessen, die sie für Tabárez empfinden, und wie dankbar sie sind, ihm etwas zurückgeben zu können. "Was ihm jetzt Vitalität gibt, ist die Nationalelf. Bei uns zu sein. Ich bin davon überzeugt: Es schenkt ihm das Leben", sagt etwa Godín.
Einmal nur hat Tabárez ausführlicher über seine Krankheit gesprochen, von der es heißt, es handele sich um das Guillain-Barré-Syndrom, welches das periphere Nervensystem angreift. Tabárez tat es ohne falsche Scham, ohne Drama. Er habe keine Schmerzen, sondern "motorische Probleme". Da es sich um eine chronische und irreversible Krankheit handelt, fühle er sich manchmal besser und manchmal schlechter. Er klagt nicht, im Gegenteil. Und es ist kein Zufall, dass in seinem Haus ein Schild mit einem Satz des argentinischen Rebellen Che Guevara steht, den Tabárez schon lange vor seiner Krankheit zum Leitmotiv seines Lebens erhoben hatte: "Wir müssen uns härten, ohne die Zärtlichkeit zu verlieren."
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