Berlin schlägt Werder:Union reicht eine kurze Phase der Erleuchtung

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Hatte nach der Pause den Durchblick: Brenden Aaronson sicherte Union den Sieg gegen Werder Bremen. (Foto: O.Behrendt/Imago)

Die Berliner schocken den SV Werder mit einem Doppelschlag und machen einen großen Schritt in Richtung Klassenverbleib. Die Bremer hadern mit dem Videoschiedsrichter und müssen nun auch noch auf einige Spieler verzichten.

Von Javier Cáceres, Berlin

Die Partie des 1. FC Union Berlin gegen den SV Werder Bremen war beendet, und die Kameras postierten sich nicht um die Fußball-Darsteller. Sondern um den frisch geduschten Schiedsrichter Daniel Schlager. Mit 2:1 hatte Union gewonnen, mithin einen gewaltigen Schritt in Richtung Klassenverbleib getan (bei acht ausstehenden Spielen beträgt der Vorsprung auf Relegationsplatz 16 ganze neun Punkte). Doch Schlager wurde konsultiert, weil sich die Bremer in einer entscheidenden Szene benachteiligt fühlten: als Yorbe Vertessen in der 51. Minute zum ersten Teil des Köpenicker Doppelschlags ausholte, der Werder letztlich zur Strecke bringen sollte.

"Wofür haben wir den Videoschiedsrichter?", fragte Werders Torwart Michael Zetterer nach der Partie und fand, dass die fragliche Szene ein "Paradebeispiel" für den zwingenden Eingriff des VAR geboten habe. Vertessen hatte geschossen, und just als der Ball aus neun Metern Richtung linken oberen Winkel flog, sprang Unions Stürmer Mikkel Kaufmann vor den Torwart. "Er steht im Schussfeld genau vor mir!", zeterte Zetterer. Doch der Schiedsrichter widersprach nach Ansicht der Bilder vehement. Kaufmann habe im Abseits gestanden, ja. Aber das sei nicht strafbar gewesen, weil er das Sichtfeld des Keepers eben nicht beeinträchtigt habe. Der Videoschiedsrichter habe das genauso gesehen, berichtete Schlager.

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Ole Werner wunderte sich: Der Schiedsrichter müsse andere Bilder gezeigt bekommen haben als er, sagte Bremens Trainer. Einerseits. Andererseits warb er auch darum, dass Werder sich auf die Dinge konzentriere, die der Klub beeinflussen könne. Am Ende konnte er seinem Kollegen Nenad Bjelica nur zustimmen, der behauptet hatte, dass Union verdientermaßen gewonnen habe.

Eine ganze Halbzeit lang war das einzig Verführerische der Bratwurstduft

Das stimmte unter anderem auch deshalb, weil 98 Sekunden nach der Berliner Führung die Tiefschlafphase der Bremer andauerte und das 2:0 der Unioner zur Folge hatte (Brenden Aaronson/53. Minute). Und weil diese Führung durch Mitchell Weiser nur noch verkürzt wurde (63.). Werder konnte dabei übrigens auch auf die Kollaboration des Gegners zählen: Nach einer Ecke von Marvin Ducksch köpfelte Weiser nur deshalb aus drei Metern ein, weil Unions Torwart Frederik Rönnow im Fünfmeterraum zur Säule erstarrte.

Bis zu den Toren - das heißt: eine ganze Halbzeit lang - war das einzig Verführerische, was man im Stadion An der Alten Försterei wahrnehmen konnte, der Bratwurstduft, der von den Grillständen an der Waldseite über den Rasen wehte. Es war eine Partie, die man gut und gern intensiv nennen durfte, aber eben auch qualitätsarm bis an den Rand der Unverdaulichkeit. Auf dem grünen Rasenrechteck war weniger Ordnung und Struktur als in den Berliner U-Bahn-Stationen zur Rushhour, dafür aber mehr Reibung. Was die Partie aufbrach? Dass Brenden Aaronson plötzlich einen klaren Blick hatte.

In der ersten Hälfte habe er kaum etwas sehen können, "ich glaube, meine Pupillen sind immer noch geweitet", sagte der am Samstag fürs US-Team nachnominierte Amerikaner, und das konnte man durchaus bestätigen. Seine Vermutung: Er habe sich die Substanz, die er sich auf die Brust geschmiert hatte, um freier atmen zu können, versehentlich in die Augen gerieben. Kurz vor der Pause war Union zwar durch Aaronson und Lucas Tousart zu den ersten Chancen der Partie gekommen, jeweils im Anschluss an Ecken. Doch erst als Aaronson die Augen ausgespült hatte, konnte man so etwas wie Spielfluss bei Union erkennen, wegen Aaronson im Allgemeinen und dessen Zusammenspiel mit Vertessen im Besonderen.

Seit Coach Nenad Bjelica im November übernahm, gewann Union fünf von sieben Heimspielen

Nicht einmal die kurzfristige Spielunterbrechung durch Schiedsrichter Schlager wegen des Einsatzes pyrotechnischer Erzeugnisse durch Werder-Fans brachte Union noch aus dem Tritt (75.). Gegen ein fußballerisch schrecklich blasses Werder, das den ersten Bundesligaeinsatz der Liverpool-Leihgabe Naby Keita seit Oktober nicht richtig feiern konnte, war eine kurze Phase fußballerischer Erleuchtung genug für einen weiteren Schritt in Richtung Klassenverbleib. Seit dem Antritt von Nenad Bjelica im November hat Union fünf von sieben Heimspielen gewonnen und nur gegen Dortmund verloren. Werder hingegen stagniert und blickt auf 30 Zähler, aber auch auf nun vier sieglose Partien (drei Niederlagen, ein Remis) in Serie zurück.

Dass die 29 Punkte der Unioner oder die 30 Punkte der Bremer für den Klassenverbleib reichen, darf man bezweifeln. Und auch so ein Abstiegskampf lebt am Ende von der Dynamik, die bei Union positiver ist als bei Werder. Die Berliner reisen am nächsten Spieltag nach Frankfurt, Werder empfängt den kriselnden VfL Wolfsburg. Das wäre wohl nach Lage der Dinge eine gute Nachricht, müssten die Bremer nicht wieder auf eine Reihe von Einsatzkräften verzichten. Denn in der zweiten Hälfte sahen in Jens Stage, Senne Lynen und Mitchell Weiser drei Spieler Gelb, die vorbelastet waren - und nun gesperrt sind.

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