Uli Hoeneß gegen Joachim Löw:Müllern auf der Mittelspur

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Uli Hoeneß will nicht, dass Thomas Müller zu früh in der Nationalelf spielt. Allerdings: Begeistert der Bursche weiterhin, dann will man ihn sehen in Südafrika.

Moritz Kielbassa

"Übrigens: Uli Hoeneß war bei seinem Länderspiel-Debüt 20 Jahre alt. Beckenbauer auch", konterte Joachim Löw am Montag listig - schon war man mittendrin in einer neuen Kulturdebatte der deutschen Fußballregierenden aus Frankfurt (DFB) und München (FC Bayern). Diesmal über: Förderung und Welpenschutz für Hochbegabte, am Beispiel Thomas Müller, 20 Jahre alt. Wie weiland Hoeneß beim ersten Vaterlandsdienst.

Uli Hoeneß wettert gegen die Fülle an Länderspielen - und gegen die geplante Nominierung von Thomas Müller. (Foto: Foto: dpa)

Müller ist kein junger Schnösel, dem rasanter Erfolg den Kopf aus der Fassung dreht. Er stammt aus dem bayerischen Oberland, wo die Menschen mit Blick auf die Berge zu Bodenständigkeit erzogen werden, er ist mit 20 verlobt, mag keine Partys - und über die Aussicht, zur WM 2010 zu fahren, sagt der Senkrechtstarter artig, mache er sich "bisher keinen Kopf". Andere schon, und sie tun es kontrovers: Hier der Bundestrainer, gerne ein moderner Jugendwart und in seiner Nominierungspraxis bisweilen am Populären orientiert.

Dort der wertkonservative Klubmanager Hoeneß, der reflexartig auf die Bremse steigt, wenn Talente auf die Überholspur biegen - und der auch keine Partys mag, keine schwarz-rot-geilen vor allem. In der Mitte sitzt Klubtrainer van Gaal, der ebenfalls gern als Nachwuchsförderer auftritt, obwohl er als Pädagoge ein Retro-Typ ist.

Van Gaal und Löw saßen kürzlich zu Tisch - beide befanden den Musterschüler Müller für "schon sehr reif", verteidigt sich Löw. Hoeneß hingegen hielte eine Berufung Müllers für die November-Länderspiele (Chile, Ägypten) für übereilt - vornehm ausgedrückt. Es fielen Kraftausdrücke wie Mist und Käse, Hoeneß erregt das Thema, die bunte Welt des Hochjubelns ist nicht mehr die seine.

Es gibt Geschichten gefallener Himmelsstürmer, die seine Haltung stützen, und man versteht seinen Ingrimm, weil gebauchpinselte Schweinis und Poldis beim Münchner Lohngeber oft schwächelten. Doch letztlich sind auch deren Leistungen beim DFB Belege dafür, dass Sprünge ins kalte Wasser keine Folgeschäden haben müssen.

Uwe Seeler debütierte im Adlerdress mit 17 - und auch im modernen Fußball, einem immer dynamischeren Laufspiel, lohnt es sich, junge Turbokicker früh von der Leine zu lassen. Löw hat gute Erfahrungen mit Frühreifen gemacht, zuletzt mit Mesut Özil, der auf der internationalen Bühne auch charakterlich sein Profil schärfte. Im Fall Müller wäre eine Mittelspur der Königsweg. Löw hätte auch kein grobes Versäumnis begangen, hätte er den Schlagzeilen-Fokus vorerst noch von Müller ferngehalten.

Dessen Weg über den Winter zu beobachten, wie er sich behauptet nach den schwerelosen Wochen der Anfangseuphorie, auch in der Champions League, und ihn dann einzuladen, bei erwiesener Konstanz - dieser Zeitplan wäre mehrheitsfähig. Im Ziel stimmen ja alle zankenden Gelehrten überein, auch Hoeneß: Begeistert der Bursche weiterhin, dann will man ihn sehen in Südafrika.

© SZ vom 20.10.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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