Das Viertelfinale der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 hat bekanntlich zwei Helden hervorgebracht, den Torhüter Jens Lehmann und seinen engsten Mitarbeiter, den Spickzettel. Darauf hatte Torwarttrainer Andreas Köpke damals die Elfmeterpräferenzen der argentinischen Nationalspieler übermittelt. Lehmann holte den Zettel jedes Mal unter seinem Stutzen hervor, bevor ein Argentinier antrat; er hielt zwei von vier Schüssen und führte die deutsche Nationalmannschaft ins Halbfinale.
Mehr als 17 Jahre später musste sich Konstantin Heide nicht die Bühne mit einem Spickzettel teilen, als eine deutsche Auswahl wieder ein Elfmeterschießen bei einer WM gegen Argentinien bestreiten musste. Der Schlussmann der deutschen U17 kam ohne Hilfe aus, parierte dennoch wie einst Lehmann zwei von vier Elfmetern und sicherte seiner Mannschaft den Einzug ins Endspiel der U17-Weltmeisterschaft.
Deutschlands Fußballnachwuchs:Verteidigungsmonster in Sicht
Bei der U17-Weltmeisterschaft in Indonesien zeigt die DFB-Auswahl die Attribute, die das A-Team zuletzt vermissen ließ. Im Halbfinale wartet Argentinien - und damit eine Mannschaft, die ebenfalls "deutsche Tugenden" verkörpert.
Nicht nur die Rettungstaten gegen eine argentinische Auswahl eint die beiden Torhüter, beide kennen das Leben als Nummer zwei. Lehmann war 2006 erst vor dem Turnier von Bundestrainer Jürgen Klinsmann zur deutschen Nummer eins gemacht worden und hievte sie dann ins Halbfinale. Heide wiederum war nun nur der Vertreter des erkrankten Stammtorhüters Max Schmitt.
Schmitt, U19-Keeper beim FC Bayern, hatte bei der WM in Indonesien in den beiden ersten K.-o.-Spielen noch das Tor bewacht. Im Achtelfinale hatte sich die Mannschaft dank "individueller Klasse" durchgesetzt, wie es U17-Cheftrainer Christian Wück selbst bezeichnete, mit 3:2 gegen die USA; das Viertelfinale hatte seine Auswahl in einem "absoluten Abwehrkampf" gegen Spanien mit 1:0 für sich entschieden. Torhüter Schmitt hatte gegen die Iberer brilliert; jetzt wuchs Heide gegen die Argentinier über sich hinaus.
Dabei war Claudio Echeverri, genannt "El Diablito" (der kleine Teufel), als Hauptdarsteller dieses Halbfinals vermutet worden. Der argentinische Offensivspieler wird bereits mit Lionel Messi verglichen und sorgte gegen die deutsche Auswahl nach zehn Sekunden für große Gefahr: Finn Jeltsch wollte den Ball wegschlagen, Echeverri ging dazwischen und stürmte aufs deutsche Tor zu. Sein Versuch, an Heide vorbeizuziehen, endete am Außennetz.
Zwar erzielte die DFB-Elf nach neun Minuten den Führungstreffer: Kapitän Noah Darvich trug den Ball aus dem Mittelfeld zu Paris Brunner, der aus spitzem Winkel traf. Doch die Argentinier präsentierten sich, so hatte es Wück bereits geahnt, "auf einem ähnlichen Niveau wie die Spanier". Die Südamerikaner bedrängten das deutsche Team - doch Torhüter Heide verhinderte in der 22. Minute mit einem famosen Reflex gegen Gustavo Albarracín den Einschlag im Tor.
Argentinien gleicht in der siebten Minute der Nachspielzeit aus
Gegen Agustín Fabian Ruberto, wie Echeverri mit fünf Turniertoren ins Halbfinale gestartet und damit Anführer der Torschützenliste, war Heide knapp eine Viertelstunde später allerdings machtlos. Und auch unmittelbar vor dem Pausenpfiff ließ Ruberto den Deutschen keine Chance und brachte sie mit 1:2 in Rückstand: Sein wuchtiger Schuss schlug unter der Latte ein.
Seine Mannschaft habe die erste Hälfte "verschlafen", sagte Wück nach Spielende bei Sky. Im zweiten Durchgang verteidigten seine Spieler dann "mutiger und aggressiver nach vorn", wie er befand, deshalb sei er "stolz". Aber auch Argentiniens Spiel war keineswegs frei von Fehlern: Paris Brunner traf nach einem missglückten Abschlag von Torhüter Jeremías Florentín per Schlenzer (58.) zum 2:2, Max Moerstedt köpfelte nach einem unsauberen Klärungsversuch von Juan Villalba zum 3:2 ein (69.).
Allerdings erwiesen sich die Argentinier ebenso immun gegen Zweifel nach Rückständen wie die deutsche Mannschaft. Konstantin Heide musste in der Schlussphase mehrmals gefährliche Abschlüsse entschärfen. Zunehmend wirkte er unüberwindbar. Doch in der siebten Minute der Nachspielzeit war es wieder Ruberto, der den Ball mit Effet ins Tor schickte. Sein achter Treffer im Turnier.
Im Elfmeterschießen verzweifelten die Argentinier dann aber wieder an Heide, dessen Teamkollege Paris Brunner verwandelte den entscheidenden Versuch. Zuvor hatten bereits Fayssal Harchaoui, Robert Ramsak und Eric da Silva Moreira für die deutsche U17 getroffen. Im Endspiel am kommenden Samstag (13 Uhr, bei Sky und fifa.com) heißt der Gegner Frankreich, das Mali im anderen Halbfinale 2:1 bezwang. Nach dem EM-Triumph im Sommer hat Wück mit seinem Team die Chance auf den nächsten Titel - es wäre der erste Erfolg für Deutschland bei einer U17-WM.