Nils Dunkel bei der Turn-WM:Einer bleibt im Sattel

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Bock aufs Pferd: Turner Nils Dunkel an seinem Spezialgerät. (Foto: Matthias Hangst/Getty)

Das Pauschenpferd wurde lange von den meisten deutschen Turnern verschmäht - nun steht Nils Dunkel im Geräte-Einzelfinale bei den Weltmeisterschaften. Eine Geschichte über Kontrolle, Ehrgeiz und blaue Flecken.

Von Volker Kreisl, Antwerpen

Das Reck ist beliebt, es nennt sich Königsgerät, ihm gehört der Abschluss jeder Turnmeisterschaften. Der Barren ist gefürchtet, wegen seiner Tücken, doch auch er anspruchsvoll und spektakulär. Auch der Sprungtisch mit seinem knallenden Sprungbrett ist ein Hingucker, denn er katapultiert den Turner in die hohen Bahnen. Und die Bodenmatte, die macht sich in der Mitte breit als riesige Bühne für Akrobaten, gleich daneben das Ringe-Gerüst, das ebenfalls stolz und gefährlich wirkt.

Das sind fünf Turngeräte, sie alle sind spektakulär. Aber - da war doch noch ein sechstes, ein kleines Gerät? Ach ja, das Pauschenpferd, in der Ecke rechts hinten.

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Die deutschen Turner erlitten vor der WM manchen Rückschlag - nun haben sie sich vor vielen starken Turnnationen für Olympia qualifiziert. Von der Wirkung eines speziellen Mannschaftsgeistes.

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Immer noch ist es für die Riege des Deutschen Turnerbundes ein Problemkind. Lange haben die Generationen des DTB dieses Gerät gemieden, Reckspezialist Fabian Hambüchen hat es einst nicht gemocht, Reckturner Philipp Boy tat sich auch schwer. Denn es sieht zwar unscheinbar aus, aber die Wirkung spürt ein junger Turner recht schnell. Die Arme brennen, und das hört auch nicht auf, es sei denn, der Turner stürzt herunter, anders ausgedrückt, das Pferd wirft ihn ab, in einem Akt der Gnade.

Nun aber haben auch die Deutschen einen Pferdliebhaber. Und der bleibt im Sattel.

Nils Dunkel aus Erfurt ist ein wenig anders als viele Kollegen aus der deutschen Auswahl. Auch er beherrscht alle Geräte, die einen besser, die anderen schlechter, das Pferd aber am besten. Seinen Beitrag zu der gelungenen Olympiaqualifikation hat er in Antwerpen zuletzt mit einer ordentlichen Pferdübung geliefert. Und zum Abschluss des Teamwettkampfs bei diesen Weltmeisterschaften, da gelang ihm vielleicht keine perfekte Darbietung, dafür eine, die die Riege von Trainer Valeri Belenki noch einen Platz nach vorne brachte; Weltmeister wurde Japans Mannschaft vor China und den USA, die Deutschen immerhin Sechste. Zudem hat das DTB-Team am Samstag in Dunkel nach langer Zeit mal wieder einen Pferdturner im entsprechenden Einzelfinale bei Weltmeisterschaften.

Schlanke Beine, lange Arme - die wichtigste Voraussetzungen waren gegeben

Dunkel war damals als junger Teenager noch offen für alles. Seine Statur, schlanke Beine und lange Arme, fiel dann irgendwann seinem Trainer auf, der sofort ans Pauschenpferd dachte. Er brachte ihm die Grundlagen bei, das Krafttraining, die Mühsal der Technikentwicklung - und er schulte das Entscheidende für diese Rotationen: das Gleichgewichtsgefühl.

All das war viel Arbeit, warum also hat sich Dunkel ausgerechnet dieses Hobby gesucht? Die Antwort ist wohl typisch für diesen besonderen Athleten: "Ich turne gerne am Seitpferd, denn da habe ich etwas in der Hand", sagt er: "Fliegen und springen ist zwar toll, aber man gibt da die Kontrolle aus der Hand." Und gerade weil seine Geräteliebe nicht hochschießend und spektakulär wirkt, bleibt er dabei. Er sagt: "Da ist das Gerät, und da bin ich - und das gibt Sicherheit."

Dunkel ist ein reflektierter und präzise arbeitender Turner, in gewisser Weise konnte er also gar nicht anders, als die Kunst auf diesem Pferd zu erlernen. Und er ist ja immer noch dabei. Was er genau in der Hand hat, sind zwei zirka 25 Zentimeter lange Pauschen, also Griffe, auf denen er kopfüber balanciert. Dann beginnt ein für den Menschen im Grunde absurder Tanz. Der Pauschenturner wandert das Gerät rauf und runter und wieder zurück, mit den verschiedenen Varianten, Handstände, Grätschen, Pirouetten, fortwährend um sein Gleichgewicht kämpfend.

Schon als Kind balancierte er ständig auf Bordsteinen und Baumstämmen

Wobei, im Grunde hat er dies eher schon hinter sich. Das Gleichgewicht war, zumindest bei Dunkel, schon lange ein Teil des Alltags. "Schon als kleines Kind habe ich immer auf Bordsteinkanten oder Baumstämmen balanciert oder sonst wo", sagt er. Man muss also ein natürliches Grundgefühl dafür haben, aber auch einen großen Willen.

Was in der Pferd-Schule hauptsächlich gelernt wird, ist die Überwindung. Ehe die Akrobatik verfeinert wird, also die Scherenbewegungen der Beine bei ständiger Drehung, werden Grundlagen geschaffen. "Frühzeitig absteigen ist ganz einfach verboten", wurde ihm damals gesagt. "Wichtig ist es", das hatte er sich schnell gemerkt, "dass du das Flanken durchhältst". Flanken, das sind die fortwährenden Drehungen mit gestreckten Beinen auf diesem Gerät, ohne irgendwo anzustoßen. "Du flankst so lange, bis du irgendwo dagegen knallst und runterfällst, aber es wird nicht abgesprungen", war die Ansage.

Das hatte er nun davon, auf seinen Schienbeinen bildeten sich blaue Flecken, aber ja, jetzt spürte er sich. Irgendwann fragten seine Schulfreunde, warum er sich das antue, und er antwortete: "Weil ich das gerne mache. So bin ich für mein Team immer wichtig gewesen, weil die wissen, der zieht das durch und bringt Punkte."

Wie auch jetzt, im Teamfinale am Dienstag. Dunkel hatte zwar nicht den besten Tag, er wackelte etwas, aber er hat in seinem Leben lange genug geflankt und geflankt und geflankt, und deshalb blieb er auch in diesem Moment oben, bis zum geplanten Abgang, in den Stand.

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