Türkgücü München:"Es geht im Grunde ums Prinzip"

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Türkgücü-Präsident Hasan Kivran (Foto: Claus Schunk)

Türkgücü-Präsident Hasan Kivran erklärt das Hin und Her um die DFB-Pokal-Teilnahme. Am Montag steht der Prozess an. Worüber vor Gericht verhandelt wird.

Von Christoph Leischwitz

Hasan Kivran zückt sein Handy und ruft das Chatprotokoll auf, dann beginnt er zu scrollen. Er scrollt und scrollt, lange Monologe von und für Rainer Koch werden sichtbar. Dann stoppt der Finger, das Protokoll steht auf dem 28. August. An diesem Tag, sagt Kivran, habe er beim Bayerischen Fußball-Verband (BFV) angerufen. Und dann dem Präsidenten eine Sprachnachricht hinterlassen. "Da habe ich ihm gesagt, dass wir uns nicht mehr an die Vereinbarung gebunden fühlen", erklärt der Präsident des Drittligisten Türkgücü München. Von diesem Moment an dürfte allen Beteiligten klar gewesen sein, dass der Streit um den bayerischen DFB-Pokal-Startplatz vor ein ordentliches Gericht geht.

Der 54-jährige Kivran erscheint gut gelaunt zum Termin. Eigentlich gäbe es für ihn gerade genug anderes zu tun. Die Saison hat gerade begonnen, der Verein gehört jetzt zu den 56 deutschen Profiklubs. Kivran hat viele Gratulationen erhalten, darunter aus hohen politischen Kreisen in der Türkei. Aber er habe dort immer gleich dazugesagt, dass es sich um einen sehr deutschen Verein handele. Auf Sportler- und auf Funktionärsebene bestimmen in der Tat fast nur Deutsche, wo es langgeht - Kivran hat ja auch die deutsche Staatsbürgerschaft.

"Es herrscht das Leistungsprinzip", sagt er über den Klub, danach hätten sich alle zu richten. Der Konkurrenzkampf ist hart. Am Freitag wurde noch Offensivspieler Boubacar Barry, 24, verpflichtet, der zuletzt bei Werder Bremen unter Vertrag stand. Dass zuletzt auch Spieler gehen mussten, die noch einen Vertrag hatten, führt Kivran auch auf dieses Prinzip zurück: "Manche Spieler bekommst du mit einem Einjahresvertrag eben nicht, obwohl du weißt: Wenn wir aufsteigen sollten, dann reicht's eigentlich nicht, außer in dem Jahr verändert sich etwas dramatisch."

Jeder weiß, woran er ist bei Kivran. Kivran scheint auch all das nicht persönlich zu nehmen, was da in den vergangenen Wochen an Streitereien mit dem Verband und mit dem FC Schweinfurt hochgekocht ist. Er sieht den Fußball als Business, und in jeder harten Branche ist es eben so, dass einem Steine in den Weg gelegt werden. Dann gilt es, diese wegzuräumen. Türkgücü, das sagt Kivran klipp und klar, hatte fast über den gesamten Zeitraum der Auseinandersetzungen eine klare Haltung: dass man aufsteigen und auch den DFB-Pokal spielen wolle. "Das kann Herr Koch auch so bestätigen", sagt er. Soll heißen: Die Anfang Mai getroffenen Regelungen des BFV zur sportlichen Wertung der unterbrochenen Regionalliga-Saison habe er von Anfang an nicht akzeptiert.

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Türkgücü habe sich sehr wohl immer transparent verhalten. Ja, das von Rainer Koch gegenüber der SZ erwähnte Treffen am 31. Juli habe es gegeben, und dabei habe er dann schließlich doch kurz einmal zugestimmt: Schweinfurt DFB-Pokal, Türkgücü dritte Liga, und einiges mehr sei damals besprochen worden. "Aber das war eine unverbindliche mündliche Absprache", für den Fall, "dass sich alle daran halten".

Er habe Koch damals schon mitgeteilt, dass man bereits "sensibilisiert" sei nach dem "unschönen offenen Brief" vom 13. Juli, in dem der FC Schweinfurt die Rechtmäßigkeit von Türkgücüs Drittliga-Zulassung in Frage gestellt hatte. Das Eis unter der Vereinbarung, so sieht Kivran das, war also bereits sehr dünn gewesen. Seine Zweifel hätten sich bewahrheitet, als Schweinfurt Anwälte einschaltete.

Es kam der 28. August, als Türkgücüs Geschäftsführer Max Kothny eine Email vom Deutschen Fußball-Bund erhielt. Darin stand, dass Schweinfurt beim Verband die Unterlagen für das Lizenzierungsverfahren angefordert habe. Kothny hatte gegenüber Medien mehrmals geäußert, Schweinfurt habe Klage eingereicht. Eine unglückliche Formulierung? "Ja, mag sein", sagt Kivran, relativiert aber auch gleich wieder: "Der DFB hat uns nahegelegt, der Einsicht für die Anwälte zuzustimmen, um einen langen Rechtsstreit zu verhindern. Dem haben wir ja auch zugestimmt, denn wir haben nichts zu verbergen." Und er glaubt: "Der einzige Grund, warum Schweinfurt nicht geklagt hat, ist ja, dass die Unterlagen unstrittig sind."

Knapp sechs Stunden nach jener Email kündigte Kivran die Vereinbarung mit Koch auf, mit dem Argument: Wer unseren Aufstieg anzweifelt, macht die Absprache hinfällig und darf für sich auch nicht den Pokalplatz beanspruchen - zumal die im Mai vom BFV präsentierte Anpassung in der Spielordnung das aus Sicht Türkgücüs ja auch gar nicht hergibt. Es gab aus Kivrans Sicht also nie eine erste Vereinbarung aus dem Mai, sondern nur eine aus dem Juli, die sich nicht nur auf die sportliche Wertung, sondern auch auf den Lizenzierungsprozess bezog.

Koch sei der Vermittler in der ganzen Sache gewesen, sagt Kivran, "aber wohl auch getrieben vom Versprechen, dass Schweinfurt den Pokalplatz bekommt". Dann also der Entschluss, eine einstweilige Verfügung gegen das Pokalspiel zu erwirken - keine Klage gegen Schweinfurt, sondern gegen den Vermittler. Übrigens hatte Türkgücü im Sommer auch schon Beschwerde beim Verbandssportgericht eingereicht. Dass diese nicht zurückgenommen wird, habe er Koch ebenfalls in der Sprachnachricht mitgeteilt, so Kivran.

Wer hat wen zuerst verärgert?

Wer wen zuerst verärgert und wer welche Abmachung zuerst gebrochen hat, wird das Landgericht dabei kaum interessieren. Es geht lediglich um die Rechtmäßigkeit der BFV-Entscheidung zur Wertung der unterbrochenen Saison. Kivran geht nicht davon aus, dass mit einem Urteil in der mündlichen Verhandlung am Montag schon das Ende des Rechtsstreits erreicht ist. Im Falle einer Niederlage will er auf jeden Fall die nächste Instanz anrufen: "Uns geht's nicht ums Geld. Mittlerweile hat sich das Ganze so verhärtet, es geht im Grunde ums Prinzip." Er glaubt auch, dass der Verband im Misserfolgsfall das Oberlandesgericht anrufen wird: "Da verstehe ich die Motivation des Verbands dann nicht. Welche Interessen werden denn dann verfolgt? Das ist doch dann nur noch im Schweinfurter Interesse", sagt er. Es geht dem Verband aber wohl auch darum, in diesem Fall Recht zu bekommen, um künftig ähnliche Prozesse vor ordentlichen Gerichten zu vermeiden.

Im SZ-Gespräch hatte Koch gesagt, Kivran merke nun, dass sein Ruf angekratzt sei. Kivran sieht das anders: "Seit wann kratzt es am Image, wenn man auf juristischem Wege in Deutschland sein Recht sucht?"

© SZ vom 26.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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