TSV 1860 München:Der Chefcoach muss aufs Damenklo

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Wieder die 92. Minute: Löwen-Angreifer Fynn Lakenmacher ist fassungslos nach dem Gegentreffer der Regensburger zum siegbringenden 1:0. (Foto: Johannes Simon/Getty)

Gut gespielt, aber schon wieder in der Nachspielzeit verloren: Der TSV 1860 München ist auch gegen Jahn Regensburg vom Pech verfolgt - selbst wenn Löwencoach Jacobacci ungewohnte Wege geht.

Aus dem Stadion von Korbinian Eisenberger

Männer, die in Etage eins der Haupttribüne des Grünwalder Stadions einen Besuch auf dem Frauen-WC in Erwägung ziehen, bekommen es mit Moni zu tun. Den Fußballübungsleiter Maurizio Jacobacci musste Moni bisher nie rügen, er kommt nicht in diese Verlegenheit, normalerweise. Doch es war kein normaler Arbeitstag für den Trainer des TSV 1860 München.

Die Mannschaftskabine samt zugehöriger Toilette war für ihn im Heimspiel gegen Jahn Regensburg ausnahmsweise Tabuzone. So kam es, dass Jacobacci notdürftigerweise durch Monis Revier huschte, vergeblich an der Tür des besetzten Männerklos rüttelte und sich alsbald ins Damen-WC schlich. Und natürlich hat ihn Moni, die bei den Löwen-Heimspielen das Catering überwacht, erwischt.

Am Ende dieses Samstagnachmittags erwischte es letztlich weniger den für dieses Spiel gesperrten Trainer als seine ganze Mannschaft. Wie vor einer Woche verlor der TSV 1860 abermals ein Drittliga-Fußballspiel in der Nachspielzeit, diesmal gegen Tabellenführer Jahn Regensburg. Mittelfeldmann Tobias Eisenhuth beförderte den Ball in der 92. Minute per Bogenlampe an den Innenpfosten, von wo er - wie sollte es dieser Tage auch anders sein - ins Löwentor plumpste.

Vier Neue sind vorgesehen, einer verletzt sich beim Aufwärmen

Cheftrainer gesperrt, Männerklo und gegnerisches Tor versperrt. So gut wie nichts war diesmal normal. Das hatte vor allem mit der Ausgangslage zu tun, in die das Team des TSV 1860 eher mehr als weniger unfreiwillig geraten war. Mehrere rote Karten gegen Spieler, Trainer und einen Funktionär der Löwen vor einer Woche hatten nicht nur dazu geführt, dass Jacobacci ein Betretungsverbot für den Stadion-Innenbereich auferlegt wurde.

Und so musste er in vielerlei Hinsicht neue Wege gehen, auch bei der Aufstellung: Gleich vier neue Spieler rückten in die Startelf, Kilian Ludewig, Fynn Lakenmacher und Albion Vrenezi - der als vierter Neuer vorgesehene Niklas Tarnat verletzte sich beim Aufwärmen, was Michael Glück zum Startelfdebüt verhalf. Der verletzte 60-Keeper Marco Hiller wurde erneut von David Richter vertreten, die Angreifer Julian Guttau und Joël Zwarts fehlten ebenfalls auf dem Spielberichtsbogen. Beide seien verletzt, hieß es. Immerhin: Der Ausfall von Zwarts dürfte den Löwen zumindest aus finanzieller Sicht entgegenkommen.

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Als die 1860-Verantwortlichen Mittelstürmer Zwarts zu Saisonbeginn aus Regensburg holten, hatten sie einer Vertragsklausel zugestimmt, wonach ein Einsatz des Stürmers in einem Pflichtspiel gegen den SSV Jahn eine Extrasumme im mittleren fünfstelligen Bereich nach sich ziehen würde. Vor dem Hintergrund, dass die Grundablöse nur 50 000 Euro betrug, ist das für eine einzige Partie natürlich enorm. Und so kam Zwarts' Bauchmuskelzerrung womöglich gerade zum rechten Zeitpunkt.

Wieder eine strittige Elfmeterszene - wieder kein Pfiff für die Löwen

In der mit 15 000 Gästen ausverkauften, aber unterkühlten Giesinger Arena wirkte es in Halbzeit eins lange so, als seien nicht wenige Akteure mit ihren Fußballschuhen im Rasen festgefroren, so wenig Bewegung kam auf, von Torchancen zunächst keine Spur. Nach einer halben Stunde dann ließ die Sonne ihr warmes Licht über das Stadiondach aufs Spielfeld fallen - und schien zumindest die Löwen-Kicker zu inspirieren.

Es folgte jedenfalls die beste Phase der Jacobacci-Elf. In Minute 27 setzte Löwen-Angreifer Kilian Ludewig seinen Teamkollegen Tim Rieder in Szene, der beim Abschlussversuch von Jahn-Abwehrmann Andreas Geipl zu Fall gebracht wurde. Kein Elfmeter, so die Entscheidung des Schiedsrichters. Die Gäste hätten sich hier über einen Pfiff nicht unbedingt beschweren dürfen.

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Die ihrerseits pfeifwütigen Löwenfans auf den Rängen fühlten sich unangenehm an den Samstag vor einer Woche erinnert, als ihnen in Köln ein noch klarerer Strafstoß verweigert worden war, ehe der Unparteiische den Frust der Sechziger mit unzähligen Platzverweisen garnierte. Diesmal verzichtete der Schiedsrichter auch mangels Anlässen auf solche Eingriffe, das war die vielleicht beste Nachricht zu diesem Zeitpunkt.

Lakenmacher ist kein Hakenmacher - dafür gibt's einen Lattenkracher

Die Münchner reagierten ganz und gar unbeeindruckt: Zunächst scheiterte Ludewig mit einem feinen Heber an Jahn-Keeper Felix Gebhardt (38.), ehe Lakenmacher in Minute 41 an der Strafraumgrenze in Szene gesetzt wurde. Sein Schuss wäre eventuell am im Weg stehenden Regensburger vorbei ins Tor geflogen, hätte er zuvor noch einen Schlenker eingestreut. Doch Lakenmacher ist offenbar kein Hakenmacher. Dem folgte ein Lattenkracher, als Vrenezis Fernschuss statt im Netz am Kreuzeck landete. Minuten später öffnete sich hinter der Haupttribüne eine Klotür, durch die nun 60-Trainer Jacobacci spähte und sogleich von Moni empfangen wurde. Bei ihm mache sie in Sachen Damenklo eine Ausnahme, ließ Moni wissen. Wie ihm das Spiel gefalle? "Es geht so."

In Halbzeit zwei wurde es aus seiner Sicht womöglich nicht zwingend besser, zumal sich nun auch der Tabellenführer aus der Oberpfalz im Löwen-Strafraum anmeldete, wenngleich bis zur Nachspielzeit mit höflicher Zurückhaltung. Zweimal rutschten die Regensburger Stürmer an gefährlichen Hereingaben vorbei, recht viel mehr Angriffslust war im Spiel der Elf von Coach Joe Enochs nicht auszumachen - bis Eisenhuth in der 92. Minute seine Giftigkeit erkennen ließ und das Tor des Tages erzielte.

"Extrem bitter", bilanzierte Löwen-Kapitän Jesper Verlaat nach Spielende. Sein Verteidigerkollege Tim Rieder sprach von einem "sehr sehr guten Spiel" seiner Mannschaft, zumal ihnen der Tabellenführer gegenübergestanden hatte. Der Regensburger Coach gab schließlich Einblick in das Erfolgsrezept seines Teams: "Die laufen und glauben an sich bis zur letzten Minute", sagte Enochs. "Wir sind richtig fit und können bis zum Schluss Gas geben."

Sein Münchner Kollege Jacobacci - auch er durfte an der Pressekonferenz teilnehmen - kam zu dem Fazit, dass "heute nicht die bessere Mannschaft sondern die glücklichere gewonnen" habe, ehe er das Abwehrverhalten seines Teams in der drittletzten Minute bemängelte. Es sei genug Zeit gewesen, die Szene richtig einzuschätzen und den Ball zu klären, fand Jacobacci, "da stellen wir uns einfach zu naiv an." Kurz darauf stellte sich im Grünwalder Stadion niemand mehr an, nicht mal auf dem Damen-WC.

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