TSV 1860 München:Nikolaus und Krampus bei den Löwen

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Momentan Sechzigs Gesichter: Interimstrainer Frank Schmöller (r.) spricht neben Geschäftsführer Marc-Nicolai Pfeifer. (Foto: Lukas Barth/dpa)

Ein Meister der klaren Ansagen: U21-Coach Frank Schmöller übernimmt bis zur Winterpause die Drittliga-Profis. Der bisherige Assistenztrainer Stefan Reisinger muss gehen, weil er zu große Ambitionen hatte.

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Es sei "ein aufregender Tag" für ihn, sagt Frank Schmöller in seiner ersten Erklärung als Interimstrainer, die Aufgabe sei "nicht ganz ohne". Na dann: Herzlich willkommen beim TSV 1860 München! Aber das muss man nicht laut sagen in diesem gut gefüllten Presseraum. Der 57-Jährige weiß ja sehr viel besser als zum Beispiel sein Vorgänger Maurizio Jacobacci, worauf er sich einlässt. Seit 2019 trainiert Schmöller die zweite Mannschaft der Löwen, davor hat er mit seinen Vereinen sehr oft gegen sie gespielt, er kennt die Grünwalder Straße 114 wahrscheinlich noch besser als Geschäftsführer Marc-Nicolai Pfeifer, der jetzt neben ihm sitzt. Allerdings: Schmöller kann sich das Ganze auch nur zwei Wochen antun, länger erlaubt es seine A-Lizenz gar nicht.

Pfeifer wird höchstens noch ein halbes Jahr im Amt sein, sein Vertrag wird bekanntlich nicht verlängert. Doch der Geschäftsführer, im Grunde zuständig für die Finanzen, ist im Moment am ehesten noch das Gesicht des Vereins, und so muss er zunächst den beurlaubten Trainer wegmoderieren. "Die Niederlagen und die Art und Weise", wie sie zustande gekommen seien, seien der Hauptgrund gewesen, jetzt die Reißleine zu ziehen. Bei allen weiteren Fragen wechselt der 42-Jährige meistens in Behördensprache, um die Pläne zu kaschieren, die der Verein jetzt hat - oder die er gerade nicht hat. Wie sich etwa die Suche nach dem dauerhaften Trainer gestalte? "Interne Analyse."

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Einigermaßen deutlich wird Pfeifer noch bei der Frage, warum eigentlich auch Co-Trainer Stefan Reisinger gehen musste - also ausgerechnet der Einzige im Verein, der qua seiner Lizenz die Mannschaft dauerhaft hätte anleiten können. "Er hat Ambitionen, in die Hauptverantwortung zu gehen. Als Cheftrainer haben wir ihn aber noch nicht gesehen." Für einen künftigen Cheftrainer wäre das eine ungünstige Konstellation, es sei ja ohnehin nicht leicht, bei 1860 München Chefcoach zu sein. Am Schluss erklärt Pfeifer dann noch, dass das letzte Heimspiel des Jahres gegen Rot-Weiss Essen wetterbedingt arg auf der Kippe steht - am Mittwochnachmittag wurde es dann offiziell abgesetzt. Schmöller bekommt also höchstwahrscheinlich nur zwei Spiele als Löwentrainer, beide auswärts, in Bielefeld und in Mannheim.

Schmöller wiederum könnte in vielerlei Hinsicht der Mannschaft guttun. Ihn als Trainer zu haben, das ist im Prinzip eine Personalunion von Nikolaus und Krampus. Er kann mitfühlend und verständnisvoll sein, aber auch knallhart. Schmöller war all die Jahre im gehobenen Amateurfußball stets der Meister der klaren Ansagen. Unvergessen zum Beispiel eine Anekdote mit Franz Hübl: Sein neuer Co-Trainer war damals einer seiner Spieler beim FC Ismaning, als man 2012 in die Regionalliga aufstieg, dank der damaligen Reform als Tabellenneunter. Zur Feier des Tages wollte Hübl dem Trainer heimlich die Haare abschneiden und näherte sich mit einem Handrasierer. Als Schmöller ihn sah, rief er: "Spinnst du oder was?" Später darauf angesprochen, warum er so schlecht gelaunt sei, antwortete der Trainer: "Die Saison war Käse, sorry."

Die Torwart-Frage will Schmöller unvoreingenommen angehen, um dann eine eigene Entscheidung zu treffen

Nun wurde Schmöller, der 1987 mit dem Hamburger SV DFB-Pokalsieger wurde, maßgeblich vom nie lächelnden Kettenraucher Ernst Happel zum Profi geformt, und als Trainer an der Seitenlinie gab er oft den grollenden Vulkan. Deshalb wird Schmöller den Sechzig-Spielern jetzt aber nicht ihren Käse der vergangenen Wochen unter die Nase halten - vielmehr ist er bekannt dafür, den richtigen Ton zu treffen. "Die Jungs müssen überzeugt sein", gibt er am Dienstagmorgen bei seiner Vorstellung als Ziel aus.

Es werde keine großen taktischen Veränderungen geben, dafür reiche die Zeit nicht. Die Torwart-Frage - Marco Hiller hatte unter Jacobacci gerade seinen Nummer-Eins-Status an David Richter verloren - wolle er unvoreingenommen angehen, um dann eine eigene Entscheidung zu treffen. In Sachen Führungsspieler sagt er: "Da haben wir ein wenig Nachholbedarf." Es sei "ein Stück weit zu leise auf dem Platz" gewesen, meinte er über sein erstes Training am Montagnachmittag. Zwei Wochen darf der A-Lizenz-Besitzer Trainer bleiben. Seine klaren Ansagen werden Verein und Fans also schon Anfang 2024 wieder vermissen.

Zwischenfrage: In Unterhaching klappe es doch auch mit einem Trainer ohne Lizenz, man zahle einfach die Strafe an den DFB - eine Option für Sechzig? Pfeifer beantwortet erwartungsgemäß die Frage eigentlich gar nicht. Schmöller wird nicht gefragt. Es ist aber ja kein Zufall, dass er nie die höchste Lizenz gemacht hat: Er wollte das einfach nie, er hat einen festen Job außerhalb des Fußballs. Wieso sollte er ausgerechnet jetzt wollen?

Schmöller ist vor allem dafür da, damit der Verein einmal kurz durchschnaufen kann. Gerade wegen seiner kurzen Amtszeit als Drittliga-Trainer wird es keine Personaldiskussionen geben. Danach wird ein tiefgreifender Umbruch eingeleitet. Dann wird Schmöller das nächste Mal planmäßig wieder am 24. Februar beim Spitzenspiel in Pipinsried an der Seitenlinie stehen: Der Sechzig-Bezwinger im bayerischen Verbandspokal ist der nächste Gegner der U21 in der Bayernliga.

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