Transfer von Ilkay Gündogan:Dortmund verliert die besten Spieler

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  • Der feststehende Wechsel von Ilkay Gündogan zu Manchester City zeigt erneut das Dortmunder Grundproblem: Die besten Spieler sind kaum zu halten.
  • Und es könnten weitere folgen.
  • Immerhin hat der BVB die Sache erkannt und fahndet längst nach Ersatz.

Von Freddie Röckenhaus, Dortmund

Der längste Transfer der Welt hat ein Ende gefunden: Ilkay Gündogan wechselt, trotz aktueller Knieverletzung, für kolportierte 30 Millionen Euro von Borussia Dortmund zu Manchester City, dem neuen Klub von Pep Guardiola. Überraschen konnte das niemanden mehr, sogar die fertige Pressemitteilung soll schon seit Wochen auf Halde gelegen haben. Spannender ist da die Frage, ob der BVB Gündogan ersetzen kann - im Kader gibt es schon länger zwei Kandidaten für die Position.

Gündogan hat in Manchester schon sein erstes Interview gegeben, in nahezu perfektem Englisch. Zeit zum Sprachenlernen hatte "Illy", wie ihn in Dortmund alle nannten. Der 25-Jährige wollte eigentlich schon 2014 und 2015 wechseln, zwei Mal verlängerte er, ziemlich unüblich, für jeweils nur ein Jahr seine zu Ende gehenden Verträge.

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Beim ersten Mal war Gündogan eine langwierige Rückenverletzung am fünften Lendenwirbel dazwischen gekommen, er verpasste deshalb auch die WM 2014 in Brasilien. Im Vorjahr war er dann noch nicht wieder in Bestform und fand deshalb keinen Topklub nach seinem Geschmack. Guardiola holt Gündogan jetzt ungeachtet der aktuellen Verletzung an der Kniescheibe, die den Mittelfeldlenker bis in die neue Saison hinein außer Gefecht setzt.

Das loyale Festhalten am verletzungsanfälligen Ballkünstler hat Dortmund nicht allzu viel genützt. Als Gündogan langfristig wegen seiner Rücken-Malaise ausfiel, holte der BVB zunächst Nuri Sahin von Real Madrid zurück. 2015 hatte Dortmund dann den zweiten Ersatzmann, Gonzalo Castro, schon verpflichtet, als Gündogan sich in letzter Minute entschied zu verlängern.

Bartra? Götze? Guerreiro? Die Suche nach Verstärkungen läuft

Ob Sahin und Castro den bisweilen genialen Passgeber jetzt ersetzen können, wird man sehen. Von der Ablöse bleiben dem BVB etwa 25 Millionen Euro. Etwa 4,5 der Scheich-Millionen erhält der klamme 1. FC Nürnberg, bei dem Gündogan zweieinhalb Jahre bis 2011 spielte. Sein eigentlicher Ausbildungsverein VfL Bochum dürfte mit nur 450 000 Euro dabei sein.

Auch wenn der Wechsel des Nationalspielers, der wegen der Kniescheiben-Luxation jetzt die EM in Frankreich verpasst, keine Überraschung mehr war, so macht der Fall doch erneut klar, dass es der Borussia weiterhin schwer fällt, ihre besten Spieler zu halten. Mats Hummels, der für weitere 35 Millionen zum FC Bayern wechselt, hat dieses Problem als wichtigen Grund für seinen Abflug genannt. Trotz enormer Steigerungsraten beim Umsatz, kann Dortmund noch immer keinem seiner Topspieler Gehälter und Titelchancen bieten, wie es die wirklich reichen Klubs können.

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Der Nationalspieler geht nach England und trifft dort auf Pep Guardiola als Trainer. Damit verliert Borussia Dortmund nach Hummels die nächste Stütze - und der 1. FC Nürnberg kassiert mit.

Bei Henrikh Mkhitaryan schlägt sich der Klub derzeit mit demselben Thema herum. Dessen schillernder Berater Mino Raiola, der auch Mario Balotelli und Zlatan Ibrahimovic zu seinen Klienten zählt, fordert vom BVB nicht nur märchenhafte Gehaltserhöhungen, sondern auch Ausstiegsklauseln. Die aber verweigert Dortmund, seit ihm Spieler wie Nuri Sahin und Mario Götze durch solche Klauseln abhanden kamen.

BVB-Boss Hans-Joachim Watzke bestreitet, dass Mkhitaryan eine Verlängerung bereits abgelehnt habe. Aber alles scheint schwieriger denn je zu sein: In vergangenen Jahren verlor Dortmund immer nur maximal einen Leistungsträger: Sahin, Kagawa, Götze, Lewandowski - diesmal gibt es einen Verlängerungsstau.

Wie lange Marco Reus verletzt ausfällt, ist völlig ungewiss

Marco Reus, der sich vor zwei Jahren von seiner eigenen Klausel getrennt und bis 2019 verlängert hat, mahnte kürzlich an, er erwarte Verstärkungen der Mannschaft und guten Ersatz für Verluste wie Gündogan und Hummels. Dortmund benötigt deshalb nicht nur Super-Talente wie mutmaßlich den von Stade Rennes verpflichteten Außenstürmer Ousmane Dembélé, 18, oder Felix Passlack und Christian Pulisic aus der eigenen Meister-U19.

Um für Ruhe im eigenen Laden zu sorgen, sollten Watzke und Manager Michael Zorc auch mal einen etablierten Namen an Land ziehen. Als Ersatz für Hummels etwa beobachtet der BVB auch Marc Bartra, 25, der beim FC Barcelona im Schatten von Piqué und Mascherano steht, aber dennoch im Kader Spaniens für die EM ist. Wer es als Innenverteidiger in jedem Training mit Messi, Neymar und Luis Suárez zu tun hat, der dürfte seinen Job verstehen.

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Auch die Option auf eine Rückkehr von Mario Götze ist weiterhin offen - auch wenn der sich zunächst mal auf die EM konzentrieren will. Die öffentliche Ansage von FC Bayern-Vorstand Karl-Heinz Rummenigge, den langjährigen Borussen loswerden zu wollen, hat Götze sicher nicht teurer werden lassen.

Näher dran scheint Dortmund aber bei einem anderen EM-Teilnehmer zu sein: dem 22-jährigen Raphael Guerreiro, der eigentlich Franzose ist, beim FC Lorient unter Vertrag steht, aber für Portugal spielt. Zuletzt knallte der Linksfuß einen direkten Freistoß gegen Norwegen ins Tor. Ob der robuste BVB-Kandidat Sebastian Rode vom FC Bayern von Reus und Co. als namhafte Verstärkung eingeschätzt wird, muss sich herausstellen.

Reus dürfte im Moment sowieso andere Sorgen haben, als die Kader-Entwicklung seines Klubs zu beobachten. Der gebürtige Dortmunder muss wohl mit einer längeren Schaffenspause rechnen als bisher angenommen. Die Adduktoren-Entzündung, die ihm die gesamte Saison zu schaffen machte und die ihn nun die EM kostet, dürfte langsamer abklingen. Gut möglich, dass Reus zum Start der Saison-Vorbereitung noch nicht wieder normal trainieren kann.

Offenbar hat sich der Ersatz-Kapitän mit seinem heroischen Durchhalten im 120-Minuten-Pokalfinale gegen die Bayern übernommen. Trotz Schmerzen hielt er - auf eigenen Wunsch - bis zum Elfmeterschießen durch; länger als es seine empfindlichen Adduktoren mitmachen wollten. Die Problematik der Entzündung bei Reus scheint erst jetzt richtig eingeschätzt zu werden.

© SZ vom 03.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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