Trainersuche im Fußball:Modell "gut ausgebildeter Berufsanfänger"

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Tayfun Korkut im Jahr 2011 in Stuttgart (Foto: imago sportfotodienst)

Erstligist Hannover 96 holt den jungen Tayfun Korkut, Zweitligist Fortuna Düsseldorf verpflichtet den 61-jährigen Lorenz-Günther Köstner: Der deutsche Profifußball hat gerade mit zwei Trainerpersonalien überrascht, die von fast ligahistorischem Wert sind. In ihnen prallen die alten und die neuen Zeiten aufeinander.

Ein Kommentar von Christof Kneer

Es klang zunächst nicht so, als könnte man von diesem Trainer-Jahrgang etwas Besonderes erwarten. Der Jahrgang wurde wie die meisten vor ihm mit jener Art von Verbands-Deutsch gewürdigt, das man besser vermeiden sollte, wenn man später mal einer Mannschaft aus lauter lebenden Fußballern gegenübertritt.

Die Hennes-Weisweiler-Akademie könne wieder "auf einen interessanten und fruchtbaren Lehrgang zurückblicken, der von allen Teilnehmern engagiert durchlaufen wurde", meldete der DFB im März 2011 in amtlichem Tonfall und ließ den Ausbildungsleiter Frank Wormuth außerdem mitteilen, es habe "Freude gemacht, angehende Fußball-Lehrer durch unser stark aufgestelltes Dozenten- und Mitarbeiterteam in ihrer Entwicklung zu begleiten".

Zweidreiviertel Jahre später darf sich das stark aufgestellte Dozenten- und Mitarbeiterteam nun einiges einbilden auf diesen Trainerjahrgang, wobei der Verband bitte davon absehen möge, seinem Stolz über die Karriere seiner Absolventen mittels einer erneuten Presseaussendung nachhaltigen Ausdruck verleihen zu wollen.

Es reicht ja auch wirklich, wenn man sich einfach noch mal die Namen jener jungen Männer durchliest, die im März 2011 ihre Zeugnisse ausgehändigt bekamen: Markus Weinzierl, Markus Gisdol und Thomas Schneider trainieren heute die Erstligisten Augsburg, Hoffenheim und Stuttgart, Michael Wiesinger und Sascha Lewandowski waren bis vor Kurzem noch Cheftrainer in Nürnberg und Leverkusen, Roger Schmidt coacht erfolgreich in Salzburg, dazu kommen gut beleumundete Zweit- und Drittligatrainer wie Stefan Krämer (Bielefeld), Frank Schmidt (Heidenheim) und Marc Kienle (erst FC Bayern A- Jugend, jetzt Wehen-Wiesbaden).

Slomka-Nachfolger Tayfun Korkut
:Die Mutigen von Hannover

Bundesligist Hannover 96 präsentiert den unerfahrenen Tayfun Korkut überraschend als neuen Cheftrainer und verweist darauf, dass Trainer wie Augsburgs Weinzierl oder Hoffenheims Gisdol zuvor auch nicht in der ersten Liga tätig waren. Ein Risiko kann 96-Chef Kind deshalb auch nicht erkennen.

Von Jörg Marwedel, Hamburg

Und jetzt also auch noch, ganz neu: Tayfun Korkut, Coach bei Hannover 96.

Der deutsche Profifußball hat gerade mit zwei Trainerpersonalien überrascht, die von fast ligahistorischem Wert sind. In ihnen prallen die alten und die neuen Zeiten aufeinander, passend zum Jahreswechsel lässt sich besonders gut jene Zeitenwende begreifen, die den Fußball zuletzt erfasst hat.

Erstligist Hannover 96 und Zweitligist Fortuna Düsseldorf sind in ihren Ligen nur vier Punkte von der Abstiegs-Relegation entfernt, aber sie haben in der gemeinsamen Not völlig unterschiedliche Schlüsse gezogen: Während die Hannoveraner am Ende aufs trendige Modell "gut ausgebildeter Berufsanfänger" gesetzt haben, vertrauen sie in Düsseldorf auf den Haudegen Lorenz-Günther Köstner, 61, der seinen Trainerschein zu einer Zeit erwarb, als in der Samstags-Sportschau nur drei Spiele übertragen wurden.

Nicht jeder Jung-Akademiker bedeutet automatisch eine richtige Entscheidung und nicht jeder ältere Herr bedeutet eine falsche, dennoch zeigt sich an den beiden Personalien in komprimierter Form jener Trend, der dem deutschen Fußball insgesamt gut getan hat: Es ist die erste Liga, die sich an die fortschrittlichen, aber auch riskanteren Personalien herantraut, während die zweite Liga mitunter immer noch bei den Köstners, Funkels (1860 München), Neururers (VfL Bochum) oder Möhlmanns (FSV Frankfurt) Zuflucht sucht.

Für alle Klubs, die bald einen Trainer brauchen, noch schnell dies: Von den Absolventen des interessanten und fruchtbaren Fußball-Lehrer-Lehrgangs 2011 sind immer noch welche zu haben.

© SZ vom 02.01.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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