Slomka-Nachfolger Tayfun Korkut:Die Mutigen von Hannover

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Tayfun Korkut ist bei Hannover 96 der überraschende Nachfolger des entlassenenen Cheftrainers Mirko Slomka. (Foto: dpa)

Bundesligist Hannover 96 präsentiert den unerfahrenen Tayfun Korkut überraschend als neuen Cheftrainer und verweist darauf, dass Trainer wie Augsburgs Weinzierl oder Hoffenheims Gisdol zuvor auch nicht in der ersten Liga tätig waren. Ein Risiko kann 96-Chef Kind deshalb auch nicht erkennen.

Von Jörg Marwedel, Hamburg

Der Berater Harun Arslan aus Hannover ist ein einflussreicher Mann. Er betreut die Nummer eins und zwei der deutschen Fußballtrainergilde, nämlich Bundestrainer Joachim Löw und dessen Assistenten Hans-Dieter Flick. Vor einem Jahr handelte er für seinen Klienten Mirko Slomka einen Vertrag in Hannover bis 2016 aus, der diesem nach der Entlassung nun eine Abfindung von angeblich einer Million Euro beschert.

Zu Arslans Portfolio zählt neben Slomka und fünf aktuellen 96-Profis, die er abseits des Rasens begleitet, auch deren neuer Trainer. Die von Hannovers Boss Martin Kind angekündigte "mutige Entscheidung" beinhaltete einen Namen, auf den - mit Ausnahme Arslans - wohl kein Experte gekommen wäre: Tayfun Korkut, 39, wird nach Arkoc Özan (1977/78 beim Hamburger SV) der zweite türkischstämmige Cheftrainer in der Fußball-Bundesliga. Und das, obwohl er bislang nur über Jugendteams im spanischen San Sebastian, bei 1899 Hoffenheim und beim VfB Stuttgart bestimmen durfte, bis er anderthalb Jahre lang als Assistenztrainer der türkischen A-Nationalmannschaft tätig war. Dann stellte ihn der neue Cheftrainer Fatih Terim frei. Korkut unterzeichnete in Hannover einen Kontrakt bis 2016.

Ein sogenannter Konzepttrainer sollte es sein

Was aber sprach für diese überraschende Lösung der Findungskommission, zu der nur Kind und Sportdirektor Dirk Dufner gehören, nicht aber, wie man denken könnte, Harun Arslan? "Wir wollten einen jungen Trainer mit klaren Vorstellungen, der konzeptionell arbeiten kann", sagte Dufner; Korkut sei ein "Super-Typ, ein wahnsinnig talentierter Trainer, top ausgebildet und hoch motiviert". Ein sogenannter Konzepttrainer sollte es sein - jemand, mit dem man langfristig ein Team aufbauen kann.

Obwohl die bisherigen Favoriten - Alt-Konzepttrainer Thomas Schaaf (früher Bremen, wollte nicht), Murat Yakin (Basel, zu teuer) und Ricardo Moniz (früher Hamburg, Salzburg, Budapest) - hoch gehandelt wurden, ist Korkut laut Dufner keine B-Lösung. Man habe sich schon früh intensiv mit ihm beschäftigt. Und da Kind laut Dufner "jemand ist, der sich schnell mit mutigen Entscheidungen anfreundet", lief es am Ende auf Korkut hinaus.

Wer aber ist dieser Fußballlehrer, der nun davon spricht, vor ihm liege "eine faszinierende Aufgabe, auf die ich mich sehr freue"? Es geht damit los, dass der Türke Korkut, der als Profi 42 Länderspiele absolvierte, 1996 und 2000 an der Europameisterschaft teilnahm und die beste Zeit bei Fenerbahce Istanbul und Real San Sebastian als defensiver Mittelfeldspieler hatte, tief in Deutschland verwurzelt ist. So wie sein Berater Arslan, so wie Mesut Özil oder Ilkay Gündogan.

Korkut, dessen Nachname in der Verbform "jemandem Angst machen, in Furcht versetzen", bedeutet, wurde in Ostfildern bei Stuttgart geboren und spielte für die Stuttgarter Kickers. Erst dann siedelte er ins Land seiner Eltern über, bevor er nach Spanien umzog. Korkut ist wie Özil oder Nuri Sahin ein Deutsch-Türke, der überall klarkommt. Neben Türkisch und Deutsch spricht er Spanisch und Englisch gut. Ideal also, sollte Hannover unter seiner Anleitung in die Europa League einziehen wie 2011 und 2012 mit Slomka.

Korkut, der am Freitag offiziell vorgestellt wird und seinen Job am 5. Januar zum Auftakt des Trainingslagers an der Algarve aufnimmt, hat aber zunächst einmal andere Probleme als die Europa League. Er muss die unter Slomka auf Rang 13 abgerutschte und auswärts punktlose Mannschaft erst mal stabilisieren. Er kennt die Schwachpunkte dieses Teams, dem derzeit offenbar auch der Zusammenhalt fehlt. Wie es aussieht, darf er in der Winterpause noch mal einkaufen. Entsprechende Pläne hatte 96 vor Slomkas Abschied gestoppt, um dessen Nachfolger nicht Profis vor die Nase zu setzen, die dieser womöglich gar nicht haben möchte. Gesucht werden ein Verteidiger und ein Stürmer.

Einer wie Gisdol, Schneider und Weinzierl

Martin Kind sagt, die überraschende Personalie sei "kein Risiko, denn Herr Korkut hat seine Karriere ganz gezielt geplant". So etwas imponiert dem Unternehmer, der mit ungewöhnlichen Verpflichtungen wie Trainer Branko Ivankovic oder Manager Ricardo Moar aber auch schon Schiffbruch erlitt. Gleichwohl wies Kind darauf hin, die Cheftrainer Markus Gisdol (Hoffenheim), Thomas Schneider (Stuttgart) und Markus Weinzierl (Augsburg) hätten zuvor auch keine Bundesliga-Erfahrung gehabt.

Weniger gut kam bei 96 an, dass sich der frühere Hannoveraner Profi André Breitenreiter (Coach beim Zweitligist SC Paderborn), der angeblich nie Thema als Slomka-Nachfolger gewesen sei, selbst ins Gespräch gebracht habe. "Und wenn er dann plötzlich über Facebook absagt, als er gemerkt hat, dass ihn keiner haben will, ist das einfach unfassbar", sagte Dufner.

Für Dufner, den Nachfolger des erfolgreichen Geschäftsführers Jörg Schmadtke, hängt jetzt viel vom Abschneiden des neuen Mannes auf der Trainerbank ab. Sollte es schief gehen, wird er erstmals in Mithaftung genommen. Für einen Ruf, wie ihn sich Schmadtke in Hannover erarbeitete, muss er bei Personalien Treffer landen.

© SZ vom 02.01.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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