Tischtennis:Ein letzter Aufstieg vor dem Ende

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Die englische Tischtennisspielerin Tin-Tin Ho, hier bei den European Championships im vergangenen Jahr. Sie ist bereits für die nächsten Olympischen Spiele nominiert und trägt in Zukunft das Trikot des TSV Dachau. (Foto: Jürgen Kessler/IMAGO/Kessler-Sportfotografie)

Ehe Schwabhausens Tischtennissparte nach Dachau umzieht, hat sie noch ihre zweite Mannschaft in die zweite Liga gebracht - und einige Wechsel verkündet.

Von Andreas Liebmann

Chat GPT, die berühmte künstliche Intelligenz, hätte es vielleicht spannender hinbekommen. Jene Textmaschine hingegen, die (kein Witz!) seit 2021 auf den Ergebnisseiten des Deutschen Tischtennis-Bundes nackte Zahlen bis hinab zur Kreisliga automatisch in wortreiche Spielberichte umwandelt, muss an ihrer Prosa wohl noch feilen. Zumindest stellen Einstiegssätze wie der folgende über das aufstiegsentscheidende Saisonfinale in der dritten Frauen-Bundesliga Süd selbst für Bluthochdruckpatienten keine unmittelbare Gefahr dar: "Als Theresa Faltermaier ihr Einzel am Sonntagnachmittag nach Hause fuhr, war das Spiel der 3.Bundesliga Damen Süd nach ca. 2 Stunden Spielzeit beendet."

Mit kollegialen Grüßen an die Maschine: Ein paar kleine Details hätte es vielleicht schon noch gegeben, die in einem solchen Bericht erwähnenswert gewesen wären. Theresa Faltermaier zum Beispiel: Sollte die Nachwuchsspielerin vom gastgebenden TSV Schwabhausen II an jenem Sonntag überhaupt irgendetwas nach Hause gefahren haben, dürfte sie das garantiert mit dem Fahrrad erledigt haben. Denn die Tochter einer ehemaligen Nationalspielerin ist erst 14 und damit noch nicht im führerscheinfähigen Alter. Trotzdem hat sie in dieser Drittligamannschaft der Frauen eine positive Einzelbilanz erreicht, ein 7:4.

Kolbermoor setzt nur noch auf eine Frauenmannschaft, Schwabhausen bastelt am Kontrastprogramm

Zweitens war das Duell zum Saisonabschluss ein Derby, ein 6:0 gegen die zweite Vertretung des Nachbarn TuS Fürstenfeldbruck. Drittens sicherte dieser Kantersieg dem TSV Schwabhausen II den Meistertitel und damit den Aufstieg in die zweite Bundesliga, wo der Klub allerdings - viertens - niemals auftauchen wird. Denn bald zieht, wie berichtet, seine komplette Tischtennisabteilung zum TSV Dachau um, wovon sich die Verantwortlichen bessere Strukturen erhoffen. Dachau bekommt also neben dem Erst- nun auch ein neues Zweitligateam aus der kleinen Nachbargemeinde.

Tischtennis
:Eine ganze Abteilung im Umzugskarton

Zurzeit spielt der Erstligist TSV Schwabhausen auf einer Großbaustelle. Im Sommer soll damit Schluss sein: Die gesamte Tischtennissparte wird zum TSV Dachau 1865 überlaufen. In ihrer Heimat stieß sie zuletzt immer öfter an Grenzen - und vermisste die Wertschätzung.

Von Andreas Liebmann

Für das Quartett aus der Ukrainerin Veronika Matiunina, der Ungarin Orsolya Feher, der Holländerin Emine Ernst und eben Faltermaier dürften dies am vergangenen Sonntag also jeweils ihre letzten Ballwechsel im alten Trikot gewesen sein, mit dem Schwabhauser Wolfswappen. Wobei Matiunina, die 16-Jährige, die wegen des Kriegs in ihrer Heimat sehr kurzfristig zum Kader gestoßen war, den Verein nun wieder verlassen wird und man bei Feher nie weiß, ob sie nicht auch in Schwabhausens erster Mannschaft eingesetzt wird.

Dieses Erstliga-Ensemble um Nationalspielerin Sabine Winter hat seine historischen letzten Schläge im alten Trikot nämlich noch vor sich. Am ersten Freitag im Mai startet es ins Playoff-Viertelfinale gegen die SV Böblingen um Abwehrlegende Qianhong Gotsch und Jungnationalspielerin Annett Kaufmann. "Unangenehme Gegner für uns", sagt Klubtrainer Alexander Yahmed, "ich bin selbst gespannt." Das Hinspiel (19 Uhr) findet daheim, das Rückspiel zwei Tage später (14 Uhr) auswärts statt.

Auch der zweite bayerische Erstligist, der SV-DJK Kolbermoor, steht im Viertelfinale. Er startet am selben Freitag beim TSV Langstadt, das Rückspiel am Sonntag (14 Uhr) wird in Kolbermoor ausgetragen.

Kolbermoor wird seine Abteilung nach der Saison natürlich nicht in einen Nachbarklub integrieren, doch das ist aktuell nicht der einzige Unterschied zwischen den Vereinen. Während im Amateurbereich der Männer beide einen ordentlichen Unterbau haben - Kolbermoor hat nach einigen Abmeldungen fünf, Schwabhausen vier Mannschaften im Spielbetrieb -, unterhält der Klub aus dem Landkreis Rosenheim bei den Frauen exakt noch ein einziges Team: das in der ersten Liga eben, das zweimal den deutschen Pokal gewann, seit dem Rückzug der zweiten Mannschaft allerdings ohne Fundament dasteht.

Vor dem Playoff-Start steht auch im Erstliga-Ensemble eine Personalie fest: Mercedesz Nagyvaradi geht, Tin-Tin Ho kommt

Selbst in Schwabhausen stellt Coach Yahmed fest, dass Corona allgemein viel kaputtgemacht habe in den Vereinen, trotzdem arbeitet sein Klub mit noch fünf über die Ligen verteilten Frauenteams gewissermaßen am Kontrastprogramm. "Die zweite Mannschaft wird sehr jung sein", erklärt er, was für einen Aufstieg sprach. "Sie werden einen riesigen Schritt in ihrer Entwicklung machen müssen, und den brauchen sie auch. Sie müssen ihre Grenzen erkennen, damit sie sehen, wofür sie arbeiten." Aufstiegsgarantin Matiunina wird durch die ebenfalls 16-jährige Melanie Merk ersetzt, die zuletzt für Langweid zweite Liga spielte.

Auch in der ersten Mannschaft steht eine Personalie fest: Mercedesz Nagyvaradi wird den Verein verlassen. "Wirklich schade", findet der Trainer, "sie hatte ein Angebot, das sie einfach nicht ablehnen konnte." Anstelle der beliebten Ungarin, die in ihre Heimat zurückkehrt, hat der Klub die 24-jährige Penholder-Spielerin Tin-Tin Ho verpflichtet. Die Engländerin ist die Nummer 135 der Weltrangliste und bereits für die nächsten Olympischen Spiele nominiert, weshalb sie laut Yahmed nach ihrem Medizinstudium "richtig Gas geben" wolle in der Bundesliga - dann für den TSV Dachau. Nagyvaradi kann selbiges in den Playoffs nur noch für den TSV Schwabhausen probieren.

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