Deutsche im Tischtennis:Einer besiegt sogar den Drachen

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Spektakulärer Sieg: Patrick Franziska schlug kürzlich Ma Long in fünf Sätzen. Der Chinese gilt vielen in der Tischtennis-Branche als "Greatest of all Time" - als weltbester Spieler jemals. (Foto: Attila Kisbedenek/AFP)

Vier Profis unter den besten 15: Noch nie standen so viele deutsche Tischtennisspieler derart gut in der Weltrangliste da. Patrick Franziska schlug vor Kurzem den Chinesen Ma Long, der für viele als bester Spieler der Geschichte gilt.

Von Ulrich Hartmann, Düsseldorf

Vergangene Woche hat der tapfere Ritter Patrick Franziska einen Drachen besiegt. Genaugenommen sogar den schlimmsten aller Drachen! Der Chinese Ma Long, 34, Kampfname Dragon, gilt vielen in der Tischtennis-Branche als "Greatest of all Time" - als weltbester Spieler jemals. Der beste Deutsche Dimitrij Ovtcharov hat den zweimaligen Olympiasieger und dreimaligen Weltmeister Ma Long in 16 Matches bislang nicht ein einziges Mal besiegen können, und Franziska hatte gegen Ma Long zuvor in zwei Matches nicht mal auch nur einen Satz gewonnen. Doch dann, im Achtelfinale eines Turniers in Budapest, schlug Franziska Ma Long in fünf Sätzen. Eine Sensation. "Danach habe ich am ganzen Körper gezittert", berichtete der 30-Jährige.

Am Dienstag ist nun die neue Weltrangliste erschienen. Franziska hat sich auf den elften Platz vorgeschoben, er ist hinter Ovtcharov (Platz 9) jetzt zweitbester Deutscher und zusammen mit Dang Qiu (Platz 13) und Timo Boll (Platz 14) einer von vier Deutschen unter den besten 15 Spielern der Welt. Noch nie haben so viele deutsche Tischtennisspieler derart gut in der Weltrangliste dagestanden. In zweieinhalb Wochen beginnt die Individual-Europameisterschaft in München. Ovtcharov, Franziska, Qiu und Boll könnten dort alle Medaillen unter sich ausmachen. Erheblicher Widerstand zu erwarten ist allerdings mindestens von den Schweden Truls Möregardh, Anton Källberg und Kristian Karlsson sowie von dem Slowenen Darko Jorgic.

Timo Boll gilt nach wie vor als Kandidat für Olympia 2024 in Paris

In die Tischtennis-Weltrangliste kommt zunehmend Bewegung. Das ist so gewollt vom Weltverband ITTF. Derzeit werden alle Ergebnisse, die älter als 18 Monate sind, getilgt. In Zukunft sollen nur noch die besten acht Ergebnisse aus zwölf Monaten in die Wertung eingehen. Vorbei sind die Zeiten, als Ma Long 64 Monate in Serie Weltranglistenerster war. Die Beschleunigung bei der Berechnung sorgt auch dafür, dass Deutschlands "Greatest of all Time", Timo Boll, momentan nur noch der viertbeste deutsche Spieler ist. Er hatte zuletzt mit diesem und jenem Wehwehchen zu kämpfen, aber von einem Karriere-Ende spricht im Verband noch niemand. Boll gilt nach wie vor als Kandidat für Olympia 2024 in Paris.

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"Wir freuen uns, dass wir die eine Generation noch haben und die nächste schon", sagt Sportdirektor Richard Prause, er sieht darin noch keinen Generationswechsel und interpretiert das augenzwinkernd als Strategie: "Wir haben unsere vier besten Spieler gut über die Generationen verteilt." Boll ist 41 Jahre alt, Ovtcharov 33, Franziska 30 und Dang Qiu 25. Das ergibt Perspektiven mindestens bis zu Olympia 2028 in Los Angeles.

Noch besser, geradezu glänzend, sind die Ambitionen vom 13. bis 21. August, wenn in der Münchner Rudi-Sedlmayer-Halle die Europameisterschaften in den Disziplinen Einzel, Doppel und Mixed ausgetragen werden. Von einer gmahden Wiesn, der gemähten Wiese als Bildnis für die komplett eingeholte Ernte mit sämtlichen Medaillen, will der Sportchef Prause allerdings nichts wissen. "Die Weltrangliste ist eine gute Orientierung", sagt er, "aber man gewinnt über sie keine Medaillen." Prause nimmt die Weltrangliste sogar explizit als Euphorie-Bremsklotz her, denn: Bester Europäer derzeit ist auf Platz fünf der Schwede Truls Möregardh, zweitbester Europäer auf Platz acht der Slowene Darko Jorgic. Prause findet aber schon: "Alle unsere vier Spieler sind in der Lage, Medaillen und Titel zu gewinnen."

Auch die Bundesliga dürfte vom europäischen Hoch profitieren

Doch nicht nur für die Heim-EM ist das leuchtend grüne deutsche Tischtennis-Kleeblatt ein Segen, sondern auch für die Ende August beginnende neue Bundesliga-Saison. Alle Vier sind hier aktiv: Boll und Qiu für Borussia Düsseldorf, Ovtcharov für den TTC Neu-Ulm und Franziska für den 1. FC Saarbrücken. Das freut sogar Christian Seifert, den ehemaligen Geschäftsführer der Fußball-Bundesliga. Die Tischtennis-Bundesliga gehört ab 2023 neben Handball, Basketball und Volleyball zum Angebot seines neuen Streaming-Dienstes "S Nation Media". Dort freuen sie sich über Sportler, die Drachen besiegen können.

Für Patrick Franziska war dieses Jahr bislang ein erfolgreiches. Im Januar gewann er sein erstes Turnier der Serie World Table Tennis, beim Grand Smash in Singapur besiegte er den Chinesen Xu Xin, nun schlug er Ma Long und steht in der Weltrangliste erstmals vor seinem einstigen Idol Timo Boll. So gesehen könnte dies doch der Beginn eines Generationswechsels sein.

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