Tennis:Zverev sieht Schwarz

Tennis: Alexander Zverev in Indian Wells

Auf langem Marsch: Alexander Zverev verzeichnet Fortschritte nach schwerer Verletzung, bei der Niederlage gegen Daniil Medwedew ist das für ihn aber kein Trost.

(Foto: Harry Hhow/Getty/AFP)

Der Olympiasieger verliert gegen Daniil Medwedew eine packende Partie, die er hätte gewinnen müssen - ein Zeichen dafür, wie schwierig es nach der langen Verletzungspause ist, sich in der neu formierten Weltspitze einzusortieren.

Von Jürgen Schmieder, Indian Wells

Wer Alexander Zverev ein bisschen kennengelernt hat in den vergangenen Jahren, der weiß, dass es in seiner Farbenlehre nach Niederlagen nur diesen einen Code gibt: #000000. Schwarz. Da ist kein heller Tupfer zu sehen, selbst wenn die Leute beinahe beseelt aus dem Stadion Nummer eins der Tennisanlage in Indian Wells kommen und erklären, dass sie so eine hochklassige, spannende, dramatische Partie wie jene zwischen Zverev und Daniil Medwedew schon lange nicht mehr gesehen haben: 196 Minuten Spielzeit; zwei Tiebreaks; Break und Re-Break bei 4:5 und 5:5 im entscheidenden Satz; eine übel aussehende Verletzung von Medwedew; eine noch üblere Tirade des Russen über dieses Spielfeld in der kalifornischen Wüste; ein wirklich mutiger, beweglicher, spielfreudiger Zverev - alles egal, es war: schwarz.

"Interessiert mich alles nicht, ich habe verloren", sagte Zverev ein paar Minuten nach dieser Partie in den Stadionkatakomben, und er hatte auch gute Gründe dafür, schlecht drauf zu sein. Zverev ist ein Profisportler, der gewinnen will, kein champagnerschlürfender Gast, der unterhalten werden möchte. Er hatte den ersten Satz nicht nur gewonnen, sondern Medwedew, der davor in 16 Matches nacheinander reüssiert und drei Turniertitel verbucht hatte, so sehr auf die Palme gebracht, dass der Russe nach dem ersten Satz drohte, tatsächlich eine Palme erklimmen zu wollen. "Ich werde jetzt rausgehen, und ich werde mir Zeit lassen", blaffte er halb zum Schiedsrichter und halb zu sich selbst: "Es kann ein bisschen dauern, von mir aus kannst du mich fünf Mal wegen Verzögerung bestrafen - ist mir egal."

Der Unmut von Medwedew richtete sich gegen den wirklich langsamen Belag in Indian Wells. Wer dort jemals ein paar Bälle geschlagen hat, zum Beispiel auf Trainingsplatz fünf, der kann bestätigen: Ein richtig stumpfer Sandplatz ist im Gegensatz zum Untergrund in Indian Wells ein flinkes Geläuf. Medwedew entschuldigte sich später für seinen Wutausbruch: "Ich muss an mir arbeiten, und das sage ich nicht einfach so. Es ist meine Schuld, dass ich nicht damit zurechtkomme." Aber das half Zverev nicht weiter. Er macht Fortschritte bei seinem Comeback nach schwerer Verletzung. Aber er hat eben auch eine Partie verloren, die er hätte gewinnen müssen.

"Ich glaube, dass meine Karriere noch nicht vollendet ist", sagt Zverev

Der 25-jährige Olympiasieger aus Hamburg hatte den ersten Satz im Tiebreak gewonnen und Medwedew entnervt. Mitte des zweiten Durchgangs verdrehte sich der Russe den Knöchel und dachte an Aufgabe: "Es tat wirklich sehr weh, ich musste zwischen den Ballwechseln humpeln" berichtete er später: "Im Spiel selbst aber ging es ganz gut." Zverev hatte in diesem Durchgang gegen einen Rivalen, der angeschlagen und mies gelaunt war, zehn Breakchancen; 17 waren es insgesamt im Match. Er konnte im zweiten Satz keine und insgesamt nur zwei nutzen. Im dritten Satz schaffte Zverev dann tatsächlich das Break zum 5:5 gegen den sonst so nervenstarken Gegner - nur um seinen Aufschlag danach sofort wieder abzugeben, am Ende per Doppelfehler.

Man kann natürlich das Gute würdigen an so einem Nachmittag. Es ist aber ebenso möglich, es so zu sehen wie Zverev, der derzeit unter besonderer Beobachtung steht. Zum einen wegen des Comebacks nach der langwierigen Knöchelverletzung, bei dem die Leute gespannt sind, wo er sich einordnen wird in der neuen Weltspitze, in der nicht mehr die allseits bekannten Namen zu finden sind, sondern: Alcaraz, Fritz, Ruud, Rune. Zum anderen, weil ihn der Streamingdienst Netflix in Indian Wells überallhin verfolgt für die zweite Staffel der Dokuserie "Breaking Point". Der Titel ist passend, denn Zverev befindet sich an solch einem Punkt in der Karriere, der wegweisend sein könnte für die Zukunft.

"Jetzt kommt erst einmal eine andere Doku", sagt er in Kalifornien. Der deutsche TV-Sender RTL zeigt in der kommenden Woche einen Film mit dem Titel: "Der Unvollendete". Zverev sagt: "Den Namen habe ich mir nicht ausgesucht, aber ich vertraue den Leuten, die Ahnung davon haben, wie man Filme macht und vermarktet. Aber ich bin 25 Jahre alt. Ich glaube, dass meine Karriere noch nicht vollendet ist." Er weiß selbst genau, was nun passieren muss, damit er dorthin kommt, wo er schon mal gewesen ist, vielleicht noch ein wenig höher: "Gewinnen. Nicht nur Spiele, sondern Turniere." Nächste Chance: Miami, nächste Woche, langsamer Hartplatz.

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