Tennis und Davis Cup:Bitte wieder Becker vs. McEnroe

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1988 gewann Deutschland erstmals den Davis Cup - in der Aufstellung Boris Becker, Patrick Kühnen, Niki Pilic (Teamchef), Eric Jelen und Carl-Uwe Steeb. (Foto: Rüdiger Schrader/dpa)

Der Davis Cup war mal der bedeutendste Wettbewerb im Tennis. Doch nach dem Intermezzo eines Investors und missglückten Reformen ist das Renommee dahin. Wie es weitergeht, ist offen - die Sehnsucht der Spieler nach dem alten Modell ist groß.

Von Barbara Klimke, Trier

Basisdemokratische Entscheidungen sind selten im Tennis, dieser Alles-oder-nichts-Sportart. In Trier, am Rande der Davis-Cup-Partie zwischen Deutschland und der Schweiz, hat sich jedoch die Gelegenheit zu einer Blitzabstimmung ergeben. Also: Arm hoch, wer sich im deutschen Tennis-Nationalteam für die Wiedereinführung von Fünfsatzmatches im Davis Cup ausspricht! Alle fünf Spieler heben die Hand: Alexander Zverev, Oscar Otte, Andreas Mies, Tim Pütz, Daniel Altmaier. 5:0, keine Gegenstimme.

Das Umfrageergebnis fasst Wortführer Zverev in einem leidenschaftlichen Plädoyer zusammen: "Man hat gesehen, dass das neue System nicht funktioniert. Der Davis Cup war immer der Wettbewerb, wo man die größten Emotionen und die beste Stimmung erlebt hat", erklärt er. Die Entwicklung der vergangenen Wochen habe gezeigt, "dass man Historie mit Geld nicht kaufen kann".

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Was das Grand-Slam-Turnier in Melbourne unbedingt vermeiden wollte, ist nun eingetreten: Putin-nahe Zuschauer zeigen unverhohlen ihre Sympathien für Russland. Auch Srdjan Djokovic irritiert mit einem Auftritt.

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Funktioniert hat die Davis-Cup-Reform tatsächlich nicht. Der radikale Umbau des Nationenwettbewerbs, den der Tennisweltverband ITF vor fünf Jahren anstrebte, endete im Fiasko. Für drei Milliarden Dollar, auf 25 Jahre gestreckt, hatte die spanische Unternehmensgruppe Kosmos um den früheren Fußballprofi Gerard Piqué 2018 die Rechte am Davis Cup erworben. Unter der Last des Geldes wurde alles begraben, was das Renomee des Traditionswettkampfs einst ausgemacht hatte: die dreitägigen Tennisdramen, die epischen Fünfsatzmatches, die packenden Heim- und Auswärtsspiele. Jahr für Jahr änderte der Vermarkter fortan den Modus. Im Januar hat die ITF nun verkündet, dass der Vertrag mit Kosmos gekündigt ist. Seitdem rätseln Spieler, Trainer, Publikum und auch der Deutsche Tennis Bund (DTB), wie es nach 2023 weitergeht.

Die Beteiligten erklären nicht, warum die bisherige Agentur ausstieg

Welche Seite die Reißleine zog und aus welchen Gründen, darüber gibt es bis jetzt keine näheren Informationen. Kosmos ließ eine Anfrage bis zum Sonntag unbeantwortet. Die ITF bezieht sich auf "vertragliche Vertraulichkeit". ITF-Geschäftsführer Kelly Fairweather, der am Wochenende als Beobachter in der Arena Trier war, äußerte sich nicht zu den Trennungsmodalitäten, deutete für die Zukunft aber Gespräche etwa mit der Männerprofiorganisation ATP an.

Der Stoff, aus dem Legenden sind: Boris Becker genießt nach dem entscheidenden Punktgewinn in Hartford 1987 die Ehrenrunde mit Nationalfahne. (Foto: Sven Simon/Imago)

DTB-Präsident Dietloff von Arnim, 63, sieht den Ball nun eindeutig im Aufschlagfeld des Weltverbands: Es sei "Aufgabe der ITF, über das Format nachzudenken, nachdem die Agentur ausgefallen ist", forderte er in Trier. Arnim, der im Herbst für die Nachfolge des umstrittenen ITF-Chefs David Haggerty kandidieren will, sitzt zwar im zehnköpfigen Davis-Cup-Komitee des Weltverbandes. Mit seinen Nachforschungen, sagt er, sei er aber bislang ebenfalls nur bis zur viel zitierten Schweigewand der "contractual confidentiality" gekommen, der vertraglichen Vertraulichkeit. Kein Zweifel bestehe jedoch daran, dass "für alle Entscheidungen jetzt ein gewisser Zeitdruck entsteht".

Die Saison 2023 wird nach dem bereits festgelegten Modus zu Ende gespielt: Auf die Qualifikationsduelle folgen im September Gruppenphase oder Relegation und im November das Finalturnier - von dem das DTB-Team wegen der 2:3-Niederlage gegen die Schweiz allerdings ausgeschlossen ist. Im vorigen Jahr hatte die Mannschaft ihre Qualifikation in Brasilien ausgetragen; diesmal war die Stadt Trier am Freitag und Samstag mit einem Heimspiel dran. Bei der Finalrunde hatte Kosmos bereits eine größere Kurskorrektur vorgenommen: Denn von der Idee eines gigantischen 18-Mannschaften-Turniers am neutralen Ort war man wegen geringen Zuschauerzuspruchs schnell wieder abgekommen.

Der Davis Cup war immer der Rahmen für große Dramen - wie bei Becker vs. McEnroe 1987

In Trier zeigte sich dagegen noch einmal, was den Davis Cup so populär werden ließ in seiner 123 Jahre währenden Geschichte. Denn dieser Nationenwettkampf um die riesige Silberschüssel, 1899 gestiftet vom Harvard-Studenten Dwight F. Davis, erreichte über weite Strecken des 20. Jahrhunderts ein Renommee, das jedes Einzelturnier übertraf. Unvergessen ist etwa das Duell 1987 zwischen Boris Becker und John McEnroe in Hartford/Connecticut, das der damals 19-Jährige Deutsche in fünf unterhaltsam-zermürbenden Sätzen nach 6:21 Stunden gewann. Die halbe Nation saß damals nachts vor dem Fernseher. Und auch in Trier war die Arena an beiden Tagen bis auf den letzten der 4000 Plätze ausverkauft, das Publikum kam mit Trommeln und Tröten, und der Trubel vitalisierte die Akteure sichtlich. "Affengeil", nannte Doppelspieler Andreas Mies lachend die Atmosphäre.

"Der Davis Cup hat eine Vergangenheit, eine Gegenwart und eine Zukunft", sagt DTB-Chef Arnim. "Nicht nur hier, sondern in allen Ländern." Allerdings fordert er zur Betriebssicherung eine bessere Planbarkeit. Nur acht Wochen Vorlauf für die Organisation eines Duells sei "völlig unzureichend". Mehr Zeit blieb dem DTB diesmal nicht, weil erst im November nach der Finalrunde in Malaga die Begegnungen feststanden. "Bei nur acht Wochen Vorlauf ist jede große Halle in Deutschland ausgebucht mit Basketball, Handball, Eishockey - oder durch den Auftritt eines Comedians." Der Verband habe Glück gehabt, dass die Arena Trier verfügbar war.

Ebenso schwierig sei es für die Fernsehunternehmen, "so kurzfristig einen Sendeplatz freizuschaufeln". Das DTB-Duell aus Trier wurde nur auf der Plattform Tennischannel gestreamt; das Tennispublikum, glaubt Arnim, hätte "liebend gern mehr gesehen".

Die Tennisprofis fordern eine Rückkehr zum alten Modus oder ein neues attraktiveres Format. Teamchef Michael Kohlmann riet der ITF, "auf jeden Fall die Spieler mit einzubeziehen". Nach Trier, in diese Trubelstätte, sagte er, käme er jederzeit gern zurück.

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