Tennisspielerin Naomi Osaka:Der Spaß ist das Ziel

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"Es gibt viele Dinge, in denen ich zuletzt viel besser geworden bin": Naomi Osaka . (Foto: Clive Brunskill/AFP)

Naomi Osaka stand im Zentrum der Debatte um mentale Gesundheit im Sport. Beim Turnier in Indian Wells gewinnt sie ihre erste Partie - und sagt danach, dass ihr Triumphe nicht mehr so wichtig sind.

Von Jürgen Schmieder, Indian Wells

Naomi Osaka hat am Donnerstag gewonnen, erste Runde, 3:6, 6:1, 6:2 gegen Sloane Stephens, und natürlich hat sie sich darüber gefreut, sie ist noch immer Tennisprofi. Doch es ist jetzt etwas anders, beim Masters-Turnier in Indian Wells: "Ich bin über die Anlage gelaufen, da sagte jemand: 'Hoffentlich hast du Spaß'", sagte sie. "Normalerweise ist es immer irgendwas mit: 'Ich hoffe, dass du gewinnst - ich habe Tickets fürs Finale.' Ich weiß schon: Der Unterschied ist nicht wahnsinnig groß, aber mir bedeutet er viel."

Es geht bei der Japanerin Naomi Osaka, 24, inzwischen um mehr als nur das nächste Spiel, das nächste Turnier. Sie ist die Symbolfigur der Debatte um mentale Gesundheit im Profisport geworden, weil sie stets ungewöhnlich offen darüber spricht, wie es ihr geht. In Indian Wells liefert sie nun wieder interessante Einblicke: "Ich bin gerade sehr im Reinen mit mir; das ist ein sehr schönes Gefühl."

MeinungNaomi Osaka
:Ein Vorbild für alle Unglücklichen

Tennisspielerin Naomi Osaka deutet im Alter von 23 Jahren ihr mögliches Karriereende an, der Grund: ihr geistiges Wohlbefinden. Bei der Debatte um sie wird oft übersehen: Eine Verletzung im Kopf ist genauso ernst wie eine Verletzung am Kopf.

Kommentar von Jürgen Schmieder

Kleine Rückblende: Rückzug bei den French Open 2021, weil sie aus Sorge um ihre mentale Gesundheit nicht an den Pflicht-Pressekonferenzen teilnehmen wollte. Ein paar Monate später Tränen in Cincinnati, als Reaktion auf die provokante Frage eines Reporters nach Ruhm und Reichtum. Unendlicher Druck bei den Spielen in Tokio, wo sie die olympische Flamme entzünden durfte, Gold gewinnen sollte - und früh ausschied. Dann nach dem Aus bei den US Open im September 2021: "Ich bin an einem Punkt in meinem Leben, an dem ich herausfinden muss, was ich machen will, und ich weiß ehrlich nicht, wann ich meine nächste Partie spielen werde."

Für Osaka ist der Weg zurück trotzdem noch weit

Der Boxer Vitali Klitschko hat mal gesagt, dass er erst vom Gipfel aus die nächsten Berge sehe. Patrick Mouratoglu, der Trainer von Serena Williams, führte aus, dass die große Stärke der 23-maligen Grand-Slam-Siegerin ihre permanente Unzufriedenheit und Gier nach mehr sei. Nur: Was stellt diese ständige Gier mit einem Menschen an - völlig egal, wie viele Millionen er schon verdient hat? Das ist die Frage, die sich Naomi Osaka gestellt hat, Tennis-Ikone, ehemalige Weltranglistenerste, viermalige Grand-Slam-Turnier-Siegerin. Sie hat nicht viele Turniere gespielt in den vergangenen zwölf Monaten, seit den US Open nur ein Vorbereitungs-Turnier in Melbourne (sie verzichtete aufs Halbfinale) und die Australian Open (sie schied in der dritten Runde aus). Sie ist auf Platz 78 der Weltrangliste abgerutscht.

Handschlag nach dem Sieg: Naomi Osaka (links) und Sloane Stevens in Indian Wells. (Foto: Sean M. Haffey/AFP)

"Ich bin Perfektionistin", sagt Osaka: "Deshalb gab es immer Zweifel: Kann ich überhaupt jemals so gut spielen, dass ich zufrieden bin mit mir?" Niederlagen sind immer Futter für diese Zweifel - ist man womöglich schlechter geworden? Aber sie habe erkannt: "Die Spielerinnen, gegen die ich antreten muss, die werden ja auch besser!" Eine Niederlage sei deshalb nicht der Beweis dafür, dass sie selbst schlechter geworden sei: "Wir alle entwickeln uns permanent; es gibt viele Dinge, in denen ich zuletzt viel besser geworden bin."

Der Weg zurück ist trotzdem noch weit. Der erste Aufschlag, gewöhnlich eine gefährliche Waffe von Osaka, war gegen Sloane Stephens unbeständig. Nur die Hälfte aller Versuche landete im Feld. Die Vorhand: wackelig. Es war eine Partie, die der Wüstenwind unberechenbar machte; in den vergangenen zwölf Monaten wäre Osaka wahrscheinlich an sich selbst verzweifelt. Nun blieb sie gelassen, ärgerte sich nicht über Böen, die dauernd Sand ins Stadion schleuderten. Sie tüftelte an sich, wie sie diese Partie trotz der Schwierigkeiten gewinnen könnte, und es war deutlich zu sehen, wie sie tatsächlich Spaß daran hatte.

Wer Osaka beobachtet hat in den vergangenen Jahren, dürfte bemerkt haben, dass sie sich immer ein Ziel gegeben hat - manchmal ging es über sportlichen Erfolg hinaus wie etwa beim US-Open-Sieg 2020, als sie zu jeder Partie mit eine Maske mit jeweils dem Namen eines Opfers von systematischem Rassismus erschien. Nun, sagt sie, gehe es ihr weniger ums Erklimmen von Gipfeln als um den Spaß beim Klettern. Das ist jetzt ihr Ziel. Sie will noch ein bisschen Spaß haben in Indian Wells, ihre nächste Gegnerin am Samstag: die Russin Viktoria Kudermatowa.

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