French Open:Nadal schimpft mit Paris

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98. Sieg in seiner 100. Partie bei den French Open: Rafael Nadal feiert trotz unangenehmen Wetters mal wieder Bestmarken in Paris. (Foto: AFP)

Die French Open sind das Lieblingsturnier des Spaniers - doch in diesem Jahr missfällt ihm die Organisation. Im Halbfinale trifft er nun auch noch auf einen, der ihn zuletzt auf Sand schlagen konnte.

Von Gerald Kleffmann, Paris/München

In Rafael Nadals Karriere gibt es Zahlen, die sind fern jeder Vorstellungskraft. Der neueste Stand bei den French Open lautet: Am Dienstag - halt! - am Mittwoch gelang dem Spanier in seinem 100. Match der 98. Sieg. Er hat in Roland Garros, wie die Franzosen ihr Grand-Slam-Turnier beharrlich nennen (bei dem Ausdruck French Open verziehen sie gerne pikiert die Lippen), exakt 237 Stunden und acht Minuten auf seinem Lieblingsbelag verbracht. Er wehrte 427 von 602 Breakbällen ab, vermied also, dass Gegner ihm sein Aufschlagspiel abluchsten. Der Veranstalter hat diese Werte nun veröffentlicht, die Nadals Leistungen noch unheimlicher erscheinen lassen. Fraglich, ob jemals jemand in Paris ähnliche Bestleistungen erreichen wird. Aber um all diese Rekorde und kaum greifbaren Statistiken ging es am Mittwochmorgen nicht.

Es ging um ein Match, das am Dienstagabend sehr, sehr spät begonnen hatte und erst nach Überschreiten der Datumslinie beendet war - um 1.25 Uhr am Mittwoch. Und Nadal, für den um 1.58 Uhr die Video-Pressekonferenz terminiert wurde, war nicht erfreut. Vom Ausgang seiner Schicht unter dem neuen Flutlicht mal abgesehen, er gewann ja sein Viertelfinale gegen den Südtiroler Jannik Sinner 7:6 (4), 6:4, 6:1. Er steht zum 13. Mal im Halbfinale der (liebe Franzosen, pardon!) French Open. Ach ja, zwölf Mal triumphierte er bisher. Dazu darf man festhalten: Das ist verrückt.

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Weniger surreal, sondern sehr real war indes das Erlebnis, das Nadal, 34, und seinem 19 Jahre alten Gegner in jener Nacht widerfuhr. Die Partie hatte so spät begonnen, weil es eine Verkettung besonderer Umstände gegeben hatte, die auf gewisse Weise mal wieder typisch für Roland Garros waren. Die dortige Organisation macht bekanntlich manchmal Dinge, die sich nicht jedem erschließen. Aber sie will es eben auf ihre Weise machen (die Frage, ob dahinter ein zu sturer Stolz steckt, ist jetzt nicht das Thema). Aufgrund Regens wurde jedenfalls das Frauen-Achtelfinale Danielle Collins gegen Ons Jabeur von Montag auf Dienstag verlegt - und einfach vor den vier obligatorischen Matches auf dem Hauptplatz angesetzt.

Diese Partie, die die Amerikanerin in drei Sätzen gegen die Tunesierin für sich entschied, brachte den Ablauf zeitlich bereits früh unter Druck. Der größte Stau-Erzeuger war dann das Spiel zwischen Diego Schwartzman und Dominic Thiem, die hatten sich am Abend länger als fünf Stunden gegenseitig gehetzt und gescheucht, ehe der Argentinier den Österreicher niedergerungen hatte, mit 6:2 im fünften Satz. Die späte Uhrzeit störte Nadal aber nicht mal in erster Linie - er sah die Gesundheit der Sportler massiv gefährdet und brachte das auch unmissverständlich zum Ausdruck.

"Das Wetter ist das Problem", sagte Nadal, "ehrlich, es ist sehr, sehr kalt, um Tennis zu spielen." Die French Open finden ja traditionell stets im Frühjahr statt, wurden wegen der Pandemie aber in den jetzigen feucht-kühlen Pariser Herbst verlegt. "Ich weiß, Fußballspieler spielen unter diesen Bedingungen, aber das ist ein bisschen anders. Sie bewegen sich die ganze Zeit. Wir stoppen, wir spielen, wir stoppen für den Seitenwechsel." Er schlussfolgerte besorgt: "Das ist ein bisschen gefährlich für den Körper, unter diesen sehr schweren Bedingungen zu spielen. Und das ist das, was heute passiert ist."

Konkret warf Nadal dem Veranstalter vor: "Ich weiß wirklich nicht, warum sie fünf Matches auf Chatrier angesetzt haben. Das war ein Risiko." So wie es aussieht, ist es das wirklich. Der deutsche Profi Alexander Zverev hatte sich ja genau so erkältet und Fieber bekommen. Novak Djokovic hatte ein riesiges Tape am Nacken, als er am Mittwochabend mühsam gegen Pablo Carreño Busta gewann. Früh im Match hatte der Serbe Probleme, sich in der Kälte gut zu bewegen und schlug mit dem Schläger wiederholt auf seine Oberschenkel.

Er trifft im Halbfinale am Freitag auf den Griechen Stefanos Tsitsipas. Nadal hat nun bis Freitag Zeit, sich zu erholen. Auf dem Platz, wenn er ihn einmal betreten hat, klagt er ohnehin nie. "Ich habe versucht, alles zu akzeptieren", sagte Nadal, der auf Schwartzman trifft, gegen den er jüngst beim Masters-Turnier in Rom verloren hat. Der 28-Jährige aus Buenos Aires wird, das steht bereits fest, nach den French Open erstmals in die Top Ten einziehen. Ein schwedischer Kommentator hat - wie es bei Twitter als Anekdote kursierte - den mit 1,70 Meter eher kleinen Argentinier zutreffend als "den weltbesten Spieler pro Zentimeter" bezeichnet. Nadal wolle für diese spezielle Aufgabe einfach nur bereit sein, "um mein Bestes zu spielen", betonte er wie immer. In Roland Garros hat das bislang ja ganz gut für den Mallorquiner geklappt.

© SZ vom 08.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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