Tennisspielerin Gauff in Melbourne:Berufsziel: Seriensiegerin

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Gereift, auch wenn sie immer noch erst 19 Jahre alt ist: Coco Gauff. (Foto: Tracey Nearmy/Reuters)

Die 19-jährige Coco Gauff, die im vergangenen Sommer die US Open gewann, steht nun auch im Halbfinale der Australian Open. Für die nächste Etappe ihrer Karriere hat sie sich eine neue Strategie zurechtgelegt.

Von Barbara Klimke, Melbourne

Die Zeit rast. Manchmal sieht Coco Gauff den jungen Mädchen zu, den 15- oder 16-jährigen Talenten, die unbekümmert die Tennisplätze erstürmen, und dann fühlt sie sich alt. Steinalt, sagt sie. So alt, als habe sie in den vergangenen vier Jahren nicht ein Leben gelebt, "sondern viele Leben". Sie muss sich dann sammeln und sich ihr eigenes Alter in Erinnerung rufen, weil sie das mitunter sogar vergisst. Coco Gauff, das zur Klarstellung, ist immer noch erst 19 Jahre jung.

In Melbourne, wo sie mit einem Sieg über die Ukrainerin Marta Kostjuk (7:6, 6:7, 6:2) erstmals das Halbfinale der Australian Open erreichte, hat sie ein kleines Resümee ihrer paradoxen Erfahrung mit dem Faktor Zeit gezogen. Denn einerseits hat Coco Gauff, seit sie mit 15 auf dem Rasen von Wimbledon debütierte, als Teenagerin in ihrem Erwerbsleben schon jetzt mehr erreicht als die meisten von ständigen Niederlagen zermürbten Kolleginnen beim Wechsel in den Ruhestand: Im vergangenen September hielt sie in Flushing Meadows strahlend den riesigen Henkelpott der US Open in den Händen, einen der größten Preise des Tennissports.

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Andererseits könnte dieser Moment in New York nur der Beginn ihrer Karriere als Tennis-Champion gewesen sein. Denn ein Grand-Slam-Pokal, sagte sie, sei ihr nie genug gewesen. Sie habe immer eine "Mehrfachgewinnerin" sein wollen. Berufsziel: Seriensiegerin.

"Alles, was ich tue, soll der Langlebigkeit meiner Karriere dienen."

Deshalb hat sie sich nach der Abreise aus New York zurück nach Florida nicht lange vom Glanz der silbernen Tiffany-Trophäe blenden lassen, sondern ist nach gut einer Woche wieder zur Arbeit übergegangen. Sie flog zu einem Turnier nach Peking, dann zu den WTA-Finals nach Cancun in Mexiko, erreichte beide Male das Halbfinale, nutzte den spielfreien Dezember zum Training und hat im Januar gleich das erste Turnier der neuen Saison in Auckland in Neuseeland gewonnen, im Finale gegen die Ukrainerin Elina Switolina. "Und jetzt sind wir schon wieder beim nächsten Grand-Slam-Turnier", sagte sie, als sie vor knapp zwei Wochen nach Melbourne kam: "Es fühlt sich an, als liege das andere schon ewig zurück." Das nächste neue Leben hat begonnen.

Analytisch kühl wertete Coco Gauff die US Open aus, zog ihre Schlüsse aus den Erfahrungen und stellte sich für die Australian Open neue Aufgaben. Sie lernt weiter, Schritt für Schritt. In New York hatte sie sich in der ersten Turnierwoche durch zähe Matches wühlen müssen, "Hundekämpfe", wie sie sagte: Drei von vier US-Open-Partien waren erst im dritten Satz entschieden. Ihr Vorteil seien damals ihre physischen und mentalen Fähigkeiten gewesen. Aber das müsse schneller gehen, erklärte sie nun, und verordnete sich Effizienz in den ersten Runden, "um Stress für Körper und Kopf zu vermeiden". Denn schließlich zieht sich ein Grand-Slam-Turnier bis zum Sieg über sieben Partien in 14 Tagen hin.

Außerdem, auch da plant sie voraus, sei das eine Investition in ihre berufliche Zukunft: "Ich bin jetzt 19, aber ich werde in den kommenden Jahren nicht immer in der Lage sein, mich nach schweren Matches körperlich und geistig schnell zu erholen. Ich bereite mich vor: Alles, was ich tue, soll der Langlebigkeit meiner Karriere dienen."

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Getreu ihrer Vorgabe gab Coco Gauff in Australien bis zum Viertelfinale tatsächlich keinen Satz ab in den vier Partien gegen Anna Karolina Schmiedlova aus Tschechien, Caroline Dolehide und Alycia Parks aus den USA sowie Magdalena Frech aus Polen. Das Energiesparmodell ermöglichte es ihr, die Kräfte einzusetzen, als es wirklich nötig war: im Match am zweiten Turnier-Dienstag gegen die famos und mutig spielende Marta Kostjuk, 21, aus der Ukraine. Denn nach einem Feuerwerk der Fehler lag Coco Gauff zur Überraschung des Publikums im ersten Satz schnell 1:5 zurück. Sie riss sich am Riemen, "um wenigstens ein bisschen Wettkampfgeist zu zeigen", wie sie später ironisch lächelnd sagte, ertrotzte fünf Punkte nacheinander und gewann den Durchgang im Tiebreak 8:6. Auch der zweite Satz, den sie verlor, ging über den Tiebreak (3:7), bis sie Kostjuk im Entscheidungssatz niederrang.

Flink und athletisch: Coco Gauff. (Foto: Daniel Pockett/Getty Images)

Die Fitness ist nie ein Problem für sie gewesen, nicht einmal im Alter von 15 Jahren in Wimbledon: Sie hat lange neben Tennis auch Basketball und Leichtathletik, die Sportarten ihrer Eltern, betrieben. Tatsächlich, so vermutet sie, wäre auch eine ordentliche 400-Meter-Läuferin aus ihr geworden; Stadionrunden gehören immer noch zu ihrem Konditionstrainingsprogramm. Außerdem hat ihr Vater ihr als Kind Footbälle zugeworfen, all das habe ihre Athletik und das Muskelgedächtnis geprägt. Sie ist überzeugt davon, dass sie von dieser athletischen Allround-Ausbildung bis heute profitiert, und nannte als weiteres Beispiel den 21-jährigen US-Tenniskollegen Ben Shelton: "Der war Quarterback - und hat einen unglaublichen Aufschlag." Der ähnlich hoch veranlagte junge Franzose Arthur Cazaux, der bei seinem Debüt in Australien das Publikum verblüffte und erst im Achtelfinale dem an Nummer neun gesetzten Polen Hubert Hurkacz unterlag, ist Handballer im Jugendteam von Montpellier gewesen.

So ist Coco Gauff präpariert für die Leben, die noch kommen werden auf dem Court. Im Halbfinale wird sie auf die Titelverteidigerin Aryna Sabalenka treffen, die Belarussin besiegte die Tschechin Barbora Krejcikova 6:2, 6:3. Damit kommt es am Donnerstag zur Wiederholung des US-Open-Finals. Und bei den Olympischen Spielen in Paris will Gauff unbedingt eine Medaille erkämpfen. Dann wird sie schon 20 sein. Die Zeit rast.

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