Tanzen:Öhman und Waltz beenden vorzeitig Staatsballett-Intendanz

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Johannes Öhman und Sasha Waltz hören zum Jahresende auf. Foto: Monika Skolimowska/dpa-Zentralbild/dpa (Foto: dpa)

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Berlin (dpa) - Desaster mit Vorahnung: Nach nur wenigen Monaten an der Spitze des Staatsballetts Berlin geben Sasha Waltz und Johannes Öhman ihre gemeinsame Intendanz zum Jahresende 2020 wieder auf.

Der Schwede Öhman (52), der seit August 2019 zusammen mit Waltz die renommierte Kompanie leitete, übernehme mit Beginn des nächsten Jahres in Stockholm das Dansens Hus, wie die Kulturverwaltung am Mittwoch mitteilte. Unter diesen Bedingungen wolle Waltz (56) nicht weitermachen. Auch sie verlasse das Staatsballett.

Mit dem Ende der Co-Intendanz des Ballett-Choreographen Öhmann und der Tanzregisseurin Waltz endet ein künstlerisches und kulturpolitisches Experiment, vor dem die Tänzer und Tänzerinnen des Ensembles laut gewarnt hatten. Die beiden Intendanten waren angetreten, das Staatsballett neu auszurichten und unter einem Dach den Gegensatz von Klassisch und Modern, von "Schwanensee" und dem von Waltz vertretenen zeitgenössischen Tanz, zu überwinden.

Sie hätten eine "große Unterstützung des Ensembles" bekommen, hatte Waltz ein Jahr vor ihrem Antritt verkündet. Zuvor hatte Kultursenator Klaus Lederer (Linke) versucht, die schlimmsten Irritationen in der Kompanie zu beseitigen.

Knapp 20.000 Ballett-Fans hatten sich an einer Unterschriftenaktion des Ensembles gegen die Personalie beteiligt und vor dem Profilverlust des Staatsballetts gewarnt. Als Leiterin der Compagnie "Sasha Waltz & Guests" habe sich die Regisseurin im modernen Tanztheater einen Namen gemacht hat - aber nicht im klassischen Ballett, das körperlich und technisch von anderen Voraussetzungen ausgeht, hieß es aus dem Ensemble. Auch eine Doppelspitze sei ungeeignet. Ein einziger Kandidat sollte mit einer künstlerischen Vision und den erforderlichen Erfahrungen gefunden werden.

Der damalige Staatssekretär Tim Renner und der in der Zeit auch als Kultursenator amtierende Regierende Bürgermeister Michael Müller (beide SPD) ließen sich von ihrem Vorhaben aber nicht abbringen.

Das aus der Fusion der Ballett-Kompanien der drei Berliner Opernhäuser 2004 entstandene Ensemble musste immer wieder einen Spagat mit Höhen und Tiefen absolvieren. Der aus der Ukraine stammende Startänzer Vladimir Malakhov hatte als Gründungsintendant eine neue Gruppe zusammengeschmiedet, doch schmerzliche Einschnitte vorgenommen. Von den Mitgliedern aus den Opern-Ensembles behielten mit 88 Tänzern und Tänzerinnen nur knapp die Hälfte ihre Stelle.

Fachleute und Kulturpolitiker sahen Malakhovs traditionellen Ansatz, wie er ihn an der Moskauer Ballettschule gelernt hatte, kritisch. Doch das Publikum spielte mit: Der Zuspruch stieg messbar, die Auslastung der Vorstellungen deutlich.

Die Fusion hinterließ aber auch Verwerfungen. Malakhov verlor seine Primaballerina Polina Semionova - die danach wieder als Gast zurückkehrte. Auch gab es immer wieder Reibereien mit der Kulturverwaltung. Nach langem Tauziehen erhielt die Compagnie eine feste Bleibe in der Deutschen Oper. Auch Malakhovs Nachfolger, der Spanier Nacho Duato, packte vorzeitig seine Koffer.

Hatten Öhmann, der vor Berlin das Royal Swedish Ballet in Stockholm geleitetet hatte, und Waltz eine Chance? Immerhin wurde das Ensemble im vergangenen Jahr von einer Fachjury zur Kompanie des Jahres gekürt. Waltz erste Kreation für das Staatsballett Berlin namens "Sym-phonie 2020" soll im April Premiere feiern.

Kultursenator Lederer zeigte Verständnis für die Entscheidung von Öhman und dem daraus folgenden Schritt von Waltz. "Aber natürlich bin ich darüber traurig, denn die beiden haben den Tanz in Berlin regelrecht wachgerüttelt." Das Duo habe gezeigt, dass es nicht vermessen sei, "dass das Staatsballett mit seinen großartigen Tänzerinnen und Tänzern europaweit Maßstäbe setzt". Allerdings wird sich Lederer jetzt wieder auf die Suche nach einer neuen Spitze für das Staatsballett begeben müssen.

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