Streit im Tennis:Nur ein bisschen Frauenfußball

Lesezeit: 2 min

Prominente Tennisprofis klagen, dass sie zu viele Turniere zu schlecht abgestimmten Terminen spielen müssen. Die Top vier der Weltrangliste um Novak Djokovic und Rafael Nadal hätten genug Macht, um daran etwas zu ändern - doch sie bringen ihre Kampagne mit unglaubwürdigen Auftritten in Gefahr.

René Hofmann

Es war nur ein Wohltätigkeits-Kick. Aber das hilft Novak Djokovic jetzt auch nicht mehr. Am Dienstagabend stand die Nummer eins der Tennis-Weltrangliste in Belgrad mit der Frauen-Fußball-Mannschaft FC Red Star auf dem Fußballplatz und maß sich mit einem Team aus Montevideo.

Beim Turnier in Belgrad lag Novak Djokovic mit Tränen in den Augen auf dem Boden - nur neun Tage später spielte er schon wieder Fußball. (Foto: Getty Images)

Der Schlagabtausch stand unter dem Motto: "Battle for babies" ; es sollte Geld gesammelt werden für hundert neue Baby-Inkubatoren in Serbien. Allzu ernst ging es bei der Veranstaltung nicht zu, aber es entstanden Fotos, die Djokovic bei einem beherzten Sprint zeigen - und diese Bilder stehen eben im krassen Gegensatz zu jenen, die neun Tage zuvor von dem 24-Jährigen entstanden waren.

Im Davis-Cup-Halbfinale hatte Djokovic sich da gegen den Argentinier Juan Martin Del Potro mit Schmerzen am Boden gewälzt und unter Tränen aufgegeben. Eine Muskelverletzung im Rippenbereich hatte Djokovic damals selbst diagnostiziert und angegeben, drei bis sechs Wochen pausieren zu müssen. O-Ton Djokovic: "Ich hatte so eine Verletzung noch nie und möchte eine weitere Verschlimmerung nicht riskieren."

Die dramatischen Fotos vom K.o. in der 67. Partie der Saison hatten damals wunderbar in ein größeres Bild gepasst: Bei den US Open hatten zahlreiche Top-Profis lamentiert und Reformen gefordert. Sie finden, sie seien verpflichtet, zu viele Turniere zu spielen. Die Termine, insbesondere mit dem Davis Cup, seien zu schlecht abgestimmt. Und eine Pause während der Saison sei auch keine schlechte Idee. Sogar das Droh-Wort "Streik" fiel.

Djokovics Zusammenbruch illustrierte die Forderungen trefflich und verlieh ihnen Nachdruck. Bei dem großen Turnier, das am 9. Oktober in Shanghai beginnt, werde er nicht antreten, stellte er in Aussicht. Wenig später zog Roger Federer nach: "Ich möchte nach dem anstrengenden Sommer jetzt erstmal Ruhe und Erholung", teilte der Schweizer mit. Spätestens da hatte die Debatte eine kritische Größe erreicht.

Der Internationale Tennis-Weltverband, der den Davis Cup veranstaltet, reagierte. Präsident Francesco Ricci Bitti kündigte an: "Wir werden uns mit den Spielern zusammensetzen. Und wir werden eine andere Lösung als einen Streik finden." Dabei ist das Thema, daran hat jetzt Pete Sampras erinnert, keineswegs neu: "Schon als ich gespielt habe und davor hat das mit dem Davis-Cup-Spielplan nicht funktioniert. Wir haben uns beschwert, aber es wurde nicht wirklich etwas unternommen", sagte der 40-Jährige am Freitag bei einem Auftritt der Champions Serie in Washington D.C.

Jim Courier, 41, der aktuelle Davis-Cup-Teamchef der USA merkte bei der gleichen Gelegenheit zum gleichen Thema an: "Die nächsten Monate werden spannend werden." Für Courier gibt es beim Tennis nämlich einen gewaltigen Unterschied zu anderen Sportarten: Es gibt keine Klubs, die als Marken funktionieren. "Es gibt niemand, der als Andre-Agassi-Fan auf die Welt kommt, und dessen Kinder und Enkel auch Agassi-Fans werden. So ein Erbe gibt es bei uns nicht, jede Spieler-Generation muss es sich selbst schaffen."

Bei der aktuellen klappt das ganz gut. Djokovic, Federer, Rafael Nadal und Andy Murray sind mit deutlichem Abstand in der Weltrangliste voraus; die Top Vier werden weltweit erkannt - und sie sind sich einig. "Die Top-Jungs haben alle Macht", glaubt Sampras: "Wenn Nadal, Murray, Djokovic und Federer irgendwo nicht spielen, oder damit drohen, etwas zu tun, wird es auch gemacht."

Zusammen sind die Vier so stark, dass sich tatsächlich etwas verändern könnte. Zu Fall bringen können sie ihre Kampagne nur noch selbst: Wenn sie unglaubwürdig auftreten. Vor diesem Hintergrund war es von Djokovic unklug, zu dem Freundschafts-Kick anzutreten. Ob er sich wirklich anstrengte oder nicht: Die Bilder, die ihn beim Sport zeigen, sind nun in der Welt. Einen ähnlichen Bärendienst hatte zuvor schon Rafael Nadal dem gemeinsamen Anliegen erwiesen, als bekannt wurde, dass er am Samstag in Taiwan zu einem Showkampf gegen David Ferrer antritt. Angeblich überlastete Sportler, die freiwillig Mehrarbeit absolvieren - so recht passen die Bilder nicht zusammen.

© SZ vom 29.09.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Tennis: Wimbledon
:Djokovic mag Gras

Seit 2003 hatten die Sieger in Wimbledon Federer und Nadal geheißen. Nicht so 2011: Novak Djokovic gewinnt überzeugend gegen den Spanier, er setzt damit seinen unglaublichen Lauf in dieser Saison fort. Bei seinem Finalsieg zeigt der Serbe, warum er zurecht die Nummer eins der Welt ist - und erklärt seine Liebe zu Rasen.

London

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: