St. Paulis Johannes Eggestein:Aus dem wird jetzt einer

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Eine Aufstiegshoffnung des FC St. Paul: Stürmer Johannes Eggestein hat sich unter Trainer Fabian Hürzeler enorm entwickelt. (Foto: Roberto Seidel/Lobeca/Imago)

Johannes Eggestein galt mal als deutsche Stürmerhoffnung, erlebte dann aber einige Dürrejahre. Beim FC St. Pauli trifft er wieder - weil Trainer Fabian Hürzeler einen passgenauen Einsatzplan für ihn entwickelt hat.

Von Thomas Hürner, Hamburg

Es heißt häufig, der Fußball schreibe ganz besondere Geschichten. Besonders ist eine Geschichte zum Beispiel, wenn ein Spieler gegen seinen ehemaligen Klub trifft - ausgerechnet Spieler XY, rufen die vom Schicksal ergriffenen TV-Kommentatoren dann gern ins Mikrofon. Auffallend emotional wird es auch, wenn ein Spieler verletzt war und sich mit einem Tor zurückmeldet.

Am Dienstag, beim 2:1-Sieg nach Verlängerung des FC St. Pauli gegen Schalke 04 in der zweiten DFB-Pokalrunde, wurde keine dieser Geschichten geschrieben. Es handelte sich nicht einmal um eine Pokalsensation, denn letztlich setzte sich nur der Zweitliga-Tabellenführer gegen eine im Unterhaus zuletzt kriselnde Schalker Mannschaft durch. St. Paulis Siegtorschütze Johannes Eggestein traf auch nicht gegen seinen Ex-Klub oder nach langer Ausfallzeit, sondern mit einem gänzlich pointenfreien Kopfball nach handelsüblicher Freistoßflanke. Bemerkenswert ist diese Geschichte dennoch: Ausgerechnet Eggestein - wer hätte ihm vor Kurzem noch eine spielentscheidende Einflussnahme zugetraut?

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Eggestein, 25, galt im bedenklich mittelstürmerlosen Deutschland mal als Stürmerhoffnung, von der U15 bis zur U21 wirkte er in allen DFB-Nachwuchsteams mit und schoss immer eine Menge Tore. Aus dem wird mal einer, hieß es regelmäßig, vor allem bei seinem Jugendverein Werder Bremen erwarteten sie sehnsüchtig seinen Durchbruch. Das wäre noch so eine Geschichte gewesen, die angeblich nur der Fußball schreibt: Nicht nur Johannes Eggestein galt in Bremen als spannendes Zukunftsprojekt, auch seinem im Mittelfeld beheimateten Bruder Maximilian wurde Großes zugetraut.

Die Eggesteins sollten in Bremen eine grün-weiße Europapokalära prägen. Dorthin geschafft hat es nur der ältere, Maximilian, allerdings mit dem SC Freiburg. Bei Johannes Eggestein dagegen gab es zwischenzeitlich sogar Zweifel, ob er überhaupt für hochklassigen Fußball taugt: Für einen Tiefenläufer ist er zu langsam, für einen Wandspieler mit einer Größe von 1,83 Metern nicht wuchtig genug. Als dann noch der Instinkt streikte, sank seine Attraktivität für ambitionierte Klubs enorm.

Eggestein wurde jahrelang falsch eingesetzt

Als Eggestein im Sommer 2022 für die verhältnismäßig moderate Ablöse von 600 000 Euro zu St. Pauli ging, waren auch die wohlwollendsten Kiezklubfans skeptisch: Er hatte eine ordentliche Saison in Österreich beim Linzer ASK und eine torlose Spielzeit bei Royal Antwerpen in Belgien hinter sich, nichts also, was größere Erwartungen weckt. Und so ging's auch los: Eggestein spielte bei St. Pauli eine enttäuschende Debütsaison, in 21 Spielen traf er fünf Mal, zur Stammkraft brachte er es nie. In der Rückrunde wurde er oft nicht mal mehr in den Mannschaftskader berufen.

Nicht wenige waren daher überrascht, als der junge Trainer Fabian Hürzeler in der Sommervorbereitung zu einer Erkenntnis kam: Richtig eingesetzt, ist dieser Eggestein so gut, dass die Paulianer keinen neuen Stürmer brauchen - der kam in Person von Simon Zoller trotzdem, aber da hatte der Coach für Eggestein bereits einen passgenauen Einsatzplan entwickelt.

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Hürzeler, 30, lässt einen unkonventionellen Fußball spielen, alles ist darauf ausgelegt, das Pressing des Gegners zu provozieren und in die entstehenden Lücken zu kombinieren. Dafür braucht es geduldige Ballstafetten, kluge Bewegungen zwischen den Ketten - alles Dinge, die ein klassischer Mittelstürmer nicht unbedingt können muss. Eggestein kann das alles trotzdem, er ist ein Hybridfußballer, der lange für einen Strafraumwühler gehalten wurde.

Eine Fehlannahme, wie gegen Schalke mal wieder zu besichtigen war: Da wurde Eggestein zunächst geschont, doch nach seiner Einwechslung zur zweiten Halbzeit war er Teil einer Lieferkette, die den Ball verlässlich in die gefährlichen Zonen beförderte - und er war, wie beim Siegtor, trotzdem immer am Tatort, wenn die Kiezkicker eine Zuspitzung im Angriff brauchten. Das spreche für sein aktuelles Selbstvertrauen, sagte Hürzeler, während St. Paulis Sportchef Andreas Bornemann Eggesteins Arbeitsethos in Dürreperioden betonte.

Von Dürre kann nicht mehr die Rede sein: Eggestein hat in sieben Zweitliga-Spielen fünf Treffer erzielt, dazu kommt eine Vorlage. Nicht genug, um wieder zum deutschen Mittelstürmerversprechen aufzusteigen. Als personifizierte Aufstiegshoffnung auf St. Pauli lebt es sich für ihn gerade aber auch nicht schlecht.

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