Regensburg - Ingolstadt:Die Haut wird dünner

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Einige Spitzen auf der Pressekonferenz: Ingolstadts Trainer Michael Köllner. (Foto: Schaefer/Fotostand/Imago)

Sowohl beim Jahn als auch beim FCI sind die Ambitionen groß - doch nach dem 1:1 sind beide nun seit fünf Spielen sieglos. Die Schanzer verschanzen sich, die Regensburger sprechen zumindest ein paar Probleme direkt an.

Von Christoph Leischwitz

Pressekonferenzen nach Fußballspielen gleichen in ihrem Vokabular oft Diplomatensprache. "Wir wussten, dass wir auf einen starken Gegner treffen", "euch alles Gute für den Rest der Saison", solche Dinge sind oft zu hören. Selbstverständlich darf der Gast auch immer zuerst sprechen. Wenn dann aber der Trainer der Heimmannschaft sein Statement mit einem "Also, ich hab' das Spiel etwas anders gesehen" beginnt, dann rangiert diese Aussage nur noch eine Stufe unter der Einbestellung des Botschafters. Die offiziellen Vertreter saßen am Samstag nach dem Drittliga-Derby zwischen Jahn Regensburg und dem FC Ingolstadt praktischerweise mit im Raum, etwa Präsident Hans Rothammer und Geschäftsführer Achim Beierlorzer für die Gastgeber, und sie dürften auch weitere Spitzen herausgehört haben, etwa jene, als Ingolstadts Trainer Michael Köllner von den vielen "langen Bällen" sprach, die Regensburg geschlagen habe - wo jeder genau weiß, dass Joe Enochs es gar nicht gerne hört, wenn seine Mannschaft als spielerisch limitiert bezeichnet wird.

Nach dem 1:1 (0:1) fiel es beiden Seiten schwer, ihren jeweiligen Ärger über das Remis zu verbergen. Es handelt sich ja auch um zwei bayerische Teams, die mehr oder weniger deutlich kundtun, wie dringend sie den Aufstieg herbeisehnen. Zu den Scharmützeln kam es auch deshalb, weil es beiden gerade schwerfällt, die eigenen Stärken mit Argumenten zu untermauern. Sie sind zurzeit nur marginal vorhanden.

Stellvertretend hierfür die beiden entscheidenden Szenen: Beim 0:1 für Ingolstadt überwand der aus einer Verletzung zurückgekehrte Ingolstädter Bryang Kayo den von einer Verletzung zurückgekehrten Torwart Felix Gebhardt mit einem Schuss aus 20 Metern (37.). Ingolstadts Trainer Köllner fand, der Ball "schlug ein wie ein Blitz", und setzte diesen Schuss in den Kontext einer starken ersten Halbzeit. Er hatte angekündigt, "hoch zu attackieren", in Wahrheit wurden die Schanzer aber meistens weit vom Tor ferngehalten. Der Treffer fiel nur wegen einer schwachen Abwehraktion. Auch die zweite Möglichkeit vor der Pause, ebenfalls für Kayo, war ein Zufallsprodukt (45.+1).

Jahn-Trainer Joe Enochs meint zum 0:1, solch unglückliche Vorlagen "passieren mal"

Später haderte Köllner auch noch mit dem Schicksal: Den starken Kayo habe er zur Pause Gelb-Rot-gefährdet auswechseln müssen, dabei habe der Außenbahnspieler, als zum dritten Mal ein Foul von ihm gepfiffen wurde, gar keine Regelwidrigkeit begangen. Die Vorgeschichte: Nach dem 1:3 zu Hause gegen Viktoria Köln (1:3) war Kapitän Lukas Fröde wegen einer fragwürdigen roten Karte gesperrt worden. Diesmal ließ Köllner aber einfach die Tatsache weg, dass Kayo, lange vor seinem Tor, an Rot statt Gelb buchstäblich vorbeigeschrammt war.

Die zweite Szene: der Traumschuss von Benedikt Saller (77.), ebenfalls aus der Distanz. Vorausgegangen war eine Eckballvariante, mit der die Gastgeber den freien Raum vor dem Sechzehner clever ausgenutzt hatten. Köllner schob das aber allein darauf, dass Maximilian Dittgen kurz davor ausgewechselt worden war und niemand seinen Platz einnahm. Beim Jahn kaschierte dieser präzise Schuss ins Kreuzeck, dass in den meisten anderen Situationen zurzeit die Präzision fehlt: Steilpässe landen im Tor- oder Seitenaus, Torabschlüsse geraten fünf Meter zu hoch. Und während Trainer Joe Enochs zum 0:1 meinte, solch unglückliche Vorlagen "passieren mal", passierte in der 65. Minute gleich noch mal eine: Beinahe hätte Florian Balls dem Schanzer Felix Keidel ein herrliches Volleytor aufgelegt, der verfehlte um Zentimeter (65.).

Weil die Ambitionen bei beiden Vereinen hoch sind und beide nun seit fünf Spielen nicht gewonnen haben, sind jetzt vereinzelte Dünnhäutigkeiten zu beobachten. Köllner verließ die Pressekonferenz etwas überhastet - der Mannschaftsbus befand sich nur zehn Minuten später auch schon auf der A3 Richtung Westen. Jahn-Keeper Gebhardt marschierte nach einer Frage zur Sieglosserie einfach angesäuert aus der Interviewzone - kurz zuvor hatte er einen Stimmungsboykott der Fans wegmoderieren müssen, von dem er fälschlicherweise glaubte, es gäbe ihn wegen der aktuellen Formschwäche. In Wahrheit geht es um ein Hausverbot.

Nun droht Ingolstadt ein noch schlechterer zweistelliger Tabellenplatz als in der schlechten Vorsaison. Die Schanzer verschanzen sich argumentativ ein wenig, während sie in Regensburg zumindest ein paar Probleme direkt ansprechen: "Uns fehlt gerade ein bisschen das Selbstverständnis, Tore zu machen und Chancen herauszuspielen", räumte Konrad Faber ein. Ex-Profi Oliver Hein war mit Jahn Regensburg dreimal aufgestiegen. Am Samstag sagte er bei Magentasport, dass jede Mannschaft in der dritten Liga im Laufe einer Saison eine Krise erlebe, wichtig sei der Umgang damit. Selbsterkenntnis ist ein guter Anfang.

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