SpVgg Unterhaching:Novize mit gut sortiertem Werkzeugkasten

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Mission erfüllt: Der scheidende Haching-Trainer Sandro Wagner nach dem Abpfiff des Relegationsrückspiels gegen Energie Cottbus. (Foto: Ulrich Wagner/Imago)

Die Spieler des Drittligaaufsteigers sind beeindruckt von den Fähigkeiten des scheidenden Trainers Sandro Wagner. Aber auch Nachfolger Marc Unterberger traut die Mannschaft viel zu.

Von Christoph Leischwitz

Zu den letzten Amtshandlungen Sandro Wagners als Trainer der SpVgg Unterhaching gehörten zwei Taten, die möglicherweise auch in 30 oder 40 Jahren noch als Anekdoten aufgegriffen werden. Erstens: Wagner erklärte den verdutzten Polizisten, die beim Aufstiegsspiel gegen Energie Cottbus den Innenraum schützten, dass sie auf keinen Fall in der Coaching-Zone stehen dürften, weil er sich da frei bewegen müsse. Als die Einsatzkräfte ehrfürchtig zurückwichen, erklärte Wagner das auch noch deren Kollegen in der Coaching-Zone des Gegners. Zweitens: Als Hachings Kapitän Josef Welzmüller versuchte, die Aufstiegs-Pressekonferenz mit einem übergroßen Weißbierglas zu stürmen, wies ihn der Trainer scharf zurück: "Ich mag das nicht, das gehört sich nicht." Neben ihm saß Gästetrainer Pele Wollitz. Hier gebe es eben auch traurige Menschen.

Beide Anekdoten mögen wenig mit sportlichen Inhalten zu tun haben, die der junge Trainer Wagner obendrein noch vermittelt hat. Es ist zu hören, dass sein Trainerteam nicht nur gegen Cottbus, sondern schon während der Regionalliga-Saison ganze Listen mit Stärken und Schwächen einzelner gegnerischer Spieler anfertigte. Und dass es zur Spielanalyse gehörte, dass die eigenen Kicker ihren nächsten Gegenspieler per Kurzreferat vorstellten.

Aber mal ehrlich: Ist der deutsche Fußball nicht voll von akribischen Arbeitern und Taktikfüchsen? Das war vermutlich also nicht das Besondere an Sandro Wagner. Sondern eher sein völlig anderer Blick, mit dem er an manche Dinge herantrat, mit dem er eingeschliffene, möglicherweise tradierte Gepflogenheiten der Branche über den Haufen warf "Wenn der nicht irgendwann ganz oben ist, dann weiß ich auch nimmer", sagte Unterhachings Präsident Manfred Schwabl am Tag des Aufstiegs über den scheidenden Trainer, der so "komplett positiv verrückt" sei - "aber bitte dazuschreiben: positiv verrückt". Nicht, dass da was durcheinandergebracht werde. Wagner wiederum sagte neben, ach was, über Schwabl stehend, ihn fest drückend: "Ich bin noch 30, 40 Jahre im Fußball. Dieser Mann hat mir den Weg ins Trainergeschäft geebnet. Da bin ich dir echt dankbar." Zehn Meter weiter schrieb Karim Adeyemi Autogramme, während Tausende Fans auf dem Rasen des Sportparks feiern. In Haching wird sogar ein Dortmunder Nationalspieler wieder zu einem Star zum Anfassen. Vielleicht wird ja Sandro Wagner - als Trainer - einmal das, was Karim Adeyemi als Spieler ist: eine Hachinger Entdeckung.

Wagner habe aus der Mannschaft "eine Familie gemacht", sagt SpVgg-Kapitän Josef Welzmüller

Ein paar Tage später. Josef Welzmüller steckt die Füße in den Sand einer griechischen Insel. Der Aufstieg liegt eine knappe Woche zurück, die nächste Saisonvorbereitung ist nur noch eine gute Woche entfernt. Schnell noch erholen also. Einerseits. Andererseits hat der Hachinger Kapitän sich auch im Urlaub noch einmal die Aufstiegsspiele angesehen und analysiert. Ein bisschen ist das auch ein Sandro-Wagner-Vermächtnis: Diese komplett professionelle Haltung haben die Spieler eben auch intus, nicht nur den Alkohol der Feier auf Mallorca. Sie wussten einfach alles über den Gegner, erzählt Welzmüller jetzt, und sie hatten einen ungezügelten Glauben an sich selbst. Das Wichtigste an Wagner sei gewesen, auch wenn das nach einer Floskel klinge, "dass er aus uns eine Familie gemacht hat". Claus Schromm prägte eine Ära in Haching, ihm sei er auch ewig dankbar, sagt Welzmüller, jedoch: "Sandro ist der beste Trainer, den ich je hatte."

Wagner ist nur 25 Monate älter als er selbst, doch Welzmüller sagt, er könne schon jetzt ein komplettes Buch über die Erlebnisse mit dem jungen Trainer schreiben. Darüber, wie sie die Kabine verschönerten, wie sich die Familie quasi ein eigenes Zuhause zimmerte. Darüber, dass ihnen Wagner vor dem Spiel in Cottbus einen Spiegel hinhielt, im Wortsinn: Auf diesem mussten alle unterschrieben. Und in diesen, sagte er, müssten sie hernach auch alle noch schauen können.

Mag etwas verkopft klingen, Wagner aber wies die Umbauarbeiten an und packte den Spiegel aus, eben weil er wusste, dass dies die richtigen Mittel für genau diese Mannschaft waren. "Er hat einen Riesen-Werkzeugkasten", versichert Welzmüller, es könne daher durchaus sein, dass ein nächster Verein einen ganz anderen Wagner zu sehen bekomme. Kein Schema F aus irgendeinem Kurs also. "Er hinterfragt sich ständig selbst und ist trotzdem immer klar in seinen Ansagen", schwärmt Welzmüller.

Profil geschärft: Auch wenn der neue SpVgg-Coach Marc Unterberger über keine Erfahrung im Profibereich verfügt, genießt er das Vertrauen des Vereins. (Foto: Sven Leifer/Imago/foto2press)

Wohin Sandro Wagner als nächstes geht, ist unklar, wohl auch für ihn selbst. Haching jedenfalls hat durch ihn eine Professionalisierung erfahren, die wohl auf die anstehende Drittliga-Saison nachwirken wird. Veteranen wie Josef Welzmüller (und dessen Bruder Maximilian), Markus Schwabl oder Manuel Stiefler sollen künftig bei taktischen und personellen Entscheidungen einbezogen werden, heißt es, und für Talente wie Maurice Krattenmacher, Boipelo Mashigo oder Ben Westermeier sei diese Liga eine gute Spielwiese, glaubt Klubchef Schwabl. Auch eine zweite Mannschaft hat er nun wieder angemeldet, sie startet in der Landesliga.

Seinem Nachfolger hat Sandro Wagner große Fußstapfen hinterlassen. Marc Unterberger ist 34, also noch ein Jahr jünger als Wagner, er besitzt noch nicht die höchste Trainerlizenz, nur eine Sondergenehmigung, und er hat als Spieler keine Profivergangenheit. Unterberger habe als Nachwuchs-Cheftrainer "unfassbare Arbeit" geleistet, versichert Kapitän Welzmüller. Es gehöre eben auch zum Hachinger Weg, dass die eigenen Leute ihre Chancen bekommen. Auch wenn Spieler wie Niclas Anspach oder Christoph Ehlich den Verein wohl verlassen werden, fehle es dem Kader "an nichts", um die Liga zu halten, glaubt er. Selbstvertrauen und Zusammenhalt seien so groß, dass Welzmüller sich sogar auf eine Zeit freut, wenn sie mal nicht so oft gewinnen wie zuletzt.

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