Fußball:Torreigen im Jubiläumsspiel

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Fürths Spieler feiern in ihren Jubiläumstrikots den Treffer von Tim Lemperle (Mitte) zum 1:0. Der Auftakt zu einem wahren Torreigen. (Foto: Wolfgang Zink/Sportfoto Zink/Imago)

Greuther Fürth besiegt den Karlsruher SC in einem wilden Spiel mit 4:3 - bereits in der ersten Halbzeit hatten die Zuschauer sechs Treffer gesehen. Trainer Zorniger hadert mit seiner Defensive, doch über allem an diesem Tag steht der 120. Geburtstag der SpVgg.

Von Christoph Ruf

Alexander Zorniger hat in seiner Trainerlaufbahn schon vieles gesehen, also natürlich auch jede Menge "High scoring games", wie er das Phänomen nach dem Sieg seiner Fürther gegen den Karlsruher SC nannte. Und zahlreiche Tore hatte es bei diesem 4:3 (3:3) im Jubiläumsspiel ja auch tatsächlich gegeben. Darunter bei den Karlsruher Treffern auch einige, die den Fußballlehrer bei aller Routine dann doch ein paar Nerven gekostet haben - alle drei nämlich, um genau zu sein. Und dabei war es nur ein schwacher Trost, dass Fürth vor allem deshalb trotzdem gewann, weil der KSC bei seinen vier Gegentreffern noch passiver vorging als die Franken.

"So kannst du einfach nicht verteidigen", sagte Zorniger also und erwähnte auch gegenüber der kleinen Medienrunde noch mal die Versäumnisse von Orestis Kiomourtzoglou und Maximilian Dietz, die er bereits während des Spiels in lange Einzelgespräche verwickelt hatte. Umso mehr freute sich der Coach, dass das Offensivspiel der Fürther diesmal nicht nur weit besser anzusehen war als zuletzt und dass es endlich auch Stürmertore zu bestaunen gab. Jede Menge sogar: Eines von Tim Lemperle und gleich zwei von Dickson Abiama.

Die ersten beiden Fürther Treffer gelangen im Duell der beiden "miserably defending teams", wie es möglicherweise im Fußballlehrer-Deutsch heißt, dabei fast ohne Gegenwehr: Beim ersten war Lemperle (5.) sieben Meter vorm Tor völlig frei, beim zweiten an gleicher Stelle Julian Green - Abiama staubte ab (13.). Dazwischen hatte Robin Bormuth nach sieben Minuten für den KSC ausgeglichen. Der Treffer wurde allerdings erst in der zwölften Spielminute gültig gestempelt. So lange brauchten Referee Patrick Ittrich und der Kölner Keller, um zu erkennen, dass Bormuth nicht im Abseits gestanden hatte. Das 2:2 gelang dann Marvin Wanitzek (25.), ehe Lars Stindl sogar die Karlsruher 3:2-Führung schoss - in der vierten Minute der Nachspielzeit im ersten Durchgang. Vorbei war der aber erst in eine Minute später, da hatte Abiama mit seinem zweiten Treffer das 3:3 besorgt (45.+5.).

Der Rest ist schnell erzählt, aber schwer zu begreifen: Fürths Green sah die gelb-rote Karte (55.). Doch anschließend war es die jüngste Zweitligamannschaft Fürth (Durchschnittsalter 24,6) und nicht etwa die älteste aus Karlsruhe (28,1), die dadurch einen Schub bekam und durch Damian Michalski verdientermaßen das 4:3 köpfte (64.).

Sondereintrittskarte zum Spiel gegen den KSC am 120. Geburtstag. (Foto: Wolfgang Zink/Sportfoto Zink/Imago)

Danach musste sein Trainer den Blick weiten, um zu erklären, was man vor allem beim KSC unerklärlich fand. "Wie kann es sein, dass der HSV zwei Spiele verliert? Das ist eigentlich unmöglich", fragte Zorniger also rhetorisch. Und ließ ein Achselzucken folgen: "Ist halt zweite Liga." In der hat Fürth mittlerweile nun doch wieder acht Punkte aus sieben Spielen gesammelt. Es sieht also längst nicht mehr ganz so düster aus wie nach den aufeinanderfolgenden Niederlagen gegen Berlin (0:5) und Hannover (1:3).

Es gibt Sonder-Eintrittskarten, außerdem schauen Dutzende ehemalige Spieler und Trainer an diesem Tag vorbei

Womit der Blick dann auch endlich noch ein bisschen weiter aufs Große und Ganze gerichtet werden kann. Denn es war ja nicht irgendein Spiel, das der Tabellenführer der "ewigen Zweitligatabelle" da zu einem guten Ende gebracht hatte - sondern ein vielfältig zelebriertes "Jubiläumsspiel", exakt 120 Jahre nach Vereinsgründung. Das begingen die Fürther Ultras mit einer hübschen Choreographie, in der einmal mehr die Rückkehr zum tradierten Vereinsnamen "Spielvereinigung" gefordert wurde. Die Spieler liefen in eigens kreierten historisch anmutenden Trikots auf, es gab Sonder-Eintrittskarten. Dutzende ehemalige Spieler und Trainer wie der im Landkreis Fürth wohnende Frank Kramer haben natürlich auch vorbeigeschaut. Bernd Nehrig und der in Fürth aufgewachsene Edgar Prib natürlich sowieso, Nehrig, neuerdings Sportdirektor bei Viktoria Berlin hat dafür sogar einen 2:1-Sieg seines Arbeitgebers in Jena geschwänzt.

Als die beiden kurz vorm Anpfiff ans Mikrofon gingen und aufrichtig gerührt vom gemeinsam erreichten Bundesliga-Aufstieg 2012 berichteten, da schauten sehr viele Zuschauer sehr andächtig drein. So ist es eben bei Traditionsvereinen. Es gibt definitiv Wichtigeres als das jeweils letzte Ergebnis. Aber das, was die Jahre überdauert, feiert man nach einem 4:3-Sieg dann doch noch ein wenig lieber.

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