Fifa-Affäre:Ermittlungen gegen den Chefermittler

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  • Michael Lauber steht im Verdacht, rund um die Ermittlungen gegen den Fußball-Weltverband Amtspflichten verletzt zu haben.
  • Nun wird in der Schweiz ein Verfahren gegen den Chefermittler eröffnet.
  • Lauber findet: Dies sei eine "Anmaßung".

Von Thomas Kistner, München/Bern

Die dürre Amtsnotiz verriet wenig über die Brisanz des Falles: "Disziplinaruntersuchung betreffend Bundesanwalt Michael Lauber", teilte die Aufsichtsbehörde der Schweizer Bundesanwaltschaft (AB-BA) am Freitag mit; eine "externe Fachperson" solle sich der Sache nun annehmen. Lauber, der Berner Chefankläger, steht im Verdacht, rund um die Ermittlungen gegen den Fußball-Weltverband (Fifa) Amtspflichten verletzt zu haben. Mindestens dreimal hatte er sich mit Fifa-Boss Gianni Infantino getroffen, die Treffen aber nie dokumentiert. Das dritte Meeting will er gar komplett vergessen haben, betonte er am Freitag erneut vor der kurzfristig geladenen Presse. Die wurde Zeuge einer immer größeren Justizaffäre, in der nun gegen einen ohnehin angeschlagenen Chefermittler ermittelt wird. Lauber nutzte seine Redezeit, um einen Frontalangriff gegen die eigenen Kontrolleure zu lancieren: Die Verfahrenseröffnung sei eine "Anmaßung", sie ziele darauf ab, seine anstehende Wiederkandidatur für das Spitzenamt der Berner Strafbehörde (BA) zu sabotieren.

Substanziell trug Lauber indes so wenig Erhellendes vor, dass ihn Beobachter wie der Basler Strafrechtsprofessor Mark Pieth immer tiefer in der Bredouille sehen: "Lauber greift mit gehöriger Arroganz öffentlich die eigene Aufsicht an in einem laufenden Verfahren, das ist höchst problematisch!" Es wirkt zumindest immer befremdlicher, wie Lauber in der Affäre agiert. Im Herbst 2018 musste er zwei nicht protokollierte Treffen mit Infantino einräumen: Anlass seien Arbeitsgespräche gewesen, "zur Beschleunigung" der von der BA geführten Fifa-Verfahren. Derlei Treffen seien erlaubt, insistierte Lauber am Freitag. Aber das ist gar nicht das Thema. Es geht darum, dass die Treffen nicht von der BA, sondern von der Fifa angeleiert wurden. Und vor allem, dass sie nie protokolliert wurden. "Laut Gesetz müssen sie dokumentiert werden und in der Behörde stattfinden, nicht in der Kneipe", sagt Pieth.

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Überdies können formlose Unterredungen in Edellokalen die Rechte anderer Verfahrensbeteiligter verletzen. Fünf Betroffene haben daher schon Befangenheitsanträge gegen die BA gestellt. Und was die Beschleunigung der Verfahren betrifft: Bis heute schiebt Laubers Behörde zwei Dutzend Fifa-Komplexe vor sich her, die sie 2015 mit Paukenschlag eröffnet hatte. Einigen, wie der Sommermärchen-Affäre um die WM 2006, droht die Verjährung.

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Dass Lauber über die stillen Dates mit dem Fifa-Patron stolpern könnte, stand seit Ruchbarwerden eines dritten Meetings im Juni 2017 zu erwarten. An dieses können sich heute alle vier Teilnehmer - der Fußballboss und drei hohe Amtsträger der Schweizer Justiz - partout nicht erinnern. Ein kollektiver Blackout? Lauber verwahrte sich am Freitag gegen die "implizite" Unterstellung, dass er lüge. Wenn die Erinnerung weg sei, sei sie halt weg.

Auch sonst bot der BA-Chef kaum Überzeugendes. Wiederholt fragte er in die Presserunde, warum er das dritte Treffen verschweigen sollte, wenn er zwei schon eingeräumt habe? Derart originelle Fragen gehören vermutlich eher nicht zum Standard der modernen Motivforschung. Lauber sprach von einer "institutionellen Krise", die nun in Bern herbeigeredet werde: durch die Medien, auch durch andere Juristen - und durch das Aufsichtsorgan AB-BA. Wie gering der Chefermittler seinen Anteil an der Krise sieht, zeigt sich auch daran, dass seine BA mit Blick auf unabhängige Ermittlungstätigkeiten bereits vorbelastet ist. Soeben gab das Bundesstrafgericht einem anderen Begehr statt: Der BA-Verfahrensleiter in einer Korruptionsaffäre (um die Tochter des früheren usbekischen Staatschefs) musste abgezogen werden. Auch in dieser Sache hatte es ein diskretes, mit nur wenigen Zeilen protokolliertes Treffen des Leiters und eines BA-Trosses um Lauber gegeben; mit Staatsanwälten in Taschkent.

Der Bundesanwalt wird also zum Untersuchungsfall, die Fifa-Affäre geht erst richtig los. Das provoziert auch wesentliche Fragen zur Rolle Infantinos. Der war es ja, der von einem Schulfreund, dem Walliser Oberstaatsanwalt Rinaldo Arnold, all die Treffen mit Lauber einfädeln ließ. Lag Infantino so viel daran, Laubers Arbeit zu erleichtern - oder hatte der im Februar 2016 installierte Fifa-Boss andere Gründe, mit dem Behördenchef zu plaudern? Das erste Treff fand kurz nach Infantinos Inthronisierung statt, das nächste vier Wochen später.

Zwischendurch eröffnete Laubers BA ein Strafverfahren auf Basis eines verdächtigen TV-Vertrags der Europa-Union Uefa - unterzeichnet hatte ihn der damals zuständige Uefa-Direktor Gianni Infantino. Zwar lief dieses Verfahren gegen "Unbekannt", trotzdem fand hier ein Stelldichein mit einem potenziell Beschuldigten statt. Auch beim dritten Date 2017 war die TV-Causa noch nicht eingestellt.

Den Verdacht bei kundigen Beobachtern, Infantino stünde über dem Recht, nährt auch eine justizinterne Ermittlung gegen dessen Freund Arnold. Zwar war es der zuständige Sonderermittler, Damian Graf, der eine verräterische SMS fand, die das dritte Berner Date hochgehen ließ.

Doch im April stellte Graf die Korruptionsrecherche ein. Dass Arnold ohne Zuständigkeit die Treffen mit der BA arrangierte, dabei selbst zugegen war und einmal sogar die BA bedrängte, eine Mitteilung pro Infantinos zu publizieren, beurteilte Graf als private Dienste. Wie auch all die netten Gaben in einem fünfstelligen Wert, die Infantino an Arnold ausreichte, oder das Vorhaben der Fifa, Arnold einen mit 75 000 Franken im Jahr dotierten Nebenjob in einem Fifa-Rechtskomitee zuzuschanzen. Lauber könnte indes auch deshalb bald noch größeres Ungemach drohen: "Wenn die Beziehung zwischen Arnold und Infantino stets nur ganz privat war, nahm also eine Privatperson an den Treffen teil", folgert Rechtsexperte Pieth. "Das sähe nach einer Verletzung des Amtsgeheimnisses durch Lauber aus."

© SZ vom 11.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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