Sparzwang bei 1860 München:Auf dem Rücken der kleinen Angestellten

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Seine Finanznöte möchte der TSV 1860 München mit fragwürdigen Personalentscheidungen lösen. Der Verein knausert jedoch am falschen Ende, entlässt wegen des Sparzwangs auch eine erfahrene Mitarbeiterin der Pressestelle - und holt sich gleichzeitig einen Medienberater ins Haus.

Gerald Kleffmann und Philipp Schneider

Es gab mal eine Zeit, da hat 1860 München fast jede Personalie nach außen kommuniziert. Einfach deshalb, weil jede Nachricht auch ein wenig Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit erzeugte, und Fußballvereine leben ja von Öffentlichkeit. In den vergangenen Monaten allerdings versiegte der Drang nach Transparenz.

Die Lage in der Löwen-Geschäftsstelle ist unentspannt. (Foto: Andreas Gebert/dpa)

Jedenfalls wirkte es so, dass neue Zuarbeiter, die auftauchten, schon mal klammheimlich bei den Löwen eingeschleust wurden. So war das etwa im Fall Matthias Imhof. Der frühere Sechziger-Profi stieß im Frühjahr 2011 stillschweigend zum Team, das sich um die immerhin bedeutsame Nachwuchsausbildung kümmert; Imhof ist noch angestellt.

Irritierend war diese Personalie allemal. 1860-Geschäftsführer Robert Schäfer hatte nur Wochen zuvor den langjährigen Pressesprecher und Teammanager Robert Hettich entlassen mit der Begründung, der TSV müsse bei der Sanierung Opfer bringen. Für Imhof - dieser fade Beigeschmack blieb hängen - war plötzlich Geld vorhanden. Erstaunlich, hatte sich doch die finanzielle Lage bei 1860 keineswegs entspannt. Hettich, der sich am Ende in zwei Funktionen für 1860 aufgerieben hatte, wurde einfach Opfer von Machtspielen. Und auch jetzt tauchen Widersprüche auf, die Fragen zum Kurs der Geschäftsführung der Giesinger Fußballfirma aufwerfen.

Wie Quellen bestätigen, ist unter den Mitarbeitern, die in einer neuen Welle entlassen werden, Claudia Leupold, seit fast 15 Jahren auf der Pressestelle aktiv, zunächst als Pressesprecherin, zuletzt halbtags im Einsatz. Gleichzeitig wurde ein externer Mitarbeiter zuletzt angeheuert, der in der Pressestelle, wo die Mutter von zwei Kindern aufgrund angeblichen Sparzwangs weichen muss, Dienste verrichtete. Der Medienspezialist habe in beratender Funktion Einfluss auf die Öffentlichkeitsarbeit genommen und Mitarbeiter weitergebildet, sagt Schäfer. Also hat Schäfer wohl ebenfalls von dessen Know-how profitiert. Schäfer hatte jüngst sein Medienverhalten überdacht und mitgeteilt, bevorzugt über Mitteilungen mit der Presse zu kommunizieren.

Mit Abmahnung gedroht

Vorvergangene Woche erschien wie zum Beweis eine einseitige Pressemitteilung Schäfers mit der Überschrift "Zukunftsfest". In Schäfers Mitteilung, die wohl Transparenz ausstrahlen sollte, wurde unter anderem versteckt auch auf einen Personalabbau hingewiesen. Wie der Berater heißt und auf welcher Basis er wie lange seine Arbeit verrichtet, wurde bislang nicht von Schäfer oder vom Klub kommuniziert. Offenbar handelt es sich um einen internen Vorgang, der intern bleiben soll - so der Eindruck.

In der Außendarstellung könnte diese Entscheidung, jemanden in der Pressestelle zu entlassen und dann jemanden dazuzuholen, egal auf welcher Basis, eine schlechte Wirkung haben - befürchten Leute, die sich bei 1860 auskennen. Die Löwen dürften nicht ihre Finanzmisere auf dem Rücken der kleinen Angestellten austragen. Geschäftsführer Schäfer selbst hatte vergangenes Wochenende über die Entlassungskandidaten gesagt: "Es sind keine Personen, die hier mit Millionen rausgegangen sind. Es sind die kleinen Leute." Unter anderem soll auch zwei Platzwarten gekündigt worden sein. Unterm Strich spart sich 1860 also keine großen Beträge. Und letztlich tauchen wieder Zweifel auf, ob die Entlassungen wirklich nur auf den Sanierungsdruck zurückzuführen sind.

Wie immer bei 1860 sind die Hintergründe verwinkelt. Schon bei Hettichs Entlassung war das so. Er galt als Maurer-Vertrauter und somit als Miki-Stevic-kritisch. Mit dem früheren Sportchef konnte Schäfer bestens. Und wie Stevic ließ der Geschäftsführer seinerzeit kaum ein gutes Haar an Maurer. Wie Hettich ist Leupold wohl auch ins Spannungsfeld gewisser Interessen geraten.

Sie stand wohl trotz untadliger Dienste auf einer Art Abschussliste. Schon bei der letzten Kündigungsphase im Winter 2010/2011 sollte sie gehen. Sie durfte vorerst bleiben; Hettichs Rauswurf hatte schon viel negativen Wirbel verursacht. Als sie später dem entlassenen Hettich eine Eintrittskarte für ein 1860-Spiel zukommen ließ, wollte sie Schäfer - das berichten Dritte - abmahnen. Dies soll intern verhindert worden sein.

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Auf diesem Niveau geht es hinter den Kulissen zu beim Zweitligisten. Ob der FC Bayern so mit langjährigen Mitarbeitern umgehen würde? Sicher nicht. Allerdings: Es muss ja Gründe geben, dass bei Sechzig nach wie vor vieles wie in der Endlosschleife wirkt, der TSV finanziell nicht gut dasteht und um innere Stabilität ringt.

1860-Geschäftsführer Robert Schäfer (rechts) sorgt mit fragwürdigen Personalentscheidungen für Unruhe im Verein. (Foto: dpa)

Fragwürdig ist überhaupt, inwieweit die Kündigungen der Mitarbeiter dem Verein finanziell ad hoc helfen. Aufgrund der langen Betriebszugehörigkeiten dürften die Kündigungsfristen viele Monate betragen. Eine weitere Angestellte, die gehen muss, hat bald 14 Jahre bei 1860 verbracht, auch die Platzwarte sind lange bei 1860 im Dienst. In dieser Saison dürften die Mitarbeiter - außer man einigt sich sofort - nicht von der Gehaltsliste verschwinden.

Wie viel Abfindung 1860 dieses Thema kostet, ist auch unklar. Der Effekt könnte vorerst eher ein Showeffekt sein, zumal im Etat der klammen Löwen die Einsparungen, um die es nun geht, selbst für Fußball-Verhältnisse marginal sind. In den letzten eineinhalb Jahren wurden an anderen Stellen ganz andere Summen verpulvert oder hergeschenkt - sagt jemand im Verein.

Wie es weitergeht? Noch ist dazu natürlich nichts bekannt. Es gibt Gerüchte. So soll sich die Vermarktungsagentur des Löwen-Investors verstärkt um dieses Thema kümmern. Sollte es so weit kommen, würde 1860 wieder ein Stück Eigenverantwortlichkeit verlieren.

© SZ vom 29.02.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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