Zwei dunkel gekleidete Gestalten schlichen kurz vor Spielbeginn über den Stadionparkplatz. Die eine mit Regenschirm, die andere ohne. Joachim Löw blieb trocken, Hansi Flick wurde nass. Die Bundestrainer waren gekommen, um sich Spanien gegen Irland anzuschauen. Eine Geschichte des Spiels war gewiss, dass die Spanier in überlegener Manier 4:0 gewannen. Eine andere war, dass dabei Regen vom Himmel fiel.
Die Spanier hatten sich nach ihrem ersten Gruppenspiel mit Nachdruck ein besser gewässertes Spielfeld gewünscht. Und nachdem sie damit bei den Rasenpflegern der Uefa auf Granit gestoßen waren, hatten sie offenbar ganz oben beim Wettergott, einem guten Bekannten des Fußballgottes, eine Petition eingereicht. Und siehe da: Am Donnerstagabend war der Rasen in Danzig mindestens so nass wie der Zuschauer Hansi Flick. So weit gereicht der spanische Einfluss im Weltfußball inzwischen.
Der Welt- und Europameister kam auf diesem Geläuf und mit diesem Gegner deutlich besser zurecht, als zuletzt beim 1:1 zum Auftakt gegen Italien - wenn man mal davon absieht, dass Andres Iniesta gleich bei seiner ersten Drehung ausrutsche. Bleibt die Frage, weshalb das deutsche Trainergespann bei diesem Schmuddelwetter überhaupt noch einmal vor die Tür gegangen war, anstatt sich im nahe gelegenen DFB-Teamhotel ins Kaminzimmer zu setzen? Etwa, um sich beim irischen Trainer Trapattoni fortzubilden, den Löw ("Trainer sein nicht ein Idiot!") neuerdings wie einen Evangelisten zitierte? Oder etwa doch, um bei den Spaniern den sogenannte "falschen Neuner" zu studieren?
Falls das der Anlass gewesen sein sollte, reisten Löw und Flick allerdings vergeblich an: Nach tagelangen Debatten über die Vor- und Nachteile von echten Mittelstürmern und ihren Imitaten entschied sich Spaniens Trainer Vicente del Bosque diesmal für Fernando Torres: einen authentischen, aber zuletzt eher glückloser Original-Neuner.
Auch dieses Mal musste Torres wieder auf sein Glück warten. Allerdings nur für drei Minuten. So lange dauerte es, bis der Ball zum ersten Mal in seine Nähe kam. Torres nutzte die Gelegenheit, um ein vierköpfiges irischen Abwehrknäuel zum umkurven und den Ball schmucklos ins Tor zu hämmern. Die spannende Debatte über die Nützlichkeit von klassischen Sturmspitzen dürfte damit einstweilen beendet sein. Nun konnten sich Löw und Flick also ohne schlechtes Gewissen auf Trapattoni und seine Elf konzentrieren.
Rein optisch lag das ohnehin nahe. Die Iren spielten in Kleidern, die dem DFB-Auswärtsdress zum Verwechseln ähnlich sahen. Die erste gewinnbringende Erkenntnis für die DFB-Besucher lautete also: Grün-Weiß schreckt Torres, Xavi und Iniesta nicht ab. Das könnte im Laufe des Turniers noch wichtig werden.
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Auch sonst bot Trapattonis Team interessante taktische Einblicke. Etwa den, dass ein sogenannter vereinsamter Neuner, der sich wie Irlands Robbie Keane (Nummer zehn) über weite Strecke vorne ausruht, gegen Spanien nicht wirklich weiterhilft. Hinten hatte Trapattoni derweil eine Viererkette aufgeboten, die von einer zweiten Viererkette abgesichert wurde. Zwischen der dritten und der 49. Minuten funktionierte das sogar erstaunlich gut.
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Die Welt- und Europameister aus Spanien spielten zwar irgendwie nur mit sich selbst Fußball, blieben aber immer wieder in dem engmaschigen irischen Abwehrnetz hängen. In der 49. Minute schenke dann David Silva der Partie einen annähernd angemessenen Spielstand. Zunächst führte er auf dem schmalen (aber gut gewässerten) Rasenstück zwischen den beiden gegnerischen Viererketten ein hübsches Tänzchen auf, dann schob er den Ball an drei Iren vorbei in die Maschen, 2:0.
Abgesehen von einigen dieser seltenen Kabinettsstückchen boten die Spanier wahrlich kein berauschendes Fußballfest, es genügte aber allemal, um die chancenlosen Iren nach und nach aus dem Turnier zu schießen. Nach 70. Minuten war wieder Torres dran, der nach einem öffnenden Diagonalpass von Silva alleine auf das Tor von Shay Given zusteuerte und mühelos zum 3:0 vollende.
An dieser Stelle wurde es dann sogar Vicente del Bosque zu fad. Er nahm den echten Neuner Torres vom Feld und brachte Cesc Fabregas, den falschen Neuner vom ersten Spiel. Jetzt wurde es für die Taktik-Studenten Löw und Flick doch noch einmal interessant. Fabregas war keine zehn Minuten im Spiel, da hämmerte er den Ball zum 4:0 in die Maschen.
"Die ganze Mannschaft hat heute funktioniert, wir haben super zusammengespielt - da war es leicht, zwei Tore zu schießen," zeigte sich Torres nach dem Spiel erleichtert. "Was Spanien spielt, ist unfassbar gut. Es lief heute genauso wie gegen Kroatien, aber wir haben alles versucht. Es waren einfach dumme Gegentore - dass wir draußen sind, ist auch nicht erstaunlich in der Gruppe," sagte Irlands Abwehrmann Keith Andrews.
Den Spanier haben damit im letzten Gruppenspiel gegen Kroatien beste Chancen, sich für das Viertelfinale zu qualifizieren. Die irische Mannschaft ist nach zwei Spiel sicher ausgeschieden. Ihren Anhängern, die im Danziger Stadion eindeutig in der Überzahl waren, schien das so wenig auszumachen wie das Regenwetter. Mit den wundersamsten Abschiedsliedern klang er aus, dieser einseitige und doch irgendwie ganz lehrreiche Fußballabend.