Ski Alpin:Ganz nah dran an Mikaela Shiffrin

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"Ich versuch alles, was ich die letzten Jahre im Weltcup gelernt habe, positiv zu verpacken": Lena Dürr wird in Flachau Dritte hinter Petra Vlhova und Mikaela Shiffrin. (Foto: Daniel Goetzhaber/Gepa/Imago)

Beim Nachtslalom in Flachau zeigt das deutsche Team deutlich wie lange nicht, wozu es fähig ist. Der drittplatzierten Lena Dürr verdirbt wohl nur ein "Hakler" den ganz großen Erfolg.

Von Korbinian Eisenberger, Flachau

Nicht wenige Athleten sind in solchen Momenten angespannt, es ist ihnen kaum zu verdenken. Zwischen Durchgang eins und zwei kann die Konzentration abhandenkommen. Ablenkungen sind da eher unerwünscht. Insofern war es schon auffällig, wie gelassen sich die Skirennläuferin Lena Dürr im Zielraum von Flachau durchs Getümmel bewegte. Hier ein Ratsch, dort ein Spruch, Ablenkung offenbar ausdrücklich erwünscht. Ein Grinsen hatte sie im Gesicht, als stünde sie bereits auf dem Stockerl. Aber das geschah erst am späteren Abend.

Der Nachtslalom von Flachau im Salzburger Land könnte die bundesweiten Beobachter dieser Disziplin noch länger beschäftigen. Klar war es die Nacht der Siegerin Petra Vlhova, die Mikaela Shiffrin bezwang. Es war aber auch und nicht zuletzt eine Nacht der deutschen Frauen, die wie lange nicht demonstrierten, wozu dieses Team in der technischsten aller Disziplinen offenbar fähig ist.

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In Zahlen las es sich am Ende so: Deutschlands beste und erfahrenste Skifahrerin Dürr landete hinter Vlhova und Shiffrin auf Rang drei. Für die Frau vom SV Germering war es ein inzwischen fast schon standesgemäßes Ergebnis, nach zuletzt verlässlichen Platzierungen in den vorderen Regionen. Dürrs Teamkolleginnen indes waren in dieser Zeit zwar unter den ersten 30 zu finden, nie aber sonderlich weit oben. Weder die 19-jährige Emma Aicher (SC Mahlstetten) noch Jessica Hilzinger (SC Oberstdorf) oder Andrea Filser (SV Wildsteig). Bisher zumindest.

Nachdem alle vier deutschen Fahrerinnen Durchgang zwei erreicht hatten, machte sich bereits zur Slalom-Halbzeit ein Freudestrahlen unter den gelb gewandeten Mitgliedern der DSV-Delegation breit. Sportchef Wolfgang Maier nahm die Athletinnen kurz in den Arm. Im Sinne von: Gut gemacht, genau so weitermachen. Doch genau so wie in Durchgang eins machten sie nicht alle wirklich weiter.

Dürr hat trotz schwieriger Jahre weitergemacht und zählt nun zu den Besten ihres Fachs

Filser ließ nach, sie schied - als 20. des ersten Laufs - nach einem Fahrfehler in Durchgang zwei aus. Ihre drei Teamkolleginnen legten indes zu. Aicher fuhr von Rang 15 auf neun, Hilzinger von zwölf auf acht. Beide hatten bereits das jeweils beste Weltcup-Ergebnis ihrer Karriere sicher, ehe schließlich Dürr als Viertletzte an den Start ging, dank eines fehlerfreien Laufs aufs Podium raste - und anschließend manches davon zu erklären wusste.

Die 31-Jährige war nicht immer als Spitzenfahrerin geführt, sie hat viele "zache" Jahre hinter sich, daran erinnerte sie am späten Abend in Flachau. Zach, Bairisch für zäh, was eventuell auch auf sie selbst zutrifft. Sie hat - trotz dieser Jahre - weitergemacht, nicht aufgegeben und zählt nun zu den Besten ihres Fachs. "Ich versuch alles, was ich die letzten Jahre im Weltcup gelernt habe, positiv zu verpacken", erklärte Dürr.

Der Skisport ist in vielerlei Hinsicht eine Einzeldisziplin. Die Momente oben im Starthäuschen muss jede und jeder ganz alleine mit sich ausmachen, so wie jeden Schwung um jede noch so eckig gesteckte Stange. Und doch, bei all der Eigenverantwortung, passiert nicht wenig fernab der Rennspuren. Etwa im Zielraum, wo gut zu sehen ist, ob die Mitglieder eines Teams lediglich die gleiche Kluft tragen - oder eben Arm in Arm nebeneinanderstehen und ihre Kollegin anfeuern. So wie das die Frauen in den weiß-schwarz-gestreiften Rennanzügen praktizierten.

Bei all dem bleiben Athleten im Skisport auch immer Konkurrenten, um die verträgliche Mischung geht es. "Wir versuchen, uns gegenseitig im Training zu pushen und anzustacheln", erklärte Dürr. "Sodass man schon im Training den Wettkampf sieht und nicht sagt, okay, es ist nur ein Training."

Cheftrainer Puelacher führt "die Gruppendynamik im Team" als Erklärung an

Die Suche nach einer Erklärung für die ungeahnte Stärke des jungen deutschen Slalomteams führt nicht zuletzt zu Andreas Puelacher, seit dieser Saison Cheftrainer der DSV-Frauen. "Wer hätte das gedacht?", hatte Puelacher Stunden vor dem Rennen am Dienstagnachmittag gesagt und seine eigene Überraschung kundgetan. Da wusste er noch gar nicht, was am Abend folgen sollte. Er führte ähnlich wie später Dürr "die Gruppendynamik im Team" als zentrale Säule für den bisherigen Saisonverlauf an. Schließlich bewies der 58-Jährige ungeahnte Talente in der Disziplin Hellseherei.

"Wenn es normal läuft, sind wir mit vier Läuferinnen im zweiten Durchgang", prognostizierte Puelacher, ehe er eine Analyse seiner Topathletin vornahm: Lena Dürr sei "von ihren skitechnischen Fähigkeiten von allen Slalomfahrerinnen am nächsten dran an Shiffrin". Der entscheidende Unterschied: Dürr habe eine Affinität für "Hakler" - baue also in ihren Rennläufen immer mal wieder einen Fehler ein. Genauso kam es in Lauf eins: Dürr, auf Kurs Bestzeit und schneller als Shiffrin, ließ sich kurz vor dem Ziel von der letzten aller relevanten Wellen auf der Hermann-Maier-Piste aushebeln. Ein klassischer "Hakler" also. Der brachte ihr eine vermeidbare Sekunde auf der Stoppuhr ein - und kostete sie angesichts ihres fehlerfreien zweiten Laufs wohl den Sieg.

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