Ski alpin:Dreßen macht einen "riesigen Schritt"

Lesezeit: 3 min

Thomas Dreßen hört mit 30 Jahren auf. (Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

Nach seinem Einsatz als Vorläufer auf der Kandahar ist der deutsche Skirennfahrer hochzufrieden. Sein Comeback-Projekt für die WM scheint rechtzeitig zur Blüte zu reifen.

Von Johannes Knuth, Garmisch-Partenkirchen/München

Thomas Dreßen wusste schon: Das wird wieder Ärger geben. Aber er musste es so formulieren, es half ja nichts: "Es arbeitet", sagte der 27-Jährige am Freitag, als er im Zielraum der Kandahar-Abfahrt stand, die er gerade als Vorläufer hinuntergesaust war, und nun über seine körperlichen Problemstellen sprach. Zur Erklärung ein kurzer Exkurs ins Private: "Ich krieg immer g'schimpft von der Freundin, wenn ich das sag': Es arbeitet", enthüllte Dreßen, hörbar amüsiert. Seine Partnerin halte ihm dann vor: "Sag halt, dass es wehtut!" Aber das, stellte Dreßen klar, stimme nun mal nicht: "Wehtun ist was anderes!" Ach ja?

Was ist der alpine Weltcup in diesem Winter wieder von langfristigen Krankmeldungen erschüttert worden. In Auszügen: Aleksander Aamodt Kilde, der Gesamtsieger des Vorjahres aus Norwegen, dessen Teamkollegen Lucas Braathen und Atle Lie McGrath, die Amerikaner Tommy Ford und Ryan Cochran-Siegle, Sofia Goggia und Nicol Delago aus Italien, der Schweizer Urs Kryenbühl nach seinem heftigen Crash in Kitzbühel, die Österreicherinnen Nicole Schmidhofer, Nina Ortlieb, Cornelia Hütter und Bernadette Schild. Am Freitag, in Garmisch-Partenkirchen, verlor Dreßens Teamkollege Josef Ferstl vor dem Seilbahnsprung die Kontrolle, er flog hoch, landete hart - ein Muskelbündelriss, ein angebrochenes Sprunggelenk, auch der 32-Jährige wird die WM und den Rest der Saison verpassen.

Abfahrt in Garmisch
:WM-Aus für Josef Ferstl

Der deutsche Skifahrer stürzt heftig auf der Kandahar - und muss verletzt auf die WM verzichten. Der Sieg geht an den Italiener Dominik Paris.

So sehr hat man sich fast schon an die Kühle gewöhnt, mit der es die Läufer in diesen Tagen aus dem Rennalltag reißt, dass ein Comeback-Projekt wie jenes von Dreßen herausragt. Beim erfolgreichsten Mitarbeiter im Alpin-Ressort des Deutschen Skiverbands (DSV) tut es nicht mehr weh, es arbeitet nur noch, weshalb es immer besser steht um seine Teilhabe in der kommenden Woche bei der WM in Cortina d'Ampezzo. Es wäre sein erster Renneinsatz in diesem Winter, und das wäre wahrhaftig eine beachtliche Geschichte.

Vor dem Heim-Weltcup steckten ihm nur sechs Tage auf Schnee in den Beinen

Dreßen war erst im vergangenen November aus dem Trainingslager in Copper Mountain/USA abgereist, vorzeitig - die Schmerzen in der Hüfte, die ihn seit Langem plagten, waren zu gewaltig. Eine Operation rückte den Oberschenkelknochen zurecht, ein Gelenkkörper würde aber vielleicht noch einen zweiten Eingriff erfordern. Fahrer und Ärzte beschlossen dann, erst mal ohne zweite Operation in die Reha aufzubrechen. Die Ziele für den aktuellen Winter hatte Dreßen da längst weit von sich geschoben. Seine Hüfte solle endlich "g'scheit heilen", sagte er zuletzt, "da zählt für mich das Langfristige mehr", die Winterspiele im kommenden Jahr etwa. Dreßen kennt sich mit langfristigen Reha-Plänen mittlerweile besser aus, als es ihm lieb ist, 2018 in Beaver Creek gerieten Kreuzband, Meniskus, Knorpel und Schulter schwer in Mitleidenschaft. Allzu viele dieser Totalschäden kann er sich nicht mehr leisten.

Aber nun, je länger die neuerliche Reha anhielt, desto reifer wurden die Gedanken an die WM. Vor drei Wochen meldete er schon wieder hervorragende Konditionswerte, kurz darauf kehrte er auf die Skipiste zurück. Als er nun nach Garmisch-Partenkirchen anreiste, steckten ihm sechs Trainingstage auf Schnee in den Beinen, lächerlich wenig. Aber Romed Baumann, sein erfahrener Teamkollege, wusste schon: "Der braucht noch zwei, drei gute Tage, dann ist er wieder voll da." Nach dem ersten Stresstest, im Abfahrtstraining am Donnerstag, bemängelte Dreßen noch fehlendes Selbstvertrauen, drei Sekunden lag er hinter den Besten, am Freitag attestierte er sich schon einen "riesigen Schritt" nach vorn. Er war nur als Vorläufer angetreten, weil er sich einen Auftritt bei voller Schubkraft noch nicht zugetraut hatte auf der Kandahar, die die Helfer trotz der Wärme wieder in einen beachtlich herausfordernden Zustand präpariert hatten. Und doch sonnte sich Dreßen später in seiner Zufriedenheit: "Da war eine ganz andere Selbstverständlichkeit dabei", sagte er. Seine - inoffizielle - Fahrzeit hätte wohl für den Einlass unter die besten 20 gereicht, nur etwas mehr als eine halbe Sekunde hinter Dominik Schwaiger auf Rang zwölf, dem besten DSV-Akteur am Freitag.

Den Super-G bei der WM wird er wohl nicht bestreiten

"Er ist unsere Nummer eins", sagte Andreas Sander, am Freitag 24., nüchtern, "wir können alle nur von ihm lernen." So bravourös sich Sander und die Kollegen zuletzt geschlagen hatten: Dreßen fährt (noch) in einer anderen Gewichtsklasse. Er stand im Weltcup zehn Mal auf dem Podium, fünf Mal ganz oben; wenn er sich wehrhaft fühlt, kommt er für den Sieg infrage, ganz einfach. Wie Dominik Paris, Beat Feuz und Matthias Mayer, die am Freitag in Garmisch das Podium besetzten. Den Super-G am Samstag wird Dreßen noch auslassen, da gibt es kein Training vorab, nur einen Vollgas-Versuch. Und wenn nicht noch etwas Außergewöhnliches passiert, wird Dreßen dem Vernehmen nach auch den Super-G bei der WM am kommenden Dienstag nicht bestreiten.

Doch der weitere Fahrplan ist klar abgesteckt: Von Mittwoch bis Freitag sind drei Abfahrtstrainings in Cortina angesetzt - "wenn mindestens zwei davon stattfinden, glaube ich schon, dass ich ein gutes Gefühl aufbauen kann", sagte Dreßen. Dann sei es sein Ziel, einen der vier deutschen Startplätze zu ergattern: "Bei mir ist das Selbstvertrauen einfach entscheidend. Wenn das da ist, ergeben sich viele Sachen von selber." Wie im November 2019 in Lake Louise, Dreßens Comeback nach der schweren Verletzung; das erste Abfahrtstraining lief mau, im zweiten machte er einen großen Satz.

Das Rennen gewann er.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Super-G in Kitzbühel
:Virtuos wie van Gogh

Der Österreicher Vincent Kriechmayr bewahrt die Gastgeber beim Super-G in Kitzbühel vor einer kleinen Schmach. Die deutschen Speed-Fahrer präsentieren sich erneut stark.

Von Johannes Knuth

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: