Ski alpin:Dreßen hat jetzt sogar einen Fanclub

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Sechster im Training: Thomas Dreßen übt sich auf der Kandahar in Garmisch-Partenkirchen. (Foto: Wolfgang Rattay/Reuters)
  • Nach Thomas Dreßens Sieg auf der Streif in Kitzbühel ist die Euphorie auch vor dem Heim-Weltcup in Garmisch groß.
  • Gewinnt nach 26 Jahren endlich wieder ein Deutscher auf der Kandahar?
  • Dreßen versucht, sich in Bescheidenheit zu üben.

Von Johannes Knuth, Garmisch-Partenkirchen

Mathias Berthold weiß: Manchmal ist es besser, die Dinge so zu beschreiben, wie sie sind. Die norwegischen Abfahrer, befand der Cheftrainer der deutschen Skirennfahrer vor einem Jahr, "fahren wie die Schweine". Er sagte das in einem Tonfall von großem Respekt, und ein wenig klang da auch die Sehnsucht durch, dass seine Schnellfahrer ab und zu auch schweinischer fahren könnten. Auf Sieg.

Aber das hat sich mittlerweile geändert. Berthold spürte vor ein paar Wochen, wie stark Thomas Dreßen, sein derzeit Bester, im Training fuhr, was ihn zu einem weiteren tierischen Vergleich animierte: "Wir haben schon gesehen, dass der Hund brutal schnell ist." So langsam, ahnte Berthold, wurde es eng. Nicht für Dreßen, sondern für die Konkurrenz.

"Du musst demütig bleiben", mahnt Cheftrainer Berthold

Und weil Berthold die Dinge so benennt, wie sie sind, hatte der Österreicher nicht nur einen Plan für die Abfahrt in Kitzbühel entworfen, die Dreßen am vergangenen Wochenende gewann, sondern auch für das Danach. Dafür, wie der 24-Jährige den Orkan an Emotionen bewältigen würde. Man habe alle Situationen durchgespielt, sagte Berthold in Kitzbühel; Dreßen wisse genau, wie er sich verhalten müsse: "Du musst demütig und bescheiden bleiben, es kommen schnell andere Tage." Es klinge abgedroschen, aber es sei nun mal so: "Wenn wir in Garmisch am Start stehen, kannst du dir für diesen Kitzbühel-Sieg nichts mehr kaufen."

Sepp Ferstl im Interview
:"Der Thomas ist nun ein armer Hund"

Sepp Ferstl war der letzte Deutsche, der vor Thomas Dreßen auf der Streif gewinnen konnte. Er spricht über die Wahnsinnsfahrt seines Nachfolgers - und erklärt, was ein Sieg in Kitzbühel aus einem Skifahrer macht.

Aufgezeichnet von Johannes Knuth

Am Wochenende stehen die Abfahrer des Deutschen Skiverbands (DSV) also bei ihrem Heim-Weltcup am Start (Abfahrt am Samstag/Riesenslalom am Sonntag), und so sehr sie die Euphorie um Dreßens Sieg auf der Streif eindämmen - der Zeitpunkt kommt ihnen nicht ganz ungelegen. Reporter und Zuschauer kokettieren mit dem Gedanken, dass auf der Kandahar mal wieder ein Heimsieg gelingen könnte, der letzte deutsche Abfahrtssieger war Markus Wasmeier, vor 26 Jahren. Garmisch ist zudem der letzte Test vor der olympischen Abfahrt in zwei Wochen. Die Abfahrt ist der erste Wettbewerb der Alpinen in Südkorea, für die deutschen Männer ist es plötzlich das Rennen, an dem die größten Hoffnungen hängen, nach den Kreuzbandrissen der Technik-Experten Felix Neureuther und Stefan Luitz. Wobei, was heißt plötzlich? Es war ja Bertholds Vision gewesen, dass auch die deutschen Abfahrer sich in Pyeongchang um Medaillen bewerben. Und jetzt?

Dreßen, Streif-Sieger und spätestens jetzt olympischer Mitbewerber, arbeitet die damit verbundenen Pflichten in Garmisch so ab, wie die Trainer es empfohlen haben: bescheiden, freundlich. Er hat zwei größere TV-Auftritte hinter sich, diverse Interviews. Er hat "ich weiß nicht wie viele Tausend" Glückwünsche entgegengenommen, per Telefon und in den Sozialen Netzwerken. Die Aufregung im Ort ist überschaubar, ein paar blau-goldene Fahnen erinnern ans Rennen; der Werdenfelser neigt nicht zur Ekstase wie beim Ski-Ballermann in Kitzbühel oder Schladming. Sie haben im Vorfeld 500 Tickets mehr verkauft als sonst, 8000 Zuschauer werden am Samstag kommen, mehr kriegen sie nicht unter. Dreßens Familie wird kommen, seine Heimat Mittenwald ist eine halbe Autostunde entfernt, erstmals wird er auch von einem Fanklub unterstützt. Sie haben ihn zuletzt rasch gegründet.

Ob er nun aufgeregter sei? Dreßen steht am Freitag im Zielgelände, er ist im Training Sechster geworden, die Sonne lugt hinter dem Kreuzeck hervor. Kitzbühel, sagte Dreßen, "hat mich eher noch mehr beruhigt. Weil ich weiß: Wenn ich einen super Tag habe, kann ich vorne mitfahren."

Im Sport ist oft die Rede davon, wie Athleten mit Misserfolg umgehen, dabei ist mindestens genauso wichtig, wie sie den Erfolg verarbeiten. Und da zeigt sich in diesen Tagen ganz gut der Charakter der deutschen Abfahrer. Dreßen halte sich vorbildlich an das, was man ihm vorgebe, sagen die Trainer, er attackiert im Training und Rennen, aber er verfällt nicht ins Extreme. Er beansprucht keine Sonderstellung, das gab es im Team sowieso nie, sagt Berthold. "Ich glaube, das ist auch das, was uns als Team stark macht", sagt er: "Dass wir als Team sehr viel kommunizieren, extrem viel miteinander arbeiten." Ein bisschen wie bei den schweinischen Norwegern also, die viel Kraft aus dem Miteinander ziehen.

Ein Sieg in Kitzbühel ist freilich eine neue Welt, "ein Kitzbühel-Sieger hat einen Lebensruhm", sagt Wolfgang Maier, der deutsche Alpindirektor. Der vorerst letzte Kitzbühel-Sieger im DSV war Sepp Ferstl, vor 39 Jahren. Es werde "eine ganz andere Kategorie von Geschäftemachern und Managern auf Thomas zukommen", ahnt Maier, "man muss schauen, wie er darauf reagiert. Aber im Augenblick habe ich das Gefühl, dass er sehr ruhig und überlegt mit dem Thema umgeht." Dreßen sei sehr bescheiden, "jemand, der noch Bitte, Danke und diese Anstandsformeln kann". Einer also, der mit dem Erfolg genauso gefasst umgeht wie mit Misserfolg.

Fürs Erste, sagt Dreßen, sei er ohnehin mit der Abfahrt in Garmisch beschäftigt. Die Kandahar liegt meist im Schatten, sie ist schwer und unruhig, "nicht viel weniger herausfordernd als Kitzbühel", sagt Dreßen. Manche sagen: noch ein wenig herausfordernder. Sie haben diesmal die Sprünge entschärft, im letzten Jahr waren drei Fahrer schwer gestützt, der Franzose Moine, der Amerikaner Nyman und der Kanadier Guay. Sie wärmen sich im DSV gerne an der Euphorie von Kitzbühel, das schon, sie haben in diesem Winter ja einige Tiefs durchschritten: die Kreuzbandrisse, den Todesfall des jungen Abfahrers Max Burkhart. Aber sie wissen halt auch, wie schnell die Dinge wieder auseinanderfallen können.

© SZ vom 27.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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