Sepp Ferstl im Interview:"Der Thomas ist nun ein armer Hund"

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Gelingt ihm bei Olympia noch einmal so ein Sensationslauf wie in Kitzbühel? Thomas Dreßen. (Foto: Hans Klaus Techt/dpa)

Sepp Ferstl war der letzte Deutsche, der vor Thomas Dreßen auf der Streif gewinnen konnte. Er spricht über die Wahnsinnsfahrt seines Nachfolgers - und erklärt, was ein Sieg in Kitzbühel aus einem Skifahrer macht.

Aufgezeichnet von Johannes Knuth, Kitzbühel

Der Skirennfahrer Sepp Ferstl hat in seiner Karriere drei Rennen gewonnen, eine Kombination, zwei Abfahrten. Das ist nicht gerade viel, aber Ferstl hat sich auch nicht gerade die schlechtesten Abfahrten ausgesucht: Beide gewann er auf der berühmt-berüchtigten Streif in Kitzbühel, die erste 1978 (zeitgleich mit dem Österreicher Josef Walcher), die zweite im Jahr darauf. 39 Jahre lang blieb Ferstl damit der letzte Deutsche, der auf der wohl bekanntesten Strecke der Welt triumphierte - bis am Samstag der Mittenwalder Thomas Dreßen gewann. Ferstl verfolgte das Rennen auf der Tribüne, wie immer: Wer in Kitzbühel einmal gewinnt, wird immer wieder eingeladen.

Frage: Herr Ferstl, Sie haben einen Nachfolger!

Sepp Ferstl: Gott sei Dank bin ich jetzt mal abgelöst. Das hältst du auf Dauer ja nicht aus, als einziger deutscher Sieger (lacht). Das ist ein Mythos, der mir noch eine Weile verfolgt hat. Jetzt ist wenigstens mal ein anderer Deutscher da, jetzt kann ich sagen: Frag den doch auch mal. Der Thomas ist nun ein armer Hund, weil er jetzt eine Menge durchmachen muss. Jetzt geht es erst richtig los für ihn.

Wann haben Sie während des Rennens geglaubt, dass er seinen Vorsprung ins Ziel bringt?

I hob gwusst, der hots a bissl drauf. Ich habe ihn schon oft im Training beobachtet. Er fährt in einer super Position, unbekümmert, locker und sauber auf zwei Ski. Er fährt einfach los und bringt es ins Ziel. Das hat man zuletzt schon bei seinem fünften Platz in Wengen gesehen. Von ihm kann man noch einiges erwarten.

Mit Schnauzbärtchen unterwegs: Sepp Ferstl als aktiver Skirennfahrer. (Foto: imago/Frinke)

Kann man ihn vergleichen mit den bisherigen Siegerin auf der Streif?

Er ist jetzt der Überraschungssieger. Mei, der hat ein Gefühl auf der Kante, das haben wenige. Der Beat Feuz ist auch so ein Gefühlsfahrer, mit dem kann man ihn schon ein Stück weit auf eine Ebene setzen. Thomas ist auch ein richtiger Brackel (Bayerisch für Hüne, Anm. d. Red.), ein bisschen wie der Aksel Svindal. Das ist für einen Speed-Fahrer schon von Vorteil.

Was bedeutet ein Sieg hier?

Kitzbühel zu gewinnen, das ist das Höchste. Das liegt noch mal drei Klassen über jedem anderen Weltcup. Hier die Abfahrt zu gewinnen ist besser als eine Medaille. Nach zehn Jahren erinnert sich fast niemand mehr, wie die Reihenfolge bei einer WM war, aber an den Streif-Sieger erinnern sich die Leute. Was man auch nicht vergessen darf: Du bist in Kitzbühel, in Österreich danach immer willkommen. Das gibt es sonst nirgends. Das ist der Wahnsinn.

Wie haben Sie Ihren ersten Sieg damals erlebt?

Ich habe schon eine Stunde gebraucht, bis ich aus dem Zielbereich hinausgekommen bin. Weil der bis dato letzte deutsche Sieg auch schon eine Weile zurücklag (Ludwig Leitner 1965, Anm.). Da gab's Schulterklopfer überall, Fotos und dies und das. Heutzutage ist das ja noch viel schlimmer, mit den Handykamers und den Selfies. Das wird bei Thomas heute eine Weile dauern, bis er alles abgearbeitet hat. Das wird auch für den Rest der Saison spannend. Die Deutschen sind in der Weltspitze auf Schlagdistanz, die werden jetzt überall mit ihrer neuen Stärke konfrontiert werden.

Wie verändert so ein Sieg die weitere Karriere?

Leben kannst du von einem Kitzbühel-Sieg nicht, aber zehren schon eine Weile. Damals war das natürlich ein Highlight. 1978 (nach seinem ersten Sieg, Anm.) war in Garmisch gleich danach die Weltmeisterschaft, da waren wir Deutschen die Vorreiter, was die Medaillenaussichten anging. Da baut sich schon einiges an Druck auf. Das wird jetzt für die Deutschen vor Olympia in Pyeongchang ähnlich sein. Hoffentlich lässt Thomas sich nicht nervös machen, das wird alles nicht so einfach für ihn. Aber so locker wie er ist und wie er fährt, kann er das vielleicht verkraften.

Die deutschen Abfahrer haben in den vergangenen vier Jahren einen erstaunlichen Aufstieg erlebt, den Sie ja auch mitverfolgt haben. Ihr Sohn Josef hat im Dezember in Gröden den Super-G gewonnen.

Sie haben die Mannschaft schon sehr gut aufgebaut. Wenn ich mir die Betreuer davor anschaue, die hatten die Abfahrer schon fast aufgegeben. Das Trainerteam jetzt, um Mathias Berthold, ist menschlich so gut, wie wir es damals auch hatten. Wenn du mit solchen Trainern arbeitest, dann kommt was Gescheites bei raus. Sie sind auch eine super Truppe, alle Fahrer zusammen. Die Erfolge jetzt sind sehr gut für den DSV, aber auch für den Nachwuchsbereich. Ich war ja selber 25 Jahre Trainer bei mir im Verein (wo er seinen Sohn am Anfang betreute, Anm.), da sieht man, dass wir ganz gut gearbeitet haben. Wir werden jetzt alle für unsere Arbeit belohnt.

Das Gespräch wurde in der Mixed-Zone in Kitzbühel aufgezeichnet.

© SZ vom 21.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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