Skifahrer Thomas Dreßen:Schön bescheiden bei allem Halligalli

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Bleibt ganz bescheiden: Thomas Dreßen. (Foto: dpa)
  • Der Skirennfahrer Thomas Dreßen startet in einer neuen Rolle in die Saison: als zweimaliger Weltcup-Sieger und Kitzbühel-Triumphator.
  • Höhere Erwartungen lassen ihn aber kalt, er ist sowieso nicht der Typ, der abhebt.
  • Hinter ihm drängt sich im deutschen Team auch eine zweite Garde auf.

Von Johannes Knuth, München

Der Sommerurlaub auf Mauritius, hat Thomas Dreßen neulich berichtet, war "super und schee". Zwölf Tage lang war er mal nicht der Skirennfahrer Thomas Dreßen, für den sich mittlerweile auch im Sommer immer mehr Menschen interessieren, sondern ein anonymer Feriengast. Nur einmal kam es beinahe zu Verwerfungen, Dreßen traf zufällig Tina Weirather, die Skirennfahrerin aus Liechtenstein, die ebenfalls auf der Insel im Indischen Ozean urlaubte. Sie schossen ein Foto und stellten das Belegexemplar auf einer Fotoplattform im Internet aus, wie man das heute halt so macht. "Da dachten alle, dass wir jetzt ein Paar sind", sagt Dreßen. Das würde aber den Tatbestand der Verbreitung falscher Tatsachen erfüllen.

Ansonsten arbeitete Dreßen im Sommer ein paar repräsentative Aufgaben ab. Abstecher zur Formel 1 etwa, was er als Motorsportfan gerne tat; er trug sich auch ins goldene Buch seiner Heimatstadt Mittenwald ein und wohnte der Zeremonie bei, bei der sie ihm in Kitzbühel eine Gondel widmeten. Die üblichen behördlichen Pflichten eben, als erster deutscher Abfahrtssieger auf der Streif seit 39 Jahren.

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In große Hektik sei er deshalb aber nicht verfallen. "Bisher hat bei mir zuhause auch noch niemand geklingelt, der nicht eingeladen war", sagt Dreßen - "außer die Dopingkontrolle", aber die sei ja auch willkommen. Letztlich sei er auf diese Ruhezone angewiesen, vor allem nach "dem ganzen Halligalli" im letzten Winter.

Hinter Dreßen, Ferstl und Sander drängt sich eine zweite Garde auf

Das Halligalli wirkt freilich auch in den neuen Winter hinein, der für die Schnellfahrer am Samstag in Lake Louise, Kanada anbricht. Streif-Sieger, diese Anrede macht was her in der Szene, wie ein Adelstitel, den nur wenige im Namen führen. Dreßen hatte in der vergangenen Saison neben Kitzbühel auch in Kvitfjell gewonnen, er belegte in der Abfahrtswertung Rang drei, das hatte zuletzt Franz Vogler aus Oberstdorf geschafft, 1967 war das. Er ist, mit nur 25 Jahren, fürs Erste in einen erlauchten Kreis aufgestiegen, zu den Aksel Svindals, Beat Feuz' und Matthias Mayers. Wie ist das also - nach Jahren der Enttäuschungen und leisen Hoffnungen im deutschen Speed-Ressort - als einer der Wichtigen in den neuen Winter zu ziehen?

Bis zuletzt, sagt Dreßen, habe er nach der rauschenden Vorsaison auf "so einen Aha-Moment" gewartet. "Aber der ist eigentlich bis jetzt nicht gekommen", sagt er, und daher hab er irgendwann beschlossen: "Für das letzte Jahr kann ich mir in der neuen Saison nichts kaufen. Außer die gute Startnummer." Und viel Erfahrung, der wichtigste Rohstoff in der Abfahrt. Und den Respekt vieler Kollegen, die jetzt häufiger anfragen, wie Dreßen durch diese oder jene Passage navigieren würde. Aber der 25-Jährige macht sich auch nicht der Falschaussage schuldig, wenn er reklamiert: "Ich muss wieder hart arbeiten, um auf dasselbe Level zu kommen und sogar noch ein bisschen weiter."

Die Weltspitze umfasst in einer handelsüblichen Abfahrt schon mal 20 Fahrer, die sich binnen einer Sekunde in die Wertung drängeln. Was Dreßen und seine deutschen Kollegen - und das ist ein Unterschied zu den Jahren davor - eher beflügelt: "Wenn man so einen Erfolg geschafft hat, dann ist es nicht mehr nur ein Traum, sondern auch realistisch", sagt er. Dann wolle man immer wieder von diesem süßen Gefühl kosten, weil es "oafach geil" ist, wie Dreßen findet: "Dafür stehe ich jeden Morgen auf."

Es ist schon beachtlich, mit welcher Bescheidenheit er manchmal noch seine Rolle moderiert, aber das hat auch mit dem großen Respekt zu tun, den die Abfahrer sich gegenseitig zollen. Erst am Mittwoch wurde die Szene wieder an das Risiko erinnert, dem sie sich jeden Tag stellt; der Kanadier Manuel Osborne-Paradis stürzte im Training schwer, seine Saison ist vorzeitig beendet. Osbornes Teamkollege Erik Guay beendete daraufhin prompt seine Karriere. "Ich war nur wenige Startplätze hinter Manny und habe mitbekommen, dass er ins Krankenhaus geflogen werden musste", sagte der 37-Jährige, "das hat definitiv Einfluss auf meine Entscheidung gehabt."

Dreßen hatte neulich erst gesagt: "Wenn einer schneller ist, ist der an dem Tag einfach besser. Warum soll ich mich für den nicht freuen? Am Ende ist es wichtig, dass man gesund ist und ich meinen Traum als Beruf ausübe."

Dreßen will, dass die Dinge einfach bleiben

Im Deutschen Skiverband wissen sie, wovon sie reden, sie haben in den vergangenen Jahren immer wieder begabte Schnellfahrer nach schweren Unfällen verloren. Als Mathias Berthold und Christian Schwaiger vor knapp fünf Jahren die Männer übernahmen, stabilisierten sie zunächst deren Technik, führten die Fahrer dann wieder ans Limit, Schritt für Schritt. Heute kann Cheftrainer Berthold berichten, dass auch die zweite Garde in der Abfahrt "eine sehr erfreuliche Entwicklung" hinter sich habe - hinter Dreßen, Gröden-Sieger Josef Ferstl und dem konstanten Andreas Sander drängen sich auch Manuel Schmid, Dominik Schwaiger und der genesene Klaus Brander auf.

Das haben Berthold und Schwaiger früh gespürt: dass der Erfolg einiger, weniger Athleten eine ganze Gruppe mitreißen kann. Ein bisschen wie bei den Norwegern, wo die Besten ihr Wissen an die junge Generation vermachen. Wobei auch dort niemand unter Verdacht steht, dass ihm die Höhenluft an der Spitze die Sinne benebelt. "Sobald du das Ganze zu was Besonderem machst", sagt Dreßen, auch mit Blick auf die WM im kommenden Februar in Are, "wirst du wahrscheinlich nicht erfolgreich sein."

Das ist vielleicht seine größte Stärke: dass Dreßen bei allem Halligalli noch immer der ist, der an einem See in Österreich wohnt - wegen der guten Luft und weil niemand klingelt, der nicht eingeladen ist -, der gerne lacht, Motorrad fährt und ansonsten oafach Skifoan will. Er ist bislang ja auch nicht ganz schlecht damit gefahren, die Dinge nicht komplizierter zu machen als sie eh schon sind im anspruchsvollen Abfahrtssport.

© SZ vom 24.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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