Australian Open:"Das müssen wir aufarbeiten"

Lesezeit: 3 min

"Mir lief da auch alles rein": Laura Siegemund spielte einen wunderbaren ersten Satz gegen Caroline Garcia, doch dann verlor sie die nächsten beiden Durchgänge. (Foto: Peter Dovgan/Uk Sports Pics Ltd/Imago)

Laura Siegemund liefert der Französin Caroline Garcia einen ebenbürtigen Kampf, doch auch die letzte Deutsche im Einzel scheidet aus. DTB-Präsident Dietloff von Arnim resümiert: "Wir haben im deutschen Tennis einen anderen Anspruch."

Von Gerald Kleffmann, Melbourne

Die Möwen kreisten ihre Runden, der Himmel glühte kaminrot, als Laura Siegemund und Caroline Garcia ihre Seitenwechsel-Pause beendet hatten und zurück auf den Platz schritten. Es stand 4:3 im dritten Satz für die Französin. Die Menge johlte und tobte in der Kia Arena, diesem mittelgroßen Stadion, das im vergangenen Jahr eingeweiht wurde und ideal ist für Matches, die Punkt für Punkt umkämpft sind. Das Kesselhafte lässt Rufe und Gesänge noch eindringlicher erscheinen. In einer der Reihen saß ein junger Mann, er hatte die meiste Zeit an diesem Samstagabend einen Pferdekopf getragen, aus Gummi, die Menschen in Melbourne sind manchmal faszinierende Wesen. Jetzt aber hatte der Mann den Pferdekopf abgesetzt. Er starrte aufs Feld, und das war nur allzu verständlich: Es ging jetzt um alles da unten. Da galt es genau hinzusehen.

Dass diese Drittrundenpartie, die mit 1:6, 6:3, 6:3 zugunsten Garcias endete, eng war, lag vor allem daran, dass sich Siegemund einen klaren Matchplan ausgedacht hatte. "Ich habe genau das umgesetzt, was wir uns vorgenommen hatten", sagte die 34-Jährige und meinte mit dem Plural auch ihr Team. So wollte sie versuchen, Garcia "früh in den Punkten wehzutun", was ihr anfangs extrem effizient gelang. Sie suchte mutig den Angriff, ohne zu überdrehen. Sie wollte "mit Quote, also platziert aufschlagen", auch das tat sie.

Australian Open
:Die Krux mit dem Netflix-Fluch

Mit riesigem Bohei wurde die neue Dokumentation "Break Point" über zehn Tennisprofis vorgestellt. Nun laufen die Australian Open in Melbourne - und neun der Protagonisten sind bereits ausgeschieden.

Von Gerald Kleffmann

Siegemund, die derzeit die Nummer 158 der Weltrangliste ist, aber bekanntlich schon in viel höheren Regionen stand, setzte so Garcia, die Nummer vier, gehörig unter Druck. Nach nur 34 Minuten hatte sie der favorisierten Gegnerin den Satz abgenommen: "Mir lief da auch alles rein. Aber sie war da auch sehr überfordert." Was überraschte, denn die 29-Jährige hatte Ende der vergangenen Saison die WTA Finals gewonnen und war auch in hervorragender Form nach Melbourne gereist.

Im zweiten Satz kippte das Spiel allerdings, Garcia erhöhte ihrerseits das Tempo, der Wind war abgeflaut, das half ihrem Spiel ebenso wie die Tatsache, dass sie sich immer besser auf Siegemunds tückisches Service auf den Körper eingestellt hatte. Die Französin hatte anfangs zudem noch äußerst wacklig und fehleranfällig agiert. "Das ist dann auch die Qualität von so einer Topspielerin", zollte Siegemund Respekt.

Caroline Garcia hat zwar erst das Achtelfinale erreicht, aber sie vollführte einen Jubeltanz erster Güte. (Foto: Jaimi Joy/Reuters)

Der dritte Satz war lange offen, Garcia startete mit einem Break, Siegemund holte sich diesen Aufschlagverlust sofort zurück. Doch in der Schlussphase setzte sich die Schlaghärte von Garcia durch, auch wenn die Endphase äußerst intensiv war und Siegemund einige spektakuläre Punkte gelangen. Einmal stand sie nach einem Punktgewinn einfach nur da und streckte den Zeigefinger in den Himmel, und wieder gab es ein einziges Toben und Johlen. Sie hatte es in der Sekunde all den "Allez, Caro!"-Rufern gezeigt.

Ein paar Emotionen kamen noch zusätzlich auf, als Siegemund, weil sie länger als die erlaubten 25 Sekunden zwischen zwei Punkten beim Aufschlag brauchte, eine Strafe kassierte - erst folgte eine Verwarnung, beim zweiten Mal wurde ihr der erste Aufschlag gestrichen und es hieß: "Second serve", zweiter Aufschlag. Sie machte dann mit einem grandiosen Passierball trotzdem den Punkt. Immerhin den Schönheitspreis gewann sie dank solcher Schläge. Warum sie verlor, erklärte sie sich so: "Es hat wegen ein paar strategischen Sachen nicht gereicht."

"Die Bilanz kann für Deutschland natürlich nicht zufriedenstellend sein", sagt DTB-Präsident Dietloff von Arnim

Dietloff von Arnim hatte Siegemunds Partie auch in der Arena verfolgt, der Präsident des Deutschen Tennis-Bundes (DTB) ist für zehn Tage nach Melbourne gekommen, er will für den Posten des Weltverbandspräsidenten im September kandidieren und ist folglich auch auf Werbetour. "Die Leistung von ihr war herausragend, sie hat wirklich ihr Herz auf dem Platz gelassen", sagte Arnim der SZ und sah nachdenklich hinunter auf den Platz. "Schade, dass sie das verloren hat."

In Siegemund war nun der letzte DTB-Profi ausgeschieden. "Die Bilanz kann für Deutschland natürlich nicht zufriedenstellend sein, wenn wir im Einzel in der zweiten Woche keinen Spieler und keine Spielerin haben", resümierte Arnim und gab zu: "Das ist ein ernüchterndes Auftreten." Er sprach daher auch eine erste sanfte Forderung in die angenehme Abendluft von Melbourne: "Das müssen wir aufarbeiten und uns fragen: Ist das jetzt eine einmalige Situation, oder ist es ein Status, den wir jetzt haben? Wenn das ein dauerhafter Status ist, müssen wir sicherlich Maßnahmen ergreifen, um wieder zu erfolgreicheren Bilanzen zu kommen. Wir wollen natürlich besser sein, wir haben im deutschen Tennis einen anderen Anspruch."

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusEx-Tennisprofi Andrea Petkovic im Interview
:"Ich habe im letzten Moment den Absprung geschafft"

Andrea Petkovic über die Schwierigkeit, 16 Stunden beim Ring des Nibelungen stillzusitzen, die langsam verschwindende Tennisspielerin in ihr, das Einmalige der Australian Open und warum sie an Zverev glaubt.

Interview von Gerald Kleffmann

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: