Fußball in Spanien:Wie der FC Sevilla die Großen piesackt

Lesezeit: 4 min

Spieler wie Stürmer Wissam Ben Yedder (li.) erfreuen die Sevillanos immer mehr. (Foto: AFP)
  • Der FC Sevilla ist Tabellenführer in Spanien und trifft nun auf den Zweitplatzierten FC Barcelona.
  • Medien verkündeten schon das Ende des ewigen Titelzweikampfs zwischen Real Madrid und Barcelona.
  • Die Tabellenführung der Andalusier wird umso erstaunlicher, wenn man die wirtschaftlichen Möglichkeiten des Vereins kennt.

Von Christoph Söller

Die Sportzeitung AS, eigentlich bekannt für ihre Nähe zu Real Madrid, rief nichts Geringeres als die Revolution in der Primera Division aus: "Die bipolare La Liga ist Geschichte", verkündete das Blatt freudig. Die Zeit des Dualismus zwischen Real und Barça, bei dem in Ausnahmefällen mal Atlético Madrid mitmischen durfte, soll endlich vorbei sein. Denn seit dem vergangenen Spieltag hat Spanien überraschend einen neuen Tabellenführer: Der FC Sevilla führt nach dessen Sieg gegen Celta Vigo mit 16 Punkten die Tabelle auf der iberischen Halbinsel an und lässt viele Spanier von einem Titelkampf träumen, an dem sich mehr Mannschaften als nur Real, Atlético und Barcelona beteiligen.

Die spanischen Topteams, Barcelona und Real Madrid, kommen bislang überraschend flatterhaft daher. Real ist seit sieben Stunden torlos und nach den Abgängen von Cristiano Ronaldo und Trainer Zinedine Zidane verzweifelt auf der Suche nach sich selbst. Am vergangenen Spieltag verlor es kurz vor Schluss mit 1:0 gegen Deportivo Alaves. Barça startete zwar furios in die Saison, holte aber in den vergangenen Spielen nur drei von 12 möglichen Punkten und verlor nach dem 1:1-Unentschieden in Valencia die Tabellenführung an den FC Sevilla. Im vergangenen Jahr hatte Sevilla zum gleichen Zeitpunkt exakt die gleiche Punktzahl wie jetzt, die reichte damals aber nur für Platz fünf.

Real Madrid
:Königliche Platzpatronen

Nach einem Fehler von Toni Kroos unterliegt Real Madrid bei ZSKA Moskau 0:1 - und stellt fest, dass der Ronaldo wohl nicht zu ersetzen ist.

Von Javier Cáceres

Der FC Sevilla zählt nicht einmal zu den 30 umsatzstärksten Klubs in Europa

Die Tabellenführung der Andalusier allein auf die Schwäche der Spitzenmannschaften zu reduzieren, griffe jedoch zu kurz. Sevilla ist neben Barcelona und den beiden Hauptstadtklubs der Verein aus Spanien, der seit Jahren international für Furore sorgt. Mit fünf Europa-League-Siegen, davon drei in Serie, ist Sevilla Rekordhalter in diesem Wettbewerb und hat maßgeblichen Anteil daran, dass Spanien in der Fünfjahreswertung der Uefa mit weitem Abstand vorne liegt. Das ist umso erstaunlicher, wenn man die finanziellen Möglichkeiten des Klubs kennt.

Trotz der Erfolge im Europapokal rangiert der Verein aus dem strukturschwachen Süden Spaniens in der Kategorie Umsatz nicht mal unter den 30 stärksten Vereinen Europas. Der große Geldgeber fehlt und auch das Stadion ist keine hochmoderne Multifunktionsarena, wie sie Atlético bereits hat und bei Real und Barcelona in Planung ist. Ins Estadio Ramón Sánchez Pizjuán, benannt nach dem langjährigen Präsidenten, passen 42.000 Zuschauer - vergleichsweise wenig in Spanien. Doch jetzt, wo der FC ganz oben steht, verwandelt sich die Arena im Zentrum der Stadt immer wieder in einen rot-weißen Hochofen.

SZ PlusNations League
:Bereit für jede Fiesta

Trotz des unvermeidlichen Tores von Paco Alcácer und 70 Prozent Ballbesitz unterliegt Spanien den Engländern 2:3. Doch Trainer Enrique will von Stildebatten nichts wissen.

Von Javier Cáceres

Seit dieser Saison wird das Team von Pablo Machín trainiert, der zuvor den FC Girona aus der Segunda Divison zurück in die Erstklassigkeit geführt und dort anschließend sehr souverän den Klassenerhalt gesichert hatte. Der in Kastilien geborene Machín gilt als introvertierter Taktikfuchs, den die Fans zu Beginn der Saison am liebsten schnell wieder aus ihrer Stadt vertrieben hätten. Die defensive Spielweise und die Niederlage am dritten Spieltag im derbi sevillano gegen Stadtrivale Betis kamen bei vielen FC-Fans überhaupt nicht gut an. Doch inzwischen haben die Andalusier die beste Chancenverwertung aller Mannschaften in Spanien, das charismatische Konterspiel in höchstem Tempo direkt nach Ballgewinn funktioniert nahezu perfekt, das hat Real Madrid vor knapp vier Wochen bei der 3:0-Niederlage schmerzhaft zu spüren bekommen.

Sevilla ist ein Klub, der wie gemacht zu sein scheint für Duelle mit den Großen der Branche. Vor allem in den Pokalwettbewerben erweisen sich die Andalusier immer wieder als gefährlicher Stolperstein für vermeintlich stärkere Klubs, etwa 2016 für den FC Liverpool oder auch für Manchester United in der vergangenen Champions-League-Saison. Nun mischen sich die Sevillianer in die kleine, auserwählte Runde der Meisterschaftsanwärter ein, am Samstag spielen sie im Camp Nou gegen den Zweitplatzierten Barcelona.

04:45

FC Bayern in der Champions League
:Hinten zwickt's Sevilla

Soria oder Rico? Beide Torhüter schaffen es nicht, die Defensive des Bayern-Gegners zu stabilisieren. Die Rochaden von Trainer Montella vor dem Rückspiel in der Champions League verunsichern das Team.

Von Jonas Beckenkamp

Sevillas Erfolge basieren auf guter Jugendarbeit und perfektem Scouting

Die Scouts des FC Sevilla verfügen seit Jahren über ein besonderes Näschen, immer wieder finden sie Talente, die in die spanische Liga und das Anforderungsprofil des Klubs perfekt passen. Etwa Ivan Rakitic, der eine außergewöhnliche Entwicklung in Sevilla nahm, die ihn letztlich zum großen FC Barcelona führte. Oder auch Clement Lénglet. Der gebürtige Franzose spielte eineinhalb Jahre in der andalusischen Hauptstadt, ehe ihn Barca vor Beginn dieser Spielzeit für 36 Millionen Euro abkaufte. Und obwohl Sevilla häufig Leistungsträger verliert, so auch den Mittelfeldstrategen der vergangenen Spielzeit, Steven Nzonzi, baut sich der Verein immer wieder unbeugsam eine wettbewerbsfähige Mannschaft auf.

Bis zu seinem Wechsel zur Roma im April 2017 war Ramón Rodríguez Verdejo, bekannter unter dem Namen Monchi, für die Kollektion der Mannschaft verantwortlich. Doch auch unter Óscar Arias, seinem Nachfolger als Sportdirektor, scheint die Kaderplanung zu funktionieren. Beispielhaft hierfür stehen die beiden Offensivspieler Wissam Ben Yedder und André Silva. Allein in den letzten vier Spielen erzielte Sevilla 14 Tore, neun davon gehen auf das Konto der beiden Stürmer, die die Marca "ein furchterregendes Paar" nannte.

Sevilla verfügt aber nicht nur über ein gut vernetztes Scouting, sondern profitiert auch von der eigenen Nachwuchsförderung. Im vergangenen Jahr kehrte Jesus Navas von Manchester City zurück, der Weltmeister von 2010 stammt, ebenso wie der heutige Real-Kapitän Sergio Ramos, aus der eigenen Jugend und führt als Kapitän den Tabellenführer an.

Das letzte Mal standen die Andalusier vor 12 Jahren an der Spitze

Die erfolgreichen letzten Jahre haben die Fanbasis, vor allem in Andalusien, wachsen lassen, viele Jugendliche sind mit den Erfolgen der Sevillistas im Europapokal groß geworden. Doch national machen seit 14 Jahren Barca und Real die Meisterschaft unter sich aus (mit einer Ausnahme 2014, als Atlético Madrid Meister wurde). Sollte Sevilla die Spitzenposition gegen Barcelona verteidigen, dürften dem Klub noch mehr Sympathien entgegenschlagen. José Castro, der Präsident des Klubs, hält trotz Tabellenführung "die Füße auf dem Boden", denn er weiß, dass "Fußball vergänglich ist", wie er sagt. Das letzte Mal standen die Andalusier vor 12 Jahren an der Tabellenspitze. Damals blieb der Meisterschaftskampf bis zum Ende spannend.

© SZ.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

FC Barcelona
:Vielleicht ist Messi einfach der Fußball

Mit 31 zeigt der Argentinier in der Champions League ein Übermaß an Spielfreude und führt neue Errungenschaften vor. Für sein großes Ziel widmet er sich sogar der ungeliebten Defensivarbeit.

Von Sven Haist

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: