Die Nachricht platzte mitten hinein ins aufgeregte Fußballwochenende Spaniens, an dem in der Primera Division ohnehin schon einiges los ist. Vier Runden vor dem Ende der Meisterschaft stehen sich die ersten vier der Tabelle in direkten Duellen gegenüber, so viel Spannung gab es lange nicht mehr in La Liga. Doch nun überlagern die Neuigkeiten um Sergio Ramos noch einmal alles.
Der ewige Anführer von Real Madrid hat sich erneut verletzt, diesmal erlitt er einen Sehnenriss im linken Bein, Ausfallzeit ungewiss. Die Entscheidung um den Titel bestreiten die Königlichen (Platz drei), die am Sonntagabend den Viertplatzierten FC Sevilla empfangen, nun ohne den 35-Jährigen. Und während an diesem Samstag Barcelona gegen Tabellenführer Atlético Madrid beim 0:0 den Spitzenplatz verpasste und Zweiter bleibt, blicken viele Spanier schon auf die Zeit nach der Liga. Schafft es Ramos überhaupt zur EM, die für die Selección am 14. Juni gegen Schweden beginnt?
Diese Frage gilt es dringend zu beantworten, denn sonst würde dem Team von Nationaltrainer Luis Enrique eine der wichtigsten Stützen fehlen. Spanien ohne Ramos, das ist nach insgesamt 180 Länderspielen des gebürtigen Andalusiers eigentlich kaum vorstellbar, aber das Jahr 2021 verläuft für ihn eben alles andere als positiv.
David Alaba könnte Ramos in der Real-Abwehr ersetzen
Denn auf dem Spiel steht für ihn nicht nur die Euro, sondern seit einiger Zeit auch seine Zukunft in Madrid. "War es das bei Real?", fragte deshalb alarmiert die Zeitung Marca, die seit Monaten Auskünfte über Ramos' Vertragslage in Madrid veröffentlicht. Sein Arbeitspapier endet in diesem Sommer, dem Vernehmen nach würde er gerne verlängern, aber nur für einen längeren Zeitraum - doch den will ihm der Klub nicht zugestehen. Man steht schließlich kurz vor der Verpflichtung von David Alaba als Ersatz und hat zudem mit Nacho, Raphaël Varane und Éder Militão brauchbare Alternativen.
Gut möglich, dass die neuerliche Verletzung des Kapitäns nun also Fakten schafft: Seine mittlerweile 16 Jahre andauernde Etappe bei Real könnte tatsächlich zu Ende sein, ohne dass er noch einmal im weißen Trikot spielt. Für den Abwehrspieler verfestigt sich damit eine wahrlich unrühmliche Serie, die ihn schon mehr als die Hälfte der laufenden Saison gekostet hat. Erst am vergangenen Mittwoch gab er im Halbfinal-Rückspiel der Champions League beim FC Chelsea (0:2) sein Comeback im Real-Trikot.
Es war ein Auftritt, der viele Zweifel nährte. So anfällig hatte man Ramos selten gesehen, er wirkte nicht auf der Höhe und hatte im Verbund mit den Kollegen der Physis der Tuchel-Elf wenig entgegen zu setzen. Ausgerechnet er, der sonst immer vor Kräften strotzt, der Spiele mit purem Willen umbiegen konnte. Real-Coach Zinedine Zidane berichtete an diesem Samstag, dass Ramos in London "vollumfänglich fit gewesen" war, aber jetzt sei die Sache dummerweise anders. "Zuallererst trifft es ihn, denn ich weiß, dass er gerne bei uns wäre", versuchte Zidane zu trösten.
Die von der Uefa genehmigte Aufstockung auf 26 EM-Spieler könnte Ramos entgegenkommen
Ramos blickt seinerseits auf holprige, deprimierende Monate zurück, zuletzt setzte ihn für mehrere Wochen eine Wadenverletzung außer Gefecht, zu der sich zwischenzeitlich noch eine Corona-Infektion gesellte. Bereits seit der zweiten Januar-Hälfte war der frühere Welt- und Europameister mit einem Meniskusriss und einer anschließenden Operation bis März ausgefallen.
Dass Ramos in dieser Spielzeit erst an 21 von 48 möglichen Partien der Königlichen teilnahm (so wenige waren es nie seitdem er in Madrid ist), liegt auch an gesundheitlichen Problemen im vergangenen Jahr. Schon im Herbst 2020 zwang ihn ein Muskelfaserriss zu einer Pause - richtig in Form kam er durch die ständigen Rückschläge nie. "Diesmal ist es keine allzu schwere Verletzung, aber in seinem Alter könnte es einige Zeit dauern, bis er wieder richtig in Form ist", sagte sein Arzt José González der Zeitung AS.
Spaniens Nationaltrainer Luis Enrique wird sich indes die Berichte genau anhören und sich überlegen, wie er damit umgeht. Bei ihm war Ramos für die EM eigentlich gesetzt, jetzt könnte es sein, dass er ohne ihn auskommen muss. Bevor er seinen Capitano aber aus dem Kader für das Turnier streicht, wird er so lange wie möglich abwarten. Vielleicht kommt Ramos am Ende entgegen, dass die Uefa kürzlich eine Aufstockung der Kader von 23 auf 26 Spieler gewährte. So könnte er auch dann mit, wenn er erst im Laufe des Wettbewerbs wieder fit würde.