David Popovici schaute vom Podium herunter, er saß schon ein paar Minuten da und wartete, bevor die Fragerunde der Weltpresse begann. Andere 17-Jährige wären wohl nervös auf ihrem Stuhl hin- und hergerutscht, Puls 140, fast so hoch wie zuvor im 50-Meter-Becken, vielleicht wären sie auch ein bisschen rot geworden. Doch Popovici, dieser junge Rumäne, der bei den Weltmeisterschaften in Budapest als erster Schwimmer seit 1973 nicht nur Gold über die 200, sondern zwei Tage später am Mittwochabend auch über die 100 Meter Freistil gewann, saß einfach da - und hielt dann in feinstem Englisch eine erstaunliche Rede, frei heraus. Eigentlich war es eher eine Eloge auf seinen Sport. Und auf das Alter(n).
"Ich mag den Gedanken, dass das hier jetzt die Zeit für die Newcomer ist. Und ich denke, wir müssen auch versuchen, für Wandel in unserem Sport zu sorgen", hob Popovici an: "Hier wird gerade der Beweis vollbracht, dass das Alter keine Rolle spielt. Es ist nur wichtig, wie hungrig man auf Medaillen ist, wie leidenschaftlich. Und wie viele Opfer man bereit ist zu bringen. Ob man nun 15 ist wie Summer McIntosh, 17 wie ich selbst - oder schauen Sie sich Nicholas Santos an, er ist 40, 41, das ist fantastisch."
Die 15-jährige McIntosh hatte am Mittwoch Gold über 200 Meter Schmetterling gewonnen, nach Silber über 400 Meter Freistil. Knapp zwei Stunden später führte sie die kanadische 4 x 200 Meter-Freistil-Staffel zu Bronze. Santos, der Brasilianer, übrigens exakt 42 Jahre und vier Monate alt, hatte sich Silber über 50 Meter Schmetterling geholt.
Diese Ergebnisse muss man einordnen. So machen einige Größen dieses Sports einen Bogen um diese kurzfristig angesetzten Weltmeisterschaften, die coronabedingt von Fukuoka nach Budapest verlegt worden sind. Und der US-Amerikaner Caeleb Dressel hatte nach seinen WM-Titeln Nummer 14 und 15 bereits am Dienstag seinen Start über die 100 Meter Freistil aus "medizinischen Gründen" abgesagt. Popovici sagte: "Ich habe seine Präsenz im Finale vermisst, es wäre eine große Herausforderung gewesen." Santos wiederum, auch das sollte nicht unerwähnt bleiben, stand 2011 unter Dopingverdacht, wurde aber letztlich nur verwarnt, die Begründung: verunreinigte Nahrungsergänzungsmittel.
In Budapest sind auch 13-Jährige Schwimmerinnen gemeldet
Ohnehin ist spätestens seit dem Drama um die damals 15-jährige russische Eiskunstläuferin Kamila Walijewa bei den Olympischen Winterspielen in Peking eine Debatte darüber entbrannt, wie viel Druck junge Sportlerinnen aushalten müssen. Und ab welchem Alter sie überhaupt bei solchen Großereignissen starten dürfen. Auch bei dieser WM in Budapest waren 13-Jährige gemeldet, wie die Kosovarin Hana Beiqi oder die jüngste Schwimmerin bei dieser WM, Sua Moon aus Südkorea, geboren am 22. November 2008.
Aber David Popovici wirkt überhaupt nicht so, als würde hier in Ungarn ein unmöglicher Druck auf ihm lasten. Sondern eher wie ein smarter Austauschschüler, der gerade das nächste hochdotierte Stipendium erhalten hat. Und der nun als - noch so ein Superlativ - erster männlicher Schwimm-Weltmeister Rumäniens in seine Heimat zurückkehrt, im frohen Bewusstsein, "eine kleine Seite in der Geschichte des Schwimmens gefüllt zu haben. Manche sagen eine große, aber wir bleiben da bescheiden". Auf die Frage, ob ihn denn nun ein Sturm der Begeisterung am Flughafen erwarte, sagte Popovici: "Ich hätte nichts dagegen, auch wenn ich normalerweise nicht viel Trubel brauche. Aber dieses Mal, denke ich, haben wir diese Feier ein bisschen verdient." Sein Team und er.
"A new star is born", titeln nun Internet-Portale in Rumänien über diesen Jungen aus Bukarest, der von seinen Eltern auf eine bilinguale Schule geschickt worden ist und dort auch lernte, fließend Englisch zu sprechen. Der sie aber noch nicht beendet hat - und auch noch keinen Führerschein besitzt. Und der über sein 100-Meter-Rennen nun sagte, das sei eine Strecke "voller Wildheit, für die man einen animalischen Instinkt braucht".
Popovici erzählte dann noch, er hätte schon mit 16 den Führerschein machen können in Rumänien, "aber das hat überhaupt keine Priorität für mich, ich laufe oder nehme mein Bike". Während er sprach, ging 50 Meter weiter Summer McIntosh durch die Interview-Zone, und später stand dort die US-Staffel um Katie Ledecky, die selbst ihr 18. WM-Gold gewann, Rede und Antwort. Mit dabei: Claire Weinstein, 15, und Bella Sims, 17. Die Führerscheinfrage kam hier auch, die Mädchen kicherten, Ledecky sagte wie eine Mutter: "Ich kann sie ja durch die Gegend fahren."
Die Kanadierin McIntosh, für den Sender CBS die "Teen swimming sensation", konnte allerdings gar nichts mehr sagen nach der Staffel, denn der Alltag rief: Sie wurde zur Dopingkontrolle gebeten.