0:3 in Köln:Die Schalker Krise nimmt drastische Formen an

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Nichts mehr zu retten: Nachdem Alexander Nübel ein geradezu schmerzhaft anzusehender Lapsus unterlief, versucht er hier noch den Ball von der Linie zu wischen. Vergebens. (Foto: imago images/Nordphoto/Mauelshagen)
  • Schalke 04 hat nichts mehr gemeinsam hat mit jener Mannschaft, die bis vor ein paar Wochen noch als Champions-League-Kandidat galt.
  • Nach dem 0:5 in der Vorwoche verliert die Mannschaft auch in Köln mit 0:3.
  • Hinzu kommt ein erneuter Patzer von Torwart Nübel, gegen den sich nun die konzertierte Ablehnung der Schalker Fans richtet.

Von Philipp Selldorf, Köln

Dies sei "die schwierigste Situation", seitdem er die Arbeit in Gelsenkirchen begonnen habe, hat David Wagner am Freitag gesagt, und seine Mannschaft hat am Samstagabend im Spiel beim 1. FC Köln nicht lange gezögert, den Trainer in seinem Befund zu bestätigen. Vom Anpfiff weg demonstrierte das Schalker Team, dass es derzeit wenig bis nichts gemeinsam hat mit jener Mannschaft, die bis vor ein paar Wochen wie ein gar nicht so heimlicher Champions-League-Kandidat ausgesehen hatte.

Der 1. FC Köln, in den vergangenen Monaten eines der Erfolgsmodelle der Liga, präsentierte sich sozusagen als Gegenentwurf: Selbstsicher und zielbewusst trat der Aufsteiger auf, der 3:0-Sieg der Hausherren gab das Kräfte- und Chancenverhältnis während der 90 Minuten angemessen wieder. Schalke hatte bis zum Abpfiff kaum eine nennenswerte Torgelegenheit. "Momentan sind wir keine Einheit auf dem Platz", gab Mittelfeldspieler Alessandro Schöpf zu Protokoll, was jeder Zuschauer hatte sehen können.

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Wie beim 0:5 in der Vorwoche nahm auch in Köln die Schalker Krise drastische Formen an, und was dieses Befinden in einer verunsicherten Gemeinschaft auslöst, das illustrierte besonders dramatisch der Torwart Alexander Nübel, als er in der 78. Minute den Ball durch die Finger gleiten ließ, als hätte er es mit einem glitschigen Karpfen zu tun. Immer wieder versuchte er die widerspenstige Kugel zu greifen, bis sie schließlich über die Linie gekullert war. Die finale Viertelstunde geriet für Nübel zu einer seelischen Prüfung. Während die Kölner Fans jede seiner noch so banalen Ballberührungen höhnisch feierten und in Chören seinen Namen riefen, reagierten die Schalker Anhänger ihren Ärger über den desolaten Auftritt der Elf am Torwart ab.

Bisher hatten sie Nübel pfleglich behandelt, nachdem er im Dezember erklärt hatte, den ablösefreien Wechsel zum FC Bayern einer Vertragsverlängerung in Gelsenkirchen vorzuziehen. Nun richtet sich konzertierte Ablehnung gegen ihn. Die Nübel-raus-Rufe waren selbst dann nicht zu überhören, als die Stadionregie zur Feier des Abpfiffs mit hohem Volumen ein Karnevalslied spielte. Gemeinsam geleitete die Mannschaft den naturgemäß niedergeschlagenen Torwart zum Ausgang. Es sei eine Sache "des menschlichen Anstands" gewesen, sich um Nübel zu kümmern, sagte Wagner später. Wie er mit der Torwartfrage in den nächsten Spielen verfahren wird, das sagte er nicht. Schon am Dienstag steht wieder eine Partie an: Der FC Bayern kommt zum Pokalduell ins Ruhrgebiet.

Auch in Köln wird das Spiel für einige Minuten aufgrund eines Plakats unterbrochen

Außer mit der ausgeprägten Formkrise mussten sich die Schalker auch mit massivem Verletzungspech auseinandersetzen. Nationalspieler Suat Serdar und Kapitän Omar Mascarell zogen sich im Abschlusstraining folgenschwere Blessuren zu. Mascarell, Schalkes Sechser und einer der stabilsten Spieler im Kader, wird voraussichtlich in dieser Saison nicht mehr eingreifen können. Serdar, kreative Antriebskraft im Mittelfeld, wird wegen eines Zehenbruchs ebenfalls Wochen fehlen. Schalkes Mittelfeld ist somit nahezu entkernt: Auch Daniel Caligiuri ist ja seit längerem nicht einsatzfähig und wird wohl in dieser Saison nicht mehr helfen können. In Köln gesellte sich auch Ozan Kabak, Schalkes stärkster Verteidiger, zu den Ausfällen. Beim Zweikampf mit Jhon Cordoba fiel er aus großer Höhe unglücklich zu Boden. Er kam zur Untersuchung ins Krankenhaus.

Die personellen Verluste hätten das Team "beeinflusst nach all den Schwierigkeiten, die wir sowieso haben", sagte Wagner. Der 1. FC Köln hatte es mit einem Gegner zu tun, der Fehler an Fehler reihte. Das 1:0 durch Jonas Hector nach fünf Minuten machte ein Mitspieler zunichte, Florian Kainz war in Abseitsstellung sozusagen durchs Bild gelaufen und hatte Nübel die Sicht genommen - gehalten hätte er den platziert geschossen Ball wohl kaum. Doch den ausgefallenen Führungstreffer holten die Kölner wenig später nach. Sebastiaan Bornauw, der kopfballstarke belgische Innenverteidiger, stieg bei einem Freistoß am höchsten und verlängerte die Flanke in die lange Ecke (9. Minute). Die Kölner bestimmten dann mit aggressivem und gut organisiertem Pressing das Spielgeschehen und trugen die gewonnenen Bälle umgehend nach vorn. Dass es bis zur 39. Minute, bis Cordoba nach einem Konter das 2:0 erzielte, war kein Verdienst der Schalker Defensive.

Die größte Gefahr für den Sieg des FC ging letztlich von den Kölner Anhängern aus, die nach der Pause ein Schmäh-Plakat über den Zaun gehängt hatten und den wie immer souveränen Schiedsrichter Manuel Gräfe dadurch veranlassten, die Fortsetzung der Partie zu verweigern. Manager, Trainer und Spieler machten sich daraufhin in die Kölner Fankurve auf, um für die Entfernung des Plakates zu sorgen. Mit Erfolg. Drei weitere Punkte gegen den Abstieg waren der Lohn.

© SZ vom 01.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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