Jochen Schneider bei Schalke 04:Aus der Kulisse ins Rampenlicht

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Einer, der schon weiß, wie man die Schale hebt: 2007 wurde der VfB Stuttgart deutscher Meister - Jochen Schneider war als Sportdirektor mit dabei. (Foto: imago)
  • Mit Jochen Schneider hat Schalke 04 einen neuen Sportvorstand geholt - die Personalie überraschte viele. Auch mit dem früheren Leverkusener Sportchef Boldt hatte Schalke Gespräche geführt.
  • Zu Schneiders ersten Aufgaben wird gehören, einen geeigneten Sportdirektor zu finden.
  • Wie Schneider an den begehrten Job gekommen ist, darüber schweigen sich die Beteiligten bisher aus.

Von Philipp Selldorf, Gelsenkirchen

Am Montagabend wurde Jonas Boldt, 37, beim Bundesligaspiel zwischen Leipzig und Hoffenheim auf der Zuschauertribüne gesichtet, es war ein Anblick, der Verwirrung stiftete. Hieß es nicht überall aus angeblich gut unterrichteten Kreisen, Boldt sei dringend verdächtig, in Kürze den vakanten Posten des Sportchefs auf Schalke zu übernehmen? Was hatte der ehemalige Sportchef von Bayer Leverkusen dann in Leipzig verloren? Wollte er womöglich, worüber da und dort auch schon geraunt wurde, lieber nach Leipzig als nach Gelsenkirchen wechseln?

Der Witz der Geschichte ist nun der, dass der neue Schalker Sportbeauftragte tatsächlich am Montag auf der Tribüne in Leipzig umherlief - doch dass es sich bei dieser Person um Jochen Schneider, 48, handelte. Das haben außer Jochen Schneider und dem Ober-Schalker Clemens Tönnies aber nur ein paar ausgewählte Eingeweihte gewusst. Boldt, der sich in der sächsischen Stadt lediglich ein interessantes Fußballspiel hatte anschauen wollen, gehörte nicht dazu.

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Die beiden Bundesligisten sind mit ehrgeizigen Zielen in die Saison gestartet, mehr als Platz 14 und 16 war bisher aber nicht drin. Haben sich die Klubs übernommen oder gibt es - mit neuen Managern - noch einen Weg aus der Krise?

Von Anna Dreher, Christof Kneer und Martin Schneider

Wie der Rest der Fußball-Welt war auch er höchst überrascht, als Schalke am Dienstagnachmittag bekanntgab, dass Schneider, bisher "Leiter Sport und Internationalisierung" bei Rasenballsport Leipzig, der neue Sportvorstand in Gelsenkirchen werden soll. Beim Staunen beließ es Boldt allerdings nicht. Nach ein wenig Bedenkzeit rief er Tönnies an und ließ ihn wissen, für ein Engagement auf Schalke nicht (mehr) zur Verfügung zu stehen. Man darf annehmen, dass sich Boldt bei Tönnies auch für die guten und spannenden Gespräche bedankt hat, und dass man ja vielleicht ein andermal zusammenkommen werde. Die Fußballbranche ist ein überschaubarer Kosmos, jeder kennt jeden, und es gibt immer irgendwo ein Wiedersehen.

Mit Boldt hatte Schalke, wie zu hören ist, über verschiedene Modelle der Zusammenarbeit geredet. Ein Posten als Vorstandsmitglied wurde ebenso angesprochen wie ein Engagement als Sportdirektor, der dem Vorstand berichtet. Doch die Dynamik der sportlichen Krise und der außerplanmäßige Rückzug von Amtsinhaber Christian Heidel schufen neue Voraussetzungen, Tönnies sah Eile geboten, Boldt misstraute dem Verfahren und damit auch dem Projekt. Möglich ist allerdings auch, dass er jetzt einen Job absagte, für den er zwar mal ausgewählt worden, nun aber gar nicht mehr vorgesehen war.

Schneider war im Leipziger Red-Bull-Revier für die globale Koordination zuständig

Dass Schalke 04 sich künftig einen richtigen Sportdirektor leisten möchte (Heidels Assistent Axel Schuster trug diesen Titel lediglich der Form halber), das ist immerhin gewiss. Einen geeigneten Mann zu benennen, werde zu Schneiders ersten Aufgaben gehören, teilte der Verein mit. Vermutlich wird es nicht an Interessenten mangeln, und nicht alle werden so wählerisch sein wie Jonas Boldt, der sich das dank seiner Referenzen aus Leverkusen leisten kann. Als Tönnies Anfang Dezember anklingen ließ, der Klub könne mehr sportliches Knowhow brauchen, habe er "sofort 100 000 Bewerbungen bekommen", hat Heidel neulich erzählt.

Wie Schneider an den begehrten Job gekommen ist, darüber schweigen sich die Beteiligten bisher aus. Der 48 jahre alte Schwabe ist schon lange in der Branche tätig, ein echter Schalker führte ihn ins Geschäft ein: Rolf Rüssmann, jahrelang Vorstopper in Gelsenkirchen und später Manager in wilden Zeiten, nahm Schneider 2001 als Assistent zu sich, als er beim VfB Stuttgart arbeitete. Anderthalb Jahre später musste Rüssmann (der inzwischen verstorben ist) wieder gehen, Schneider aber blieb in wechselnden Stellungen der Chefetage des VfB erhalten.

In Stuttgart arbeitete er mit unterschiedlichen Koryphäen zusammen: Felix Magath, Horst Heldt, Fredi Bobic, Armin Veh. Letzterer schwärmte der Funke-Mediengruppe vor: "Jochen ist für Schalke ein sehr guter Griff. Ich bin überzeugt davon, dass er es schafft - von seinem Charakter her, von seinem Können, von seiner Intelligenz. Es hat mich gewundert, dass er noch nirgendwo die Nummer eins geworden ist. Er hatte auch einen großen Anteil an unserer Meisterschaft 2007. Er war auch dabei nicht in vorderster Front, aber er hatte immer eine klare Meinung." Der Sky-Experte Reiner Calmund, der in der Branche bekanntlich jeden kennt (und manche besser als sie sich selbst), würdigte Schneider als "dicken Fisch". In der Öffentlichkeit sei er nicht so bekannt, aber in Fachkreisen anerkannt.

Ralf Rangnick unterhält im Fußballgeschäft zwar nicht ganz so viele Verbindungen wie Reiner Calmund, aber auch er hat im Laufe der Jahre einen umfangreichen Kreis von Vertrauten geschaffen, in den er 2015 auch Schneider einreihte. Nachdem er den VfB nach mehr als 15 Jahren auf eigenen Wunsch verlassen hatte, erhielt Schneider im Red-Bull-Imperium unter anderem die Aufgabe, die Filialen in Österreich, USA und Brasilien zu verbinden und Kapazitäten für die Zentrale in Leipzig zu erschließen. Eine globale Herausforderung. Im neuen Job kann er sich auf den Standort Gelsenkirchen konzentrieren, aber das ist schwierig genug.

© SZ vom 28.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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