Schalke in der Champions League:In Notstandsstimmung nach Manchester

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Schock in der Nachspielzeit: Schalkes Torwart Ralf Fährmann blickt dem Abschluss von Raheem Sterling hinterher, der zum 3:2 für Manchester führt. (Foto: Maja Hitij/Getty Images)
  • Schalke 04 begleiten viele Probleme zum Achtelfinal-Rückspiel nach Manchester.
  • In der Bundesliga läuft es nicht, jetzt sind auch die Torhüter unzufrieden.
  • Der talentierte, junge Keeper Nübel könnte den Verein bald verlassen.

Von Philipp Selldorf, Manchester

Manche der Anhänger des FC Schalke, die bereits am Montag zur Champions-League-Reise nach England aufgebrochen waren, haben sich auf den Abend vor dem Spiel mehr gefreut als auf den anderntags bevorstehenden Abend mit dem Spiel. Das Wiedersehen zwischen Manchester City und Schalke 04 bietet selbst passionierten Auswärtsfahrern nicht viel Anlass zur Zuversicht, weniger wegen des Ergebnisses im ersten Duell (3:2 für City) als wegen der allgemeinen Notstandsstimmung in Gelsenkirchen. Viele Fans rätseln daher nicht darüber, ob sie es im Viertelfinale der Königsklasse womöglich doch mit dem FC Barcelona oder vielleicht erneut mit dem FC Porto zu tun bekommen - sondern ob der Gegner in den Relegationsspielen im Sommer Union Berlin oder Hamburger SV heißen wird.

Während Pep Guardiola als Trainer des Gastgebers den guten Ton wahrte und eine dringende Warnung vor dem derangierten deutschen Außenseiter verbreitete ("Schalke braucht hier nur zwei Tore!"), hat Steven Skrzybski im Namen der Gäste das Pflichtprogramm dadurch erfüllt, dass er darauf hinwies, im Fußball sei "schon vieles passiert". Tatsächlich gibt es da ja die nahezu unheimliche Prophezeiung des Spaniers Koke, Mittelfeldspieler von Atlético Madrid, dessen Tipps zum Achtelfinale bereits zur Hälfte wahr geworden sind. Unter anderem hatte Koke, 27, bereits vor den Hinspielen geweissagt, dass die Favoriten Paris St. Germain und Real Madrid auf der Strecke bleiben würden, und - siehe! - er verkündete auch das Aus von Manchester City gegen Schalke. Koke ist neuerdings in Gelsenkirchen ein populärer Mann.

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Wenn es um die kleine Chance auf die Sensation geht, dann denken Schalker jetzt an den 4:3-Sieg ihrer Elf bei Real Madrid vor vier Jahren, als nur ein Stiefeltritt zum Weiterkommen fehlte. Noch lieber erinnern sie sich des 5:2-Siegs bei Inter Mailand vor acht Jahren, als der Trainer Ralf Rangnick ein allerletztes Aufgebot mit Hans Sarpei, Lukas Schmitz und Ali Karimi formierte. Allerdings standen damals auch noch Männer wie Manuel Neuer, Julian Draxler, Jefferson Farfán und Raúl für Königsblau auf dem Feld.

Angebote für Torwart-Talent Nübel?

Die gegenwärtige Schalker Mannschaft, vom inzwischen entschwundenen Manager Christian Heidel im Laufe der vergangenen zweieinhalb Jahre radikal und nicht zu deren Vorteil umgebaut, muss auf solche Spitzenspieler verzichten. Sie hat lediglich einen Mini-Manu im Angebot, den Schlussmann Alexander Nübel, 22, der schon während der Zeit in den Juniorenteams von TUS Paderborn mit dem Nationaltorwart verglichen wurde, weil er exzellent mit dem Ball umgehen kann und auch sonst in seinen jungen Jahren schon über ein ziemlich komplettes Repertoire verfügt.

Nübel ist, neben dem 20 Jahre alten Weston McKennie, Schalkes Entdeckung der Saison, dennoch wird er wohl in Manchester ebenso auf der Bank sitzen wie der US-amerikanische Mittelfeldspieler. Während der überaus eifrige McKennie vermutlich geschont wird für das Bundesligaspiel gegen Leipzig am Samstag, muss Nübel seinen Platz dem in die Reserve versetzten Kollegen Ralf Fährmann, 31, überlassen.

Diesen Plan hat sich Trainer Domenico Tedesco einfallen lassen, er wollte auf diese Weise den nach seiner Degradierung ärgerlichen Fährmann beruhigen. Ärgerlich ist nun allerdings auch Nübel. Denn Tedesco hatte ihm nach der entsprechenden Grundsatzentscheidung nicht nur den Job in der Bundesliga zugesagt, sondern auch die Champions League versprochen. Dass er beim Heimspiel gegen Manchester zuschauen musste, erfuhr Nübel erst einen Tag vor dem Anstoß. So hatte Tedesco auf einmal zwei Torhüter, die nicht zufrieden waren. Und Fährmann wusste zudem mit dem geschenkten Spiel nicht umzugehen. Das 0:1 durch Sergio Agüero leitete er in die Wege, indem er im falschen Moment seinem fußballerisch begabten Kollegen Nübel nacheiferte. Er suchte die spielerische Lösung und verursachte dadurch einen fatalen Ballverlust.

Der andere Fehler mit Nübel, der viel schwerer wiegt, geht nicht auf Tedesco, sondern auf Heidel und dessen Versäumnis zurück. 2016 ist der junge Torwart im Gefolge von Trainer André Breitenreiter aus Paderborn nach Gelsenkirchen gekommen, zwischenzeitlich wurde sein Vertrag bis 2020 verlängert, allerdings zu recht bescheidenen Konditionen. Spätestens zu Beginn der Saison, als Nübel stellvertretend für den verletzten Fährmann ein halbes Dutzend Spiele absolvierte, zeichnete sich seine außerordentliches Begabung ab (abgesehen davon, dass er als Schalker Reservetorwart bereits Stammkeeper der U21- Nationalelf war).

Doch auf Heidels Antrag, den Vertrag standesgemäß anzupassen, wartete Nübel bisher ebenso vergeblich wie auf Heidels Angebot, den Vertrag zu verlängern. Demnächst ist es dann womöglich so weit, dass andere ihm dieses Angebot machen - und Schalke das nächste Großtalent verliert, unter Umständen mal wieder ablösefrei.

© SZ vom 12.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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