Bundesliga:Der BVB hat ein bisschen Glauben zurückgewonnen

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Marco Reus und Axel Witsel jubeln im Dortmunder Dauerregen. (Foto: REUTERS)
  • Gerade noch rechtzeitig schießt Borussia Dortmund drei späte Tore und besiegt Stuttgart mit 3:1.
  • Die Tabellenführung ist vorerst weg, aber der BVB sieht in dem Sieg ein Signal der mentalen Stärke.
  • Am 6. April gastieren die Dortmunder in München - bis dahin muss sich ihre Effizienz vor dem Tor erheblich verbessern.

Von Ulrich Hartmann, Dortmund

Wenn es auf Truman Burbank niederprasselte, dann regnete es wirklich nur an dieser einen Stelle. In einer rundum inszenierten Reality-Sendung namens Truman-Show wusste bloß der Hauptdarsteller von nichts - darum ging es in dem Hollywoodfilm von 1998. Das Wetter wurde gemacht, um den ahnungslosen Protagonisten mit Sonne zu erheitern oder mit Regen zu demütigen. Ein bisschen wie Truman Burbank fühlten sich am Samstag wohl auch die Fußballer von Borussia Dortmund.

In ihrem Stadion gingen während des Spiels gegen Stuttgart Wolkenbrüche und Hagel hernieder, es stürmte, dass die Regenfäden bisweilen horizontal flogen. Die Dortmunder Titelanwärter versuchten unter diesen widrigen Umständen eine Stunde lang vergeblich, gegen den Abstiegskandidaten Stuttgart ein Tor zu erzielen, derweil trafen aus München in immer kürzeren Abständen Mitteilungen über Treffer des FC Bayern ein. Es wirkte, als sollten die Dortmunder demoralisiert werden.

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Doch die BVB-Fußballer machten es wie Truman Burbank im Film: Sie nahmen ihr Schicksal am Ende selbst in die Hand. Sie schossen spät, aber gerade noch rechtzeitig drei Tore (62., 84., 90+2.) und besiegten Stuttgart mit 3:1 (0:0). Nach fünfeinhalb Monaten Tabellenführung gaben sie ihren Status als Spitzenreiter durch das schlechtere Torverhältnis zwar an den FC Bayern ab, doch sie wahrten die Punktgleichheit und sehen im hart erkämpften Sieg ein Signal der mentalen Stärke.

"Inmitten dieses verrückten Wetters haben wir unser Kämpferherz gezeigt", sagte der belgische Spielmacher Axel Witsel. Der BVB hat ein Spiel gewonnen, aber mehr noch ein bisschen Glauben zurück an sich selbst. Nach zuvor acht Pflichtspielen mit nur einem Sieg, nach dem Aus im DFB-Pokal und dem Aus in der Champions League kämpfen sie gegen ihr Tief an und scheinen bereit, das sich zuspitzende Fernduell mit dem FC Bayern anzunehmen.

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Solche Spiele gebären mitunter fast vergessene Helden, und zu einem solchen avancierte der elf Minuten vor Schluss eingewechselte Christian Pulisic. Der US-Amerikaner, 20, der im Sommer zum FC Chelsea wechselt, hatte im Laufe dieser Saison einen seltsamen Leistungsabsturz erlitten und in der BVB-Mannschaft nahezu keine Rolle mehr gespielt. Wenn er überhaupt zum Einsatz kam, wurde er spät eingewechselt, und die einzige Partie, bei der er zuletzt mal von Beginn an mitspielen durfte, ging in Düsseldorf verloren.

Gegen Stuttgart stand es 1:1, nachdem Marco Reus für den BVB einen Foulelfmeter verwandelt (62.) und Marc-Oliver Kempf für die Stuttgarter per Kopfball ausgeglichen hatte (71.), als Pulisic in der 79. Minute eingewechselt wurde. Er benötigte nur fünf Minuten, um für Paco Alcácer das 2:1 vorzubereiten sowie 13 Minuten, um in der Nachspielzeit den 3:1-Endstand selbst zu erzielen. Es war sein erstes Bundesliga-Tor nach knapp einem halben Jahr.

"Sie haben einen gigantischen Bus vor ihrem Tor parkiert"

Pulisic war folglich der Matchwinner einer Partie, die Dortmunds kämpferische Qualitäten ebenso betonte wie ihre akuten Probleme, effektiven Fußball zu spielen. Es ist nur ein Gerücht, dass die Mannschaft kommende Woche die "Creativa" in der Westfalenhalle gleich neben dem Stadion besuchen will, Europas größte Messe für kreatives Gestalten. Dabei bräuchte das Team gerade in dieser Hinsicht neue Impulse. Es tut sich so oft so schwer, weil mittlerweile die meisten Gegner sehr tief vor dem eigenen Tor verteidigen. So haben es auch die cleveren Schwaben gemacht. "Sie haben einen gigantischen Bus vor ihrem Tor parkiert", sagte der Schweizer Lucien Favre, aber gegrinst hat der BVB-Trainer bei diesem Gag eher gequält.

"Natürlich sind die letzten Wochen nicht spurlos an uns vorbeigegangen", sagte der Kapitän Reus. Die Dortmunder fühlen sich wie in einem Regionalzug, der von den Münchnern im ICE überholt wurde. Dass sie nach 161 Tagen die Tabellenführung wieder abgeben mussten, kann allerdings auch befreienden Charakter haben. "Mir ist das wurscht", sagte Reus trotzig. Die Westfalen wollen erst zum Saisonende Mitte Mai abrechnen. "Bis dahin schauen wir von Spiel zu Spiel", sagt Favre robotergleich. Dabei darf man nicht vergessen, dass die Dortmunder am 6. April in München gastieren. Bis dahin müssen sie sich spielerisch noch erheblich regenerieren.

Einen ersten Schritt dorthin haben sie womöglich durch Favres Systemumstellung gemacht. Mit Witsel als zentral-defensivem Mittelfeldspieler und den offensiven Halbpositionen Marco Reus und Mario Götze haben sie gegen Stuttgart wie schon zuvor gegen Tottenham das Mittelfeld beherrscht. Als sie bereits wieder fürchteten, ihre Dominanz zu verschleudern, schossen Reus und Alcácer ihr jeweils 14. Saisontor. Der Spanier nutzte eine Torchance, die eigentlich keine war. "Das war ein Tor von einem Stürmer!", lobte Favre, wohlwissend, dass sie solche Tore brauchen, um am Ende vielleicht doch Meister zu werden.

© SZ vom 11.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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