FC Bayern:Mit Sprengkraft an die Spitze

Bayern München - VfL Wolfsburg

Trainer Niko Kovac gestikuliert am Spielfeldrand - er konnte aber sehr zufrieden sein gegen Wolfsburg.

(Foto: dpa)
  • Der FC Bayern hat sich endgültig von seiner Schwächephase erholt, die Saison könnte sogar noch sehr erfolgreich werden.
  • In der Debatte um das DFB-Aus von Hummels, Boateng und Müller schickt der Klub eindeutige Zeichen.
  • Gegen Liverpool stehen die Münchner nun aber vor einer riesigen Aufgabe.

Von Benedikt Warmbrunn

Das Staatsmännische zeigte sich bei Joshua Kimmich am Samstag im Gesicht. Die vergangenen Monate hatte er sich einen verwegenen Schnauzbart stehen lassen, der wohl Ausdruck jugendlicher Experimentierfreudigkeit war und daher vollkommen angemessen für einen Mann, der im Februar, noch mit Schnauzbart, 24 geworden ist. Für seine Arbeit als Fußballspieler hatte dieser Bart keine Bedeutung, und daher war es auch nicht weiter relevant, dass Kimmichs Gesicht am Samstag wieder glatt rasiert war. Zumindest nicht bis zum frühen Abend.

Auf dem Weg nach Hause blieb Kimmich bei den Reportern stehen, und weil er vor ihnen mit einem wohlrasierten Gesicht stand, sprach da keiner, dem man jugendliche Wildheit unterstellen könnte, sondern es sprach der Musterschüler des deutschen Fußballs, einer, der schon in jungen Jahren nachgewiesen hat, dass er den Lauf der Dinge hinterfragt und sich auch nicht zu schade ist, seine Meinung mitzuteilen.

Der FC Bayern hatte gerade 6:0 (2:0) gegen den VfL Wolfsburg gewonnen, aber darum ging es Kimmich nicht lange, auch wenn dieser Sieg und der damit verbundene Sprung an die Tabellenspitze durchaus eine gewisse Bedeutung hatte, wenige Tage vor dem Rückspiel im Achtelfinale der Champions League gegen den FC Liverpool am Mittwoch. Kimmich sprach lieber über die Nationalmannschaft, was in diesen Tagen ein Thema mit Sprengkraft ist.

Das 6:0 gegen Wolfsburg war ja nicht nur das letzte Spiel vor dem Spiel gegen Liverpool, es war auch das erste Spiel nach dem abrupten Ende der Nationalmannschaftskarrieren von Jérôme Boateng, Mats Hummels und Thomas Müller. Alle drei hatten sich zu diesem unangekündigten Besuch von Bundestrainer Joachim Löw in München in der vergangenen Woche geäußert, mal mehr (Boateng), mal weniger diplomatisch (Müller); der FC Bayern hatte ein offizielles Kommuniqué verschickt. Am Samstag spielten alle Verbannten, als weitere kleine Botschaft von Niko Kovac, auch wenn Sportdirektor Hasan Salihamidzic später versicherte: "Der Trainer hat sich schon was dabei gedacht, klar, aber es war jetzt nicht unbedingt darauf bezogen, was in der Woche passiert ist."

In einer souveränen Münchner Mannschaft spielten auch Hummels, Boateng und Müller souverän; Müller bereitete das 1:0 durch Serge Gnabry vor (34.), das 4:0 erzielte er selbst (76.), beides gelang ihm mit dieser weltweit bewunderten Gelenkigkeit, der er auch seine 100 Länderspiele verdankt. Die Innenverteidiger Hummels und Boateng ließen echte Gefahr nie zu, was aber auch an den auf dreiste Art wehrlosen Gästen lag.

"Alle drei", sagte Leon Goretzka, "haben heute ein hervorragendes Spiel gemacht." Der Mittelfeldspieler erzählte dann, dass er "nicht nur als Fußballer, sondern generell als Deutscher" den dreien gegenüber "unheimlich viel Dankbarkeit" verspüre, für "unheimlich viele schöne Stunden", vor allem für den WM-Titel 2014. "Wenn ich daran zurückdenke, kriege ich jetzt noch eine Gänsehaut."

Aus der Sicht des früheren Fans berichtete zunächst auch Kimmich, als er erzählte, dass er die Nationalmannschaft aus seiner Jugend "eigentlich nur mit den dreien" kenne, dann aber wechselte er die Perspektive und sprach über Löws Besuch in München. Und je mehr er sprach, umso mehr steigerte er die Sprengkraft seiner Aussagen. "Wenn ich das aus Spielersicht bewerten muss, ist die Art und Weise natürlich nicht okay." Dann: "Ich verstehe absolut, dass die Jungs enttäuscht sind."

Dann: "Die haben einen anderen Abgang verdient." Sein Referat zum Thema Leistungsgerechtigkeit in der deutschen Nationalmannschaft beendete er mit einem Hinweis: "Ich denke mal, dass keiner von den Jungs zu alt ist, um für die Nationalmannschaft zu spielen." Es waren die Aussagen eines 24 Jahre alten Mannes, der immer wieder gehandelt wird, wenn es darum geht, wer später einmal die Nationalelf als Kapitän mit Haltung und Meinungsfreudigkeit repräsentieren darf.

Bartstoppel beim Kapitän

Wenige Minuten später trat dann der gegenwärtige Kapitän des FC Bayern und der Nationalmannschaft vor die Mikrofone. Im jahrelang glatt rasierten Gesicht von Manuel Neuer stehen zurzeit ein paar Bartstoppeln, was aber keine weitere Bedeutung hatte: Neuer sprach mit der Aura des Staatsmannes. Der Torwart, der erst nach dessen München-Besuch mit Löw telefoniert hatte, präsentierte sich als oberster deutscher Fußballdiplomat, er versuchte, beide Seiten zu verstehen. Kritik an Löw? Nicht von ihm.

Die drei hätten "ein richtig gutes Spiel" gemacht, lobte Neuer, dann lobte er sofort, dass "der FC Bayern mit allen elf Spielern und denen, die eingewechselt wurden, ein richtig gutes Spiel gemacht" habe. Dass die drei enttäuscht waren, "das kann ich auch verstehen", sagte Neuer, "aber andererseits ist ein Trainer auch dazu da, um Entscheidungen zu treffen, und wenn er der Meinung ist, diese Entscheidung so treffen zu müssen, dann wurde es den Spielern auch so mitgeteilt". Ob er Verständnis dafür habe, dass zwei 30-Jährige sowie ein 29-Jähriger nicht vorübergehend, sondern endgültig ausgeschlossen worden sind? "Dazu kann ich nichts sagen. Das ist eine Entscheidung des Trainers beziehungsweise der sportlichen Führung", sagte Neuer, der als 32-Jähriger noch lange nicht ans Ende seiner Länderspielkarriere denkt.

Hummels, Boateng und Müller äußerten sich am Samstag nicht weiter, Müller rief lediglich: "Wir haben einen schönen Spieltag erlebt!" Hummels postete am Abend auf Instagram ein Foto von sich mit Müller, dazu ein Wort: "Iversonesque." Ein Verweis auf den amerikanischen Basketballer Allen Iverson, der 2004 ähnlich abrupt aus dem Nationalteam abberufen wurde, anschließend jedoch noch lange zu den spektakulärsten Spielern der NBA zählte.

Löws Besuch in der vergangenen Woche wird lange ein Thema bleiben, vermutlich nicht nur in München. Dass er am Mittwoch wieder thematisiert werden wird, ist gesichert. Präsident Uli Hoeneß sagte, zum Bundestrainer "werde ich mich nach dem Liverpool-Spiel mal äußern". Am Samstag schwieg er dazu. "Ich möchte die Ruhe, die wir uns erarbeitet haben, bis nach dem Spiel erhalten. Und dann sehen wir weiter."

Es klang ganz so, als ob Kimmichs Aussagen in ihrer Deutlichkeit bald übertroffen werden könnten.

Zur SZ-Startseite
FC Bayern Muenchen v VfL Wolfsburg - Bundesliga

Müller, Hummels und Boateng
:Die Botschaft des FC Bayern

Thomas Müller, Mats Hummels und Jérôme Boateng erleben nach ihrer Verbannung aus der Nationalelf ein lässiges 6:0 gegen Wolfsburg. Die Kritik am Bundestrainer kommt von ihren Kollegen.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: