Schalke 04:Dankbarer Applaus in Gelsenkirchen

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Platz fünf, punktgleich mit dem BVB - die ersten Schritte zur Besserung bei Schalke sind getan, weitere müssen folgen. Aber immerhin: Es geht wieder um den Sport auf dem Rasen.

Kommentar von Philipp Selldorf

Ständige Besucher der Arena in Gelsenkirchen haben am Freitag zur Halbzeit des Spiels zwischen Schalke 04 und Mainz 05 gestaunt: Was ihnen ihre Heimmannschaft vorgeführt hatte, das hatte tatsächlich nach Fußball ausgesehen. Spieler liefen sich frei, tauschten die Positionen, suchten den geraden Weg in den Strafraum, ließen den Ball laufen, statt mit ihm ins Verderben zu rennen. Ja, es gab sogar authentische Doppelpässe - eine Requisite des Fußballspiels, von deren Existenz die Schalker Profis während der vorigen Saison noch nie etwas gehört zu haben schienen.

An anderen Bundesliga-Standorten wäre man über all das wohl nur milde erfreut - in Gelsenkirchen aber meinten die Leute, in ein anderes Fußball-Zeitalter verzaubert worden zu sein. Dankbarer Applaus begleitete das Team in die Pause, am Ende herrschte wilde Euphorie, obgleich der 2:1-Sieg unbestreitbar glücklich zustande gekommenen war.

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Bei der kaum veränderten Elf sieht man den Effekt der Psyche

In der vorigen Saison ließen sich die Schalker Heimspiele für die mit den Hausherren sympathisierenden Zuschauer schwer, manchmal auch gar nicht mehr ertragen. Franz Beckenbauer hätte dazu mit Recht gesagt: "Ich weiß nicht, was es ist - aber Fußball ist es nicht." Enttäuschte und wütende Pfiffe des Publikums bildeten wie der Rasen, der Ball und der Sauerstoff in der Luft einen unbedingten Bestandteil der Schalker Veranstaltungen. In der gesamten Rückrunde gab es einen einzigen Heimsieg, und der gelang am ersten Spieltag nach der Winterpause.

Die Mannschaft, die jetzt frenetisch gefeiert wurde, ist bis auf den englischen Verteidiger Kenny mit dem tollen Vornamen Jonjoe die gleiche Mannschaft, die im Vorjahr fast abgestiegen wäre. Sie bietet sich als Anschauungsobjekt für den Effekt der Psyche auf die sportliche Leistungsfähigkeit an. Im Misserfolg und Zustand von Verunsicherung und Versagensangst sahen gute Fußballer regelmäßig wie Dilettanten aus. Dem sehr guten Fußballer Amine Harit kamen - auch wegen persönlicher Probleme, um die sich niemand richtig kümmerte - seine Fähigkeiten so weit abhanden, dass die Schalker ihn loswerden wollten. Nun hat man ihn an die Hand genommen, und Harit schoss per Kunstschuss den Siegtreffer und bereitete brillant das 1:0 vor.

Es gab schon Trainer in der jüngeren Schalker Vergangenheit, die hätten die allgemeine Begeisterung dazu genutzt, um die Urheberschaft des Wandels für sich zu reklamieren (Domenico Tedesco ist damit nicht gemeint). Deshalb ist es eine gute Nachricht für Schalke 04, dass der unaufgeregte neue Chefcoach David Wagner nicht nur kein Interesse an Komplimenten zeigte, sondern seriös und fachlich die Existenz einer Metamorphose zu dementieren wusste. Er stellte dem Team eine umfassende Mängelkarte aus und offenbarte Ratlosigkeit über den Leistungsabfall in der zweiten Halbzeit gegen Mainz, in der seine Spieler den Zweck des Spiels verfehlt hätten: "Unser größtes Problem war der Ballbesitz."

Bekanntlich ist Schalke kein normaler Verein, sondern ein gefühliges Wesen mit der Neigung zu manisch-depressiven Zügen und einem nicht minderen Hang zur Selbstüberschätzung. Das hat den Klub schließlich zum Sanierungsfall gemacht. Die neuen Verantwortlichen haben jetzt sportliche Arbeits- und Organisationsstandards eingeführt, wie sie in anderen Vereinen selbstverständlich sind. Die ersten Schritte zur Besserung sind getan, weitere müssen folgen. Aber auch das klingt ja schon nach einer Sensation: Es wird wieder Fußball gespielt auf Schalke.

© SZ vom 23.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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