Ronaldo-Wechsel zu Juventus Turin:Adiós eines Säulenheiligen

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  • Der Transfer von Cristiano Ronaldo aus Madrid nach Turin geht für eine überraschend "geringe" Summe über die Bühne.
  • Medien berichten, dass der Portugiese nur etwa 100 Millionen Euro kostet - in Zeiten horrender Ablösesummen ist das fast schon günstig.

Von Javier Cáceres, Sankt Petersburg

Der wahrscheinlich spektakulärste Transfer des Sommers ist perfekt. Wie Real Madrid am Dienstagnachmittag offiziell mitteilte, wechselt der fünfmalige Weltfußballer Cristiano Ronaldo zur neuen Saison zu Juventus Turin. In einem Kommuniqué hieß es, dass Real Madrid "dem Willen und dem Ersuchen" des portugiesischen Europameisters von 2016 stattgegeben habe. Über die Ablösemodalitäten wurde offiziell nichts bekannt. Die vertraglich festgeschriebene Ablöse belief sich auf eine Milliarde Euro, laut Juventus beträgt sie nun 100 Millionen Euro plus zwölf Millionen Verwaltungskosten. Damit würde Real Madrid ziemlich genau die Summe wieder hereinholen, die der Klub 2009 für Ronaldo ausgab, als er ihn von Manchester United wegholte.

Ronaldo hatte immer den Willen bekundet, seine Karriere nach Möglichkeit bei Real Madrid ausklingen zu lassen. Es blieb ein Traum. Zu groß waren die Verwerfungen mit dem Vereinspräsidenten Florentino Pérez. Der Zusammenprall zweier einzigartiger Egos führte nun zu einer Scheidung, die vor zwei Wochen kaum jemand für möglich gehalten hätte. Nichts deutete darauf hin, dass es einen Klub geben könne, der Ronaldos sportlichen und finanziellen Ambitionen gerecht werden könnte.

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Die Realität sieht nun anders aus. Im Kommuniqué, das zwischen allen implizierten Parteien bis auf das letzte Komma abgestimmt war, drückte Real Madrid "einem Spieler, der nachgewiesen hat, der beste Spieler der Welt zu sein und eine der brillantesten Epochen unseres Klubs und des Weltfußballs geprägt hat, seinen Dank aus". Ronaldo hat mit Real Madrid 16 Titel geholt, darunter viermal den in der Champions League.

Ronaldo selbst wandte sich in einem offenen Brief an die Anhänger Reals: "Diese Jahre in Madrid waren wahrscheinlich die glücklichsten meines Lebens", hieß es in dem Schreiben des Portugiesen.

Der Abschied Ronaldos weckt in gewisser Weise Erinnerungen an das Adiós eines anderen Säulenheiligen von Real Madrid: Alfredo Di Stéfano. Er ging Ende 1964 zu Espanyol Barcelona, nach einem heftigen Streit mit dem damaligen Vereinschef Santiago Bernabéu. In dessen Tradition sähe sich gerne Real Madrids aktueller Präsident, der Bauunternehmer Florentino Pérez. Es wird abzuwarten sein, wie sehr die Anhänger von Real Madrid goutieren, dass er den neben Lionel Messi vom FC Barcelona überragenden Spieler des letzten Jahrzehnts nach Italien transferiert.

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Denn trotz des verbalen Zellophans, mit dem nun der Abschied in dem wortklingelnden Kommuniqué eingepackt wurde: Zwischen Ronaldo und Pérez stimmte schon seit geraumer Zeit nichts mehr. Das Fass zum Überlaufen brachte, dass Pérez mit dem Brasilianer Neymar Júnior flirtete. Die Reaktion Cristianos soll nahezu biblisch gewesen sein: Du sollst keinen anderen Gott neben mir anbeten, bedeutete er - im übertragenen Sinne - dem Vereinschef. Dazu kam, dass Neymar Júnior bei Paris Saint-Germain und auch Messi in Barcelona mehr als doppelt so viel verdienten wie Ronaldo bei Real Madrid. Das Gehalt des Portugiesen belief sich auf angeblich 23 Millionen Euro jährlich - netto. Ronaldo wollte so bezahlt werden, wie es in seinen Augen seinem Status entspricht: als der beste Spieler der Geschichte.

Eine nicht unwesentliche Rolle spielte überdies, dass Ronaldo mit den spanischen Steuerbehörden im Clinch lag - und sich vom Klub alleingelassen fühlte. Der Streit mit dem Fiskus kreiste um millionenschwere Werbeeinnahmen, die er durch Briefkastenfirmen in Steuerparadiesen hatte schleusen lassen. Dem Vernehmen nach hat er sich mit den spanischen Behörden auf ein Schuldeingeständnis sowie eine Strafzahlung von etwas weniger als 20 Millionen Euro geeinigt. Damit kam er um einen langwierigen Prozess und wohl auch um eine Gefängnisstrafe herum.

Angesichts seiner Werbeeinnahmen wird er das verschmerzen können - auch wenn er bei Juventus Turin auf das angedachte Salär wohl nicht kommen wird. Die Rede ist von einem Gehalt von rund 30 Millionen Euro jährlich. Real Madrid soll bereit gewesen sein, das Gehalt Ronaldos auf eine Zahl zu erhöhen, die dem Angebot von Juventus Turin entsprochen hätte. Doch Ronaldo wollte angeblich nicht mehr - auch deshalb die gleich im ersten Satz des Kommuniqués verankerte Feststellung, es sei Ronaldos Wille und Bitte gewesen, Real Madrid zu verlassen.

"Es ist der Moment gekommen, eine neue Etappe in meinem Leben zu beginnen", schrieb Ronaldo: "Ich bitte insbesondere unsere Fans darum, mich zu verstehen." Die Gründe, die für Juventus sprachen, führte er nicht aus. Sie haben aber mit der Reaktion des Turiner Publikums zu tun, das seinen famosen Fallrückzieher im diesjährigen Viertelfinalduell der Champions League mit einer Ovation quittierte. Real Madrid schickte Ronaldo eine ganze Reihe warmer Worte hinterher.

"Jenseits der in diesen neun Jahren errungenen Titel, der gewonnenen Trophäen und der Triumphe auf den Spielfeldern war Cristiano Ronaldo ein Beispiel der Hingabe, der Arbeit, der Verantwortung, des Talents und der Selbstüberwindung", heißt es im Kommuniqué: "Er wird immer eines der großen Symbole unseres Klubs und eine einzigartige Referenz für die kommenden Generationen sein."

Die spannende Frage wird nun sein, wie Real Madrid die Lücke schließen will. Im Gespräch sind diverse Spieler, die Rang und Namen haben; beispielsweise der Belgier Eden Hazard vom FC Chelsea, der Engländer Harry Kane von Tottenham Hotspur oder der Franzose Kylian Mbappé von Paris Saint-Germain. Doch kaum ein Spieler dürfte unter Marketingaspekten dem gewaltigen Wert Ronaldos näher kommen als der Brasilianer Neymar von Paris Saint-Germain. Er wechselte 2017 vom FC Barcelona für 222 Millionen Euro nach Paris. Theoretisch kann er in diesem Sommer unter keinen Umständen wechseln. Aber das war auch bei Ronaldo die Annahme - bis zum Dienstagabend, bis zur Bestätigung des Wechsels.

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"Es ist nicht der Moment, über die Zukunft zu reden", sagt Cristiano Ronaldo nach seinem WM-Aus. Ob er mit 37 Jahren noch mal eine WM spielt, scheint weniger fraglich zu sein als seine Zukunft bei Real Madrid.

Von Javier Cáceres

Es darf also gewettet werden, dass es in diesem Sommer, in den kommenden Wochen, zu einem der brutalsten Marktkämpfe der Fußball-Geschichte kommen wird. Denn dass Real Madrid zumindest versuchen wird, den Transfer des Brasilianers Neymar zu erzwingen, darf mehr als nur vermutet werden.

© SZ vom 11.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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