Roger Federer in der Krise:Zerschellt am Felsen Nadal

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Zwei Rivalen: Rafael Nadal (links) und Roger Federer. (Foto: AFP)

Zwei Rivalen, so weit voneinander entfernt wie noch nie: Während Roger Federer auf der Setzliste der US Open so schlecht eingestuft wird wie seit elf Jahren nicht mehr, gewinnt Rafael Nadal ein Match nach dem anderen. Der Schweizer bekommt seine Probleme nur langsam in den Griff.

Von Michael Neudecker

Die Sache mit Désirée ist jetzt kein großes Thema gewesen, aber doch eines, das sie aufgegriffen haben in den Schweizer Zeitungen, der Vorgang war ja erstaunlich. Désirée ist eine Kuh, ein "Viech", wie die Zeitungen schrieben, sie war ein Geschenk der Organisatoren des Tennisturniers in Gstaad an Roger Federer, und vor ein paar Tagen nun ließ Federer das Viech versteigern, oben, auf der Gummalp. Désirée brachte 4000 Franken ein, das war okay, aber eine gewisse Larissa wurde für 8000 Franken versteigert: das Doppelte. Larissa, hieß es, biete "die besseren landwirtschaftlichen Perspektiven", und dann war also zu lesen: Selbst ein Federer müsse sich daran gewöhnen, dass sein Name alleine nicht mehr ausreiche, um Top-Ergebnisse zu erzielen.

Das war nett formuliert, die Zeitungen hätten ja auch schreiben können: Wäre Roger Federer eine Kuh, wäre es ihm auf der Gummalp kaum besser ergangen, aber so weit ist es noch nicht gekommen, dass sie in der Schweiz den großen Federer mit einem Viech vergleichen. So weit wird es bestimmt auch nie kommen, der Tennisspieler Roger Federer ist ja noch immer eines der größten Sportidole, das sie je hatten, wenn nicht das größte von allen. Es ist halt nur so: Die Schweizer machen sich gerade etwas Sorgen um ihr Idol.

Am Dienstag ist die Setzliste für die am Montag beginnenden US Open veröffentlicht worden, Federer steht da auf Rang sieben, so schlecht stand er seit elf Jahren nicht mehr, und in der neuen Weltrangliste ist es das exakt gleiche Bild.

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Die Setzliste ist ein Dokument des aktuellen Trends in der Tenniswelt, der noch beachtlicher ist als die Sache mit Désirée: Federers sonderbares Tief fällt gerade zusammen mit dem unglaublichen Hoch des neuen Ranglisten-Zweiten Rafael Nadal.

Die Suche des auch schon 32-jährigen Roger Federer nach seinem Ich der besseren Jahre ist ein Thema in der Tenniswelt, seit Federer in Wimbledon in Runde zwei vor zwei Monaten dem Ukrainer Sergej Stachowski unterlag. Erst vor ein paar Wochen gab Federer der NZZ am Sonntag ein Interview, in dem er feststellte: 2013 habe er zwar als Übergangsjahr eingeplant, "dass es aber gleich so schlecht wird, damit habe ich nicht gerechnet". Er hatte Probleme mit dem Rücken, dann wechselte er seinen Schläger, verwendete in Gstaad und Hamburg einen größeren, verlor damit aber noch deutlicher, weshalb er danach die Testphase vorübergehend für beendet erklärte. Mit altem Schläger spielt er nun wieder besser, das schon, aber die Resultate bleiben wenig berauschend: Seit Wimbledon ist Federer bei drei Turnieren angetreten, er kam kein einziges Mal ins Finale.

Rafael Nadal hat in Wimbledon auch früh verloren, sogar noch früher als Federer, er verlor damals in der ersten Runde gegen Steve Darcis. Seitdem ist er bei zwei Turnieren angetreten, in Montreal und in Cincinnati. Er hat beide gewonnen.

In Cincinnati besiegte Nadal im Viertelfinale Roger Federer, es war die 31. Auflage eines Gegeneinanders, für das der Sport die Bezeichnung Klassiker hat. Federer gegen Nadal, das ist sogar einer der aufwühlendsten Klassiker der Tennisgeschichte, mit zahlreichen denkwürdigen Matches, besonderen Momenten, und natürlich war auch das Match in Cincinnati wieder ein packendes, wenn auch kein historisches. Am Ende wehrte Federer vier Matchbälle ab, beim fünften schlug Nadal den Ball so knapp ins Aus, dass der Schiedsrichter den Fehler übersah, aber Federer verzichtete auf den Videobeweis. Er ist ein kluger Sportler, er weiß, wann es vorbei ist.

Momentaufnahme von Roger Federer im 31. Aufeinandertreffen der beiden Rivalen (Foto: AFP)

"Der verbesserte Federer zerschellt am Felsen Nadal", schrieb danach die NZZ.

In der Schweiz haben sie jetzt zwar wieder Hoffnung, dass der verbesserte Federer sich bei den US Open noch weiter verbessern kann; zumal Roger Federer ja so lange zu den Turnierfavoriten bei einem Grand Slam zählen wird, wie er Tennis spielt. Aber da ist nun auch die Gewissheit, dass es schwer werden wird, sobald er auf Nadal trifft. Rafael Nadal hat in diesem Kalenderjahr 53 von 56 Matches gewonnen, bei zwölf Turnieren stand er elf Mal im Finale und gewann neun, er hat 2013 bislang mehr Titel gewonnen als Djokovic, Andy Murray und Federer zusammen.

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Dabei ist er erst im Februar zurückgekehrt, nach einer siebenmonatigen Verletzungspause, weil sein linkes Knie überlastet war, und war es nicht in Wimbledon, als er gegen Darcis über den Platz humpelte, offensichtlich, dass sein Knie noch immer Probleme macht?

Sah es nicht so aus, als bedrohe das Knie den Fortgang seiner Karriere, schon jetzt, mit 27 Jahren?

Toni Nadal, Onkel Toni, Nadals Trainer und Begleiter, sagte neulich: Unsinn, das Knie sei in Wimbledon kein Thema gewesen, "nur Vorhand, Rückhand, Volley". Ob es tatsächlich so einfach ist, sei dahingestellt, jedenfalls ist Nadal inzwischen in einer derart bemerkenswerten Form, dass es nur eine Frage der Zeit sein dürfte, ehe er Novak Djokovic vom Spitzenplatz der Weltrangliste verdrängt. "Seit er zurück ist", sagt Djokovic, "ist Rafa der Beste", und es kann sein, dass Djokovic das aus Berechnung sagt, Leistungssport ist zu einem großen Teil ja Psychologie. Vielleicht aber ist er auch einfach nur ehrlich, er weiß ja: Sollte Nadal in New York gewinnen und er selbst das Finale verpassen, wäre es schon so weit. "Ich fühle einen Vorteil", sagt Nadal, nach der Rangliste gefragt.

"An der Rangliste", sagt Federer, "orientiere ich mich momentan nicht."

© SZ vom 21.08.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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