Roger Federer am Rothenbaum:Experimente nach dem Wimbledon-Unfall

Lesezeit: 3 min

Härtere Schläge, schwierigere Volleys: Federer mit seinem neuen Racket. (Foto: dpa)

Tommy Haas ist gescheitert, nun ist Roger Federer die verbleibende Großattraktion des ATP-Turniers von Hamburg. Dass er bislang nicht so souverän auftritt, wie erwartet, hat auch mit seinem neuen Spielgerät zu tun.

Von Carsten Eberts, Hamburg

Roger Federer hat in den vergangenen Tagen viel über seinen Schläger gesprochen. Über den Schlägerkopf, den Trampolin-Effekt, die Schlaghärte. Auch über seine Gefühle. "Die Beziehung zum Schläger ist sehr wichtig", sagte Federer. Es war ihm tatsächlich eine ernste Angelegenheit.

Der Schweizer hat einen neuen Schläger, was schon ein Ereignis ist. Schließlich entscheiden sich Tennisprofis auf diesem Niveau nicht jeden Tag für ein neues Arbeitsgerät. Das ATP-Turnier in Hamburg ist sozusagen ein Testlauf. Bislang klappt es ganz gut. Am Freitagabend besiegte er den Deutschen Florian Mayer und steht damit im Halbfinale, wo er am Samstag auf den Argentinier Federico Delbonis trifft. Das Match gegen Mayer geriet knapper als erwartet, Federer siegte 7:6 (7:4), 3:6, 7:5. Später sagte er: "Wir waren heute gleich stark. Aber im Tennis gibt es kein Unentschieden."

Damit ist Federer die verbleibende Großattraktion des Hamburger Turniers. Lokalheld Tommy Haas hatte am Freitag gegen den starken Italiener Fabio Fognini verloren, nun kommt es doch nicht zum Duell Federer gegen Haas im Finale, das sich vor allem Turnierdirektor Michael Stich so sehr gewünscht hatte. "Wer weiß, wie oft ich das noch haben und ob ich hier nächstes Jahr wieder aufschlagen werde", berichtete Haas geknickt. Er ist schon 35 Jahre alt. Jeder Auftritt könnte sein letzter auf der Profi-Tour sein.

Anders Federer. Er ist vier Jahre jünger als Haas, hat noch viel vor - und deshalb zurück zu seinem Schläger. Normalerweise ist der Schweizer niemand, der an seinem Spiel herumexperimentiert. Doch das frühe Aus in Wimbledon, als er in der zweiten Runde gegen den Ukrainer Sergej Stachowski verlor, war ein heftiger Einschnitt, hat ihn aufgeschreckt. Federer zog sich mit seiner Familie in die Schweiz zurück, und beschloss, dass es Zeit war, etwas Neues auszuprobieren. Er habe schon länger an einen neuen Schläger gedacht, sagte Federer, zwischen den Grand-Slam-Turnieren jedoch nie die Zeit dafür gefunden. Nun bestellte er ein Team seines Ausrüsters ein. Und tüftelte.

Zum Karriereende von Roger Federer
:Stilist und Gentleman

Wer Tennis mag, muss das Spiel von Roger Federer lieben. Der Schweizer hat alles gewonnen - auch die Herzen der Fans und Ästheten. Seine Karriere in Bildern.

Von Jonas Beckenkamp

Heraus kam ein neues Racket, das sich enorm vom Vorgängermodell unterscheidet. Der Schlägerkopf ist größer, der dadurch höhere Trampolineffekt ermöglicht härtere Schläge. Schwerer hingegen fällt die Kontrolle beim Volleyspiel. "Es war eine große Umstellung", sagt Federer, "aber ich gewöhne mich nach und nach daran." Der Prototyp, den Federer in Hamburg spielt, ist noch nicht ganz ausgereift, kommt dem künftigen Modell aber sehr nahe.

So lassen sich auch Federers bisherige Auftritte am Rothenbaum erklären. Zwar steht er im Halbfinale, mühelos war der Weg des Schweizers allerdings nicht. Das Viertelfinale gegen Mayer hätte er locker verlieren können, sagte Federer selbst. Schon beim ersten Auftritt gegen Daniel Brands gab er einen Satz ab, im Achtelfinale gegen den Tschechen Jan Hajek verschluderte der Schweizer sogar vier Matchbälle, ehe er den fünften nutzte. Kurz vor Schluss ärgerte er sich mächtig, als er einen Ball überdeutlich neben das Feld setzte. Draußen habe jemand nach einem Ball gerufen, erklärte Federer später humorvoll: "Da habe ich ihm einfach einen rausgeschlagen." Der neue Schläger musste nicht als Entschuldigung herhalten.

Die Hamburger goutieren den entspannten Auftritt des früheren Weltranglistenersten. Am Mittwoch, als Federer erstmals auftrat, war die Arena am Rothenbaum mit 7500 Zuschauern auf dem Centre Court prompt ausverkauft. Das hatte es seit 2008 nicht mehr gegeben. Auch nach dem hart erkämpften Sieg gegen Mayer gab es Standing Ovations. Seit fünf Jahren hatte Federer nicht mehr am Rothenbaum aufgeschlagen, die Fans freuen sich, Federer bei sich zu haben. Der revanchiert sich, nimmt sich Zeit für Fotos und Autogrammwünsche, sprüht vor Charme. Das Finalwochenende ist ausgebucht.

Will Federer das Turnier zum fünften Mal gewinnen, muss er sich jedoch steigern. Der Argentinier Delbonis ist ein Qualifikant, sollte im Halbfinale schlagbar sein. Im Endspiel träfe Federer dann jedoch auf Haas-Bezwinger Fognini oder Nicolas Almagro, die sich beide - im Gegensatz zum Schweizer - in ausgezeichneter Form befinden.

"Ich weiß, dass ich besser spielen kann", hat Federer gesagt. Wenn er sich auf seinen neuen Schläger eingestellt hat, kann er das bestimmt.

© Süddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: