Robin Dutt bei Bayer Leverkusen:Von wegen Wohlfühloase!

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Vor seiner Rückkehr nach Freiburg kämpft Trainer Dutt um Anerkennung in Leverkusen - und gegen einen twitternden Doppelgänger

Philipp Selldorf

Bevor am vorigen Sonntag das Spiel zwischen Bayer Leverkusen und Schalke 04 begann, hat Robin Dutt einen ziemlich dreisten Scherz auf Kosten des gegnerischen Torwarts gemacht: "Meine Oma fährt im Unnerstall Motorrad", witzelte er im Kurznachrichtendienst Twitter, und dass eben jener Lars Unnerstall seinen Teil zur Leverkusener 0:1-Niederlage beitrug, hat Dutt nicht eingeschüchtert. Er fuhr damit fort, die Twitter-Gemeinde mit seinen Späßen zu unterhalten.

In der Internet-Falle: Robin Dutt. (Foto: dapd)

Er machte sich über Rot-Weiß Oberhausens Präsident Hajo Sommers und dessen neuen Trainer Mario Basler lustig ("rauchen mehr als Helmut Schmidt bei Günter Jauch - allein in der Halbzeitpause"), und einer jungen Frau, die einen Platz in ihrer Freiburger Wohngemeinschaft anbot, schrieb er: "Wenn ich am Freitag verliere, bleibe ich gleich da." Denn am Freitag kehrt Dutt zurück an den Ort, an dem er vier Jahre glücklich und erfolgreich gearbeitet hatte, bis er im Sommer ins Rheinland übersiedelte und eine weniger gemütliche Seite des Bundesliga-Betriebs kennenlernte.

Zur Vorbereitung auf das Flutlichtspiel beim SCF ist der Leverkusener Tross mit dem Zug Richtung Schwarzwald gefahren, um im Elztal ein im Klub wohlbekanntes Hotel zu beziehen und dort ein paar Tage zur Ruhe zu kommen. In dem Haus hatte schon Rudi Völler seine Spieler um sich gesammelt, als er noch Teamchef des DFB war, und Dutts Vorgänger Jupp Heynckes war dort ebenfalls im Rahmen eines Trainingscamps zu Gast, als er 2009 seine Arbeit bei Bayer aufnahm. Bis zum Abflug am Montag zum Champions-League-Spiel in Valencia wird Leverkusen dort bleiben.

Doch auch in den stillen Stunden der Einstimmung auf die wichtige Ligapartie in prekärer Zeit hat Dutt erneut getwittert. Diesmal erwiderte er eine Botschaft des Sprechers der Bundesregierung, Steffen Seibert, der auf die Strapazen der langen Verhandlungsnacht bei der EU in Brüssel hingewiesen hatte: "Ich kann kein Mitgefühl empfinden. Werden Sie mal Trainer in einer Wohlfühloase!" Dutt bot Seibert an, für einen Tag mit ihm zu tauschen, doch Seibert lehnte ab: "Ich wäre hoffnungslos als Trainer!"

Seibert hat das gut gemeint, aber der twitternde Dutt, dem er da in bester Absicht antwortete, ist nicht der Bayer-Trainer, sondern ein Hochstapler in der digitalen Welt. Vielen berühmten Leuten ist die offene Kommunikation im Internet inzwischen zur Falle geworden, ständig geraten sie in die Lage, Missverständnisse aufklären zu müssen. Der wahre Dutt würde Bayer nie als "Wohlfühloase" bezeichnen, weil ihm erstens seine Arbeit derzeit nicht viele wohlige Gefühle bereitet, und weil zweitens dieser Begriff eine allergische Wirkung bei den Bayer-Leuten hervorruft. Trainer Bruno Labbadia hatte sich 2009 sehr unbeliebt gemacht, als er den Bundesliga-Flecken Leverkusen als "Komfortzone" brandmarkte.

In Freiburg darf Dutt am Freitag mit einem freundlichen Empfang rechnen, der SC und seine Fans rechnen ihm hoch an, wie gut er den komplizierten Übergang aus der Jahrhunderte währenden Ära des Trainers Volker Finke in die Gegenwart meisterte. Die Schwierigkeit seiner jetzigen Aufgabe schätzt Dutt ähnlich groß ein, auch in Leverkusen bedürfe es "einer gewissen Beharrlichkeit", sagte er der Badischen Zeitung - und berief sich auf die Vorgeschichte: "Die Mannschaft ist Zweiter geworden, sie hatte einen fantastischen Trainer."

Derzeit ist Bayer Neunter, was aber das kleinere Problem ist. Das größere Problem als ein paar fehlende Punkte sind die verlorenen Eigenschaften der Mannschaft, in der nur wenigen Spielern konstant bessere Leistungen gelingen. Außer den zuverlässigen Lars Bender und Bernd Leno hat sich zuletzt nur der deutlich formverbesserte Michael Ballack hervorgetan. "Die spielerische Leichtigkeit fehlt", gibt Dutt zu. Die Hoffnung auf einen Knalleffekt nach der sagenhaften Auferstehung gegen Valencia (2:1) hat sich gegen Schalke nicht erfüllt, der Leistungsstand der Elf gibt den Verantwortlichen Rätsel auf. Die Twittergemeinde darf also gespannt sein auf Dutts nächsten lustigen Eintrag.

© SZ vom 28.10.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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