Superclasico River vs Boca:Endlich ist ein Sieger gefunden

River Plate-Spieler bejubeln ein Tor im Finale der Copa Libertadores 2018

Lucas Pratto (li.), Gonzalo Martinez und Ignacio Fernandez (re.) bejubeln den 1:1-Ausgleichstreffer für River Plate.

(Foto: dpa)
  • Im Finale der Copa Libertadores triumphiert River Plate gegen Boca im Stadtduell von Buenos Aires.
  • Das Endspiel wurde nach Krawallen in Argentinien nach Madrid verlegt - in diesem Rückspiel siegt River nun 3:1.

Von Jonas Beckenkamp

Eine Szene bekamen sie noch, die Blaugelben, die wackeren Männer von den Boca Juniors, deren Träume sich in diesen Augeblicken zu zerschlagen drohten. Also legte Leonardo Jara alles hinein in diesen einen, allerletzten Schuss. Ein Volley nach einer Kopfballkerze im Sechzehner, der Ball verließ seinen rechten Fuß - und klatschte an den Außenpfosten. Es war der Moment sterbender Hoffnung für Boca, den einen großen Klub aus Buenos Aires, der das Finale der Copa Libertadores letztlich mit 1:3 verlor.

Der andere übergroße Verein aus Buenos Aires ist nun der Sieger: River Plate, die Mannschaft in Rot und Weiß, bei denen der alte Stahlarbeiter Javier Pinola auf seine ewigen Tage noch einmal ein Highlight feiern durfte - den Triumph in Südamerikas wichtigstem Klub-Wettbewerb.

"Superclasico" nennen sie in Argentinien dieses Stadtduell, das Derby aller Derbys in Südamerika, dessen höchst umstrittene Verlegung aufgrund von Gewaltausbrüchen den Weltfußball mehr als zwei Wochen lang beschäftigt hatte. Und in der 36. Auflage dieses Emotionsspiels der Gauchos sorgte in der Verlängerung ausgerechnet ein Kolumbianer für die Entscheidung zugunsten Rivers: Juan Quintero, der in der 109. Minute einen fulminanten Schuss unter die Latte des Boca-Tores jagte, als alle schon mit dem Penaltyschießen gerechnet hatten.

Er und Gonzalo Martinez (120.+2, der ins leere Tor traf) waren es letztlich, die Rivers Fans endgültig beschenkten, als das Bernabeu-Stadion in Madrid in Rot und Weiß versankt. Dario Benedetto (44.) hatte Boca in Führung gebracht, Lucas Pratto (68.) den Ausgleich erzielt. Boca-Verteidiger Wilmar Barrios, ein verblüffend unsubtiler Allesgrätscher, hatte in der 92. Minute Gelb-Rot gesehen, es half ja alles nichts für die Juniors, die im Hinspiel am 10. November immerhin ein 2:2 erreicht hatten.

Auch jenes Rückspiel wurde nun zwar wie erwartet geführt wie ein Streetfight in den ärmeren Vierteln der argentinischen Hauptstadt, die befürchtete Randale außerhalb des Rasens blieb aber bis zum Schlusspfiff aus - Madrid erlebte stattdessen eine südamerikanische Invasion mit Tausenden mitgereisten "hinchas", wie die Fans am Rio de la Plata heißen. River Plate gewann das südamerikanische Pendant zur Champions League zum vierten Mal, Rekordsieger ist Stadtrivale CA Independiente mit sieben Titeln. Das Rückspiel zwischen den Erzrivalen Boca und River hätte eigentlich am 24. November im Stadion von River stattfinden sollen.

Doch damals ging einiges - wenn nicht sogar alles - schief. Bei der Anfahrt attackierten gegnerische Anhänger den Boca-Mannschaftsbus, es flogen Steine, Scheiben gingen zu Bruch. Mehrere Boca-Profis, darunter Kapitän Pablo Perez, verletzten sich, das Volk war beschämt und aufgewühlt zugleich. Argentinien erlebte eine Schande wie selten zuvor, weil alle Welt sah, dass das Land Fußball als Spiel um Leben und Tot interpretiert. Buenos Aires, ja, ein ganzes Land, war wegen seiner übertriebenen Leidenschaft für den Fußball diesem Duell nicht gewachsen.

Ein geklautes Finale

Doch die Entscheidung des südamerikanischen Fußballverbandes Conmebol, das Derby zwischen Boca, dem Klub der Arbeiterklasse, und "Los Millonarios" in die Stadt mit der größten argentinischen Gemeinde außerhalb Argentiniens zu verlegen, sorgte in der ganzen Welt für Empörung: Der Begriff "Copa Conquistadores" (Pokal der Eroberer) geisterte durch Argentinien - eine Anlehnung an die spanischen Eroberer aus dem 16. Jahrhundert. Man fühlte sich des Endspiels beraubt. Boca setzte zudem juristisch alle Hebel in Bewegung, den Copa-Sieg am Grünen Tisch zu erlangen. Ein Verfahren am Internationalen Sportgerichtshof CAS läuft noch, die Chancen dürften eher überschaubar sein.

Für die Sicherheitskräfte in Madrid war der Klassiker schlicht "das Aufeinandertreffen mit dem größten Risiko in der Geschichte der Stadt", wie die Zeitung El Pais kommentierte. Deshalb waren mit 5000 Polizisten fast doppelt so viele Kräfte im Einsatz wie beim spanischen Clasico zwischen Real Madrid, möglicher Finalgegner von River Plate bei der Klub-WM in Abu Dhabi (12. bis 22. Dezember), und dem FC Barcelona.

Boca begann im Stadion von Champions-League-Sieger Real gegen den favorisierten Erzrivalen überaus anspruchsvoll. River Plate mit dem Ex-Nürnberger Pinola in der Innenverteidigung bemühte sich zwar mehr um kultivierten Fußball, entwickelte aber lange zu wenig Wumms nach vorne. Kurz vor der Halbzeitpause ging Boca nach einem Gemälde von Steilpass von Nahitan Nandez auf Benedetto in Führung. Nach dem Seitenwechsel drehte River Plate vor den Augen von Argentiniens Fußballidol Lionel Messi (FC Barcelona) und einer Heerschar weiterer Prominenz auf.

Nachdem der uruguayische Schiedsrichter den Weiß-Roten in der 59. Minute einen Strafstoß versagte, glich Pratto neun Minuten später verdient aus. In Überzahl waren die weiteren Treffer für River Plate dann irgendwann die erwartbare Konsequenz. Was wohl passiert wäre, wenn der arme Leonardo Jara am Ende per Volley das 2:2 erzielt hätte? Die Welt wird es nie erfahren.

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