Riesenslalom-Sieger Ted Ligety:Mit Umwegen schneller am Ziel

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Hatte sich einen großen Schluck Champagner redlich verdient: Riesenslalom-Sieger Ted Ligety aus den USA. (Foto: Al Bello/AFP)

Triumph zur rechten Zeit: Ted Ligety hat WM-Gastgeber USA die erste Goldmedaille verschafft. Mit seinem besonderen Fahrstil gelingt ihm ein Kunststück, das im Riesenslalom zuvor niemand vollbracht hat.

Von Johannes Knuth, Beaver Creek

Ted Ligety öffnete die Champagnerflasche, er holte aus, das klebrige Gesöff waberte durch die Luft, es traf: Ted Ligety. Der 30 Jahre alte Amerikaner hatte sich die Dusche im Zielraum bewusst selbst gegönnt, er hatte einen ereignisreichen Arbeitstag hinter sich. Seine Goldmedaille im Riesenslalom verschaffte dem Gastgeberland dieser 43. alpinen Ski-Weltmeisterschaft seinen ersten Weltmeister.

Elf Tage hatten sie darauf gewartet in Vail und Beaver Creek, das waren nach eigenen Maßstäben ungefähr elf Tage zu viel. Als Ligety um kurz nach 15 Uhr Ortszeit als Sieger ausgerufen wurde, stießen die 10 000 Zuschauer einen spitzen Schrei aus, der vermutlich bis in die benachbarte Sierra Nevada hallte. "Das ist schon etwas emotionaler als bei einigen anderen Goldmedaillen", sagte Ligety und fügte an: "Dieses Jahr war nicht ganz einfach."

Ligety gewann in Sotschi im Riesenslalom Gold

In Amerika nennen sie Ted Ligety "Mr. Giant Slalom", Mister Riesenslalom. Ligety hört das nicht gerne, er verweist dann auf seine weiteren Qualifikationen, im Super-G zum Beispiel. Ein bisschen selbst schuld ist er aber schon: Ligety gewann im Riesenslalom Gold bei den Winterspielen in Sotschi, fünf Mal sicherte er sich die Weltcup-Wertung in seinem Fachgebiet. Am Freitag fügte er sein drittes WM-Gold in seinen Lebenslauf ein, in Serie wohlgemerkt, das hatte im Riesenslalom bislang niemand vollbracht.

Riesenslalom der Ski-WM
:Ligety jubelt, Neureuther schmollt

Im zweiten Durchgang ist die Konkurrenz zu stark: Felix Neureuther landet im Riesenslalom der Ski-WM auf Rang vier. Marcel Hirscher holt die nächste Medaille, ganz oben steht plötzlich wieder Ted Ligety.

Ligety war allerdings bescheiden in die aktuelle Saison gestartet. Als sie vor drei Jahren den Radius der Riesenslalom-Skier veränderten, kam das vor allem seinem Fahrstil entgegen. Ligety nutzte das, um seine Herrschaft in der Disziplin zu festigen. Mittlerweile hat es den Anschein, als habe die Konkurrenz ihren Wissensrückstand verkürzt. Ligety musste seine Herrschaft zudem fürs Erste an Marcel Hirscher abtreten, das versetzte seiner Selbstsicherheit offenbar einen Tritt.

Der Ligety, der in diesem Winter über die Hänge carvte, war nur noch entfernt verwandt mit jenem Ligety der Vorjahre, der den anderen regelmäßig enteilt war, nicht um Zehntel, wie im Skisport üblich, sondern um Sekunden. Vor der WM gewann er ein Rennen, den Weltcup im Dezember auf dem WM-Hang in Beaver Creek, er wurde zwei Mal Zweiter, in der Disziplinwertung lag er weit hinter Hirscher - alles nicht so einfach eben, zumindest, wenn es nach Ligety geht.

Skifahrer tanzen immer am Abgrund, ob Abfahrer oder Slalom-Spezialisten, wer seine Grenzen einen halben Schritt übertritt, den wirft der Kurs ab. Die amerikanischen Skirennfahrer hatten es in den ersten Tagen mit dem Tanz etwas übertrieben. Sie stolperten durch die ersten WM-Tage, und es war dann doch bezeichnend, dass Ligety als Erster den Rhythmus fand. Der Hang in Beaver Creek ist im Vergleich zu anderen Rampen im Weltcup flach. Ligety versteht es wie kaum ein anderer, bei geringer Neigung seine Skier zu beschleunigen. Er leitet seine Schwünge früher und weiter entfernt von den Toren an, dafür beendet er den Schwung früher, beschleunigt aus der Kurve heraus, während andere die Tore direkter anfahren, ab und zu rutschen, und Geschwindigkeit verlieren. Er fährt Umwege und ist trotzdem früher am Ziel.

"Wenn es einen Hügel gibt, auf dem ich in schlechter Form gut bin", sagte Ligety in der ersten Woche der WM, "dann ist es dieser hier."

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Felix Neureuther ist der Sohn berühmter Skifahrer. Seine Karriere bietet alles: große Siege, herbe Enttäuschungen, emotionale Momente - nun tritt er vom aktiven Sport zurück. Seine Karriere in Bildern.

Im ersten Durchgang am Freitag fuhr Ligety noch fehlerhaft. Die deutschen Trainer hatten den Kurs gesetzt, sie hatten eine Falle eingebaut: ein Tor, das hinter einer Kuppe gesteckt war. Die Fahrer mussten einen Rechtsschwung einleiten, während der Hang unter ihren Skiern nach links wegkippte. Das warf einige Athleten aus dem Rennen, unter anderem Benjamin Raich; das vermutlich letzte WM-Rennen des 36-Jährigen währte rund 30 Sekunden.

"Ich bin dem alten Ted wieder etwas nähergekommen"

Ligety nahm den zweiten Lauf als Fünftbester auf, später würde er sagen: "Wenn ich nur ein bisschen nachgegeben hätte, hätte es nicht gereicht. Dann hätte ich mich für eine Weile gehasst." Er gab dann nicht nach, im Ziel hatte er 1,20 Sekunden Vorsprung herausgefahren, 1,20 Sekunden auf einer warmen, schmierseifigen Piste, an dieser Marke arbeitete sich sogar Hirscher erfolglos ab. Ligety sagte: "Ich bin dem alten Ted wieder etwas nähergekommen".

Der alte neue Ligety war dann auch sehr dankbar über seine Vorstellung. Er wusste ja, dass es vor allem der Hang war, der seine Qualitäten gefördert hatte. "Jeder Tag, an dem man vor Marcel Hirscher sein kann, ist ein guter Tag", sagte Ligety. "Marcel ist ja dabei, einer der besten Skifahrer der Geschichte zu werden.

Ach ja, mit Felix Neureuther habe er auch noch gesprochen, sagte Ligety. Neureuther war Vierter geworden, er hatte nicht mit einer Medaille geplant, jetzt wusste er nicht so recht, ob er sich über die knapp verpasste Medaille ärgern oder über sein bestes Riesenslalom-Resultat des Winters freuen sollte. Neureuther entschied sich für letzteres. Im Slalom am Sonntag zählt er zu den Favoriten, Ted Ligety wird ihm die Daumen drücken, die beiden sind gut befreundet. Er habe seinen Titel jetzt, sagte Ligety, "am Sonntag darf Felix Gold gewinnen."

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